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Rita Braches-Chyrek, Jörg Fischer (Hrsg.): Handlungsmethoden der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Peter-Ulrich Wendt, 29.04.2020

Cover Rita Braches-Chyrek, Jörg Fischer (Hrsg.): Handlungsmethoden der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-8340-1865-6

Rita Braches-Chyrek, Jörg Fischer (Hrsg.): Handlungsmethoden der Sozialen Arbeit. Schneider Verlag Hohengehren (Baltmannsweiler) 2018. 182 Seiten. ISBN 978-3-8340-1865-6. 19,80 EUR.
Reihe: Einführung in die Soziale Arbeit - Band 3.

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Hintergrund

Methodisch-abgestütztes Vorgehen steht im Zentrum jedweden Handelns in der Sozialen Arbeit. Dabei zu unterstützen, ein entsprechendes „Gefühl“ bzw. Wissen dafür zu entwickeln, ist daher Aufgabe entsprechender Lehrveranstaltungen an den Hochschulen für Soziale Arbeit, und es ist Aufgabe zahlreicher Einführungen in die Methoden der Sozialen Arbeit (z.B. Kreft/Müller 2019, Galuske 2013, Stimmer 2020, von Spiegel 2018, Wendt 2017). Auch die vorliegende Sammlung stellt die (Handlungs-) Methoden in den Mittelpunkt, und es trifft zu, was das Herausgeberteam – Rita Braches-Chyrek und Jörg Fischer – dazu in der Einführung formuliert, worum es zugehen hat: „Ein wesentlicher Aspekt in der Auseinandersetzung mit Methoden sind daher die Fragen nach dem ‚was‘, ‚wie‘, dem ‚warum‘ von Schwierigkeiten, Konflikten, Problemen und Herausforderungen, der Entstehung und Verfestigung, nach Möglichkeiten des Verstehens, nach Mitteln und Ressourcen, nach Verfahren, der Vermittlung, der Technik und der Umsetzung, um ein planvolles methodisches Vorgehen und sozialarbeiterische Intervention beginnen, planen und durchführen zu können“ (S. 10).

Herausgeber*in

Dr. Rita Braches-Chyrek ist Professorin für Sozialpädagogik an der Universität Bamberg mit den Forschungsschwerpunkten Theorie und Geschichte der Sozialen Arbeit, Generationen-, Geschlechter- und Kindheitsforschung.

Dr. Jörg Fischer ist Professor für Bildungs- und Erziehungskonzepte und Leiter des Instituts für kommunale Planung und Entwicklung an der Fachhochschule Erfurt; seine Arbeitsschwerpunkte sind Kinder- und Jugendhilfe, Kinderschutz und Kinderarmut, politische Steuerung in der Sozialen Arbeit, Bedarfsanalysen und Planungsansätze in der kommunalen Soziale- und Bildungspolitik sowie lokales Netzwerkmanagement.

Aufbau und Inhalt

Der vorliegende Band erscheint in der Reihe „Einführung in die Soziale Arbeit“, in der unter anderem auch schon „Bezugswissenschaften der Sozialen Arbeit“ (herausgegeben von Caroline Schmitt und Matthias D. Witte, vgl. die Rezension https://www.socialnet.de/rezensionen/24825.php) und „Forschungsfelder der Sozialen Arbeit“ (herausgegeben von Pascal Bastian und Barbara Lochner, vgl. die Rezension https://www.socialnet.de/rezensionen/24859.php) erscheinen sind.

Die Einführung in die Handlungsmethoden besteht – nach der als Vorwort zu deutenden ersten Einordnung durch Braches-Chyrek und Fischer („Zur Bedeutung von Handlungsmethoden“ [S. 7 – 14]) – aus drei Bestandteilen:

Zunächst nimmt in der Einführung Michael Bower unter dem Titel „Stationen der Diskussion“ eine systematische Betrachtung der Breite und Wandelbarkeit von Handlungsmethoden der Sozialen Arbeit vor (S. 15 – 46). Wissen, Haltung und Können werden zu- und miteinander in Beziehung gesetzt, wodurch grundlegende Aspekte und Annahmen methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit sichtbar und zentrale Stationen der Methodendebatte – von der Armenpflege bis zum modernen Fallverstehen – veranschaulicht werden sollen. Die überwiegend historische Argumentation mündet in Gedanken zu einem reflexiven „Werkzeugkoffer“ der Methoden, der charakterisiert wird durch das Moment des sozialpädagogischen Könnens (nach Burkhard K. Müller), einer (sozial-) raumbezogenen Blickrichtung (unter Verweis auf die hier einschlägigen Autor*innen), Feldbezug und differenzierte soziale Diagnostik (im Rückgriff auf Peter Pantucek), Handlungskompetenzen und -typen (im Anschluss an Maja Heiner) und einem Prozessmodell methodischen Handelns, wobei sich der Verfasser auf Überlegungen bezieht, die Ursula Hochuli Freund und Walter Stotz angestellt haben.

Im Hauptteil des Sammelbandes sind die Verfasser*innen bestrebt, „einen Zugang zu ausgewählten Handlungsmethoden der Sozialen Arbeit, die symptomatisch für das Verhältnis der Profession und der Disziplin zum methodischen Handeln stehen“, zu ermöglichen:

  • Regina Rätz nimmt den Einstieg mit der klassischen Methode der Einzelfallhilfe vor (S. 47 – 75), indem sie diese historisch einordnet, als Kern der professionellen beruflichen Tätigkeit in der Sozialen Arbeit definiert, als „Hilfe und Leistung im Dialog der Beteiligten“ (S. 54 ff.) charakterisiert und Grundzugänge methodischen Handelns in der Einzelfallhilfe (einerseits verstehend-prozesshafte, andererseits strategisch-lösungsorientierte Zugänge) beschreibt.
  • Thorsten Möller schließt daran mit der Vorstellung der (Sozialen) Gruppenarbeit als der zweiten „klassischen“ Methode der Sozialen Arbeit an (S. 77 – 101). Anhand der unterschiedlichen historischen Entwicklungslinien in den Vereinigten Staaten (Settlement-Bewegung, Gruppendynamik) und Europa (Reformpädagogik, Arbeit mit Balint-Gruppen) erläutert er die Einflüsse auf das aktuelle Verständnis von Sozialer Gruppenarbeit und entwickelt (unter anderem in Bezugnahme auf Heinrich Schiller) einige handlungsleitende Prinzipien.
  • Wolfgang Hinte geht auf die Gemeinwesenarbeit als dritter „klassischer“ Methode und ihr auch durch Widersprüche gekennzeichnetes Verhältnis zur Sozialen Arbeit ein (S. 103 – 123); er ordnet sie historisch kritisch als im Ergebnis (insbesondere im Blick auf aggressive Konzepte, wie sie z.B. von Saul Alinsky entwickelt und in den USA auch praktiziert wurden) recht bedeutungsarm ein und unterstreicht, dass sich auch deshalb GWA als Arbeitsprinzip habe entwickeln müssen, das sich heute in verschiedenen professionellen Fachkonzepten (Sozialraumorientierung, Quartiersmanagement) wiederfinde (S. 113 f.).
  • Andreas Lampert setzt sich mit Beratung als Methode auseinander (S. 125 – 152), klärt dabei die Differenz von Alltags- und professioneller Beratung, das Beratungssetting, grenzt unterschiedliche Beratungsformate voneinander ab, ordnet Beratung im Blick auf Lebenswelt ein, vermittelt Zugänge zu non-direktiver, klient*innenbezogener Beratung, Themenzentrierter Interaktion (TZI) sowie systemisch-lösungsorientierter Beratung und zieht abschließend ein „beratungsethisches Resümee“, wobei er unter anderem auf wertethische Prinzipien Immanuel Kants Bezug nimmt (S. 147 ff.).
  • Salvador Campayo und Nadia Kutscher wenden sich Sozialer Arbeit in einer digitalisierten bzw. mediatisierten Gesellschaft zu (S. 153 – 171) und entwickeln einige Überlegungen zu deren Folgen für das methodische Handeln, da Fachkräfte der Sozialen Arbeit „mit einer veränderten (Technik-) Logik konfrontiert (sind), die die Interventionspraxis, d.h. die Handlungsabläufe, die Binnenstrukturen der Deutung von lebensweltlichen Schwierigkeiten in Einzelfällen und die Fallkonstruktion beeinflussen“ (S. 156). Es folgen daher Hinweise z.B. zu Online-Beratung, virtuell-aufsuchender Arbeit und dem Einsatz digitaler Medien.

In einigen Schlussbemerkungen gibt Rita Braches-Chyrek Hinweise zum aktuellen Stand der Diskussion über die Weiterentwicklung der Handlungsmethoden, die auf Prozesse der Ökonomisierung der Sozialen Arbeit, Spaltung der Gesellschaft, gesellschaftlicher Heterogenität und Digitalisierung zu reagieren haben werden (S. 173 – 180).

Diskussion

Ziel des Sammelbandes ist es einerseits, „in zentrale Überlegungen zu methodischem Handeln in der Sozialen Arbeit einzuführen“, wozu grundlegende Methoden vorgestellt und Möglichkeiten gegeben werden, sich damit „vertraut zu machen, um diese in konkreten Handlungssituationen anwenden zu können“. Andererseits soll der Blick auch auf die Strukturbedingungen methodischen Denkens und Handelns gelenkt werden, „um zu klären, unter welchen Bedingungen sich methodische Interventionen in sozialpädagogischen Kontexten vollziehen“ und welche Entwicklungen in der Diskussion zur Weiterentwicklung der Methoden zu sehen sind (S. 12).

Diesem Anspruch wird der Band durchaus gerecht, auch wenn ich als Methodiker um einige Hinweise nicht herumkomme, zum Beispiel:

  • Es handelt sich um eine konzentrierte Einführung, die eben nur überblicksartig einen Zugang zu den „klassischen“ Methoden erlaubt. Der Umfang der reinen Einführung (166 Seiten) erlaubt – im Verhältnis zu den (Lehr-) Büchern zu den Methoden der Sozialen Arbeit (s.u.) – auch nicht mehr.
  • An einer angemessenen Darlegung der (praktischen) Verfahren methodisch-abgestützten Vorgehens (an der Fallarbeit/-beratung, in der sozialen Gruppe, als Soziale Arbeit im Gemeinwesen) fehlt es deshalb (naheliegenderweise). Insoweit sind die Möglichkeiten, von denen eben gerade die Rede war, eher selten.
  • Eine Sammlung erzwingt einerseits die eine oder andere Überschneidung, die sich aus der Argumentation verschiedener Verfasser*innen ergibt, so zum Beispiel zum Methodenbegriff (S. 16 ff., 35 ff., 58 ff., S. 126 ff.), was andererseits aber eben auch Nuancen und Differenzen in der Darstellung offenkundig werden lässt.
  • Zum Teil erscheint mir die historische Darlegung doch etwas zu ausführlich, was zum Beispiel Michael Bower in seinem Beitrag selbst so sieht und ihn veranlasst, die Leser*innenschaft gar zum Durchhalten aufzufordern (S. 31). Hier wäre etwas weniger sicher im Ergebnis mehr gewesen.
  • Auch wirkt mir das Urteil des „Grandseigneurs“ der Gemeinwesenarbeit, Wolfgang Hinte, doch etwas zu resignativ, was den Stellenwert der GWA in der Sozialen Arbeit angeht; aktuelle Ansätze zur Nutzung auch aggressiver Konzepte der GWA im Kontext von Überlegungen zur Re-Politisierung der Sozialen Arbeit bleiben dabei (zu meinem Bedauern) ungesehen.
  • Die Hinweise von Kutscher/Campayo sowie Braches-Chyrek zum gegebenen Entwicklungsbedarf der Methoden (z.B. im Kontext von Mediatisierung/Digitalisierung, Spaltung und Heterogenität) beschreiben die gesellschaftlichen Rahmungen meines Erachtens zutreffend, bleiben aber in den Schlussfolgerungen, wie sie im Blick auf einen praxisorientierten Zugang nötig sind, noch verdichtungsbedürftig.

Fazit

Es liegt eine aufschlussreiche Sammlung vor, die das hält, was sie verspricht: eine Einführung in die Methoden der Sozialen Arbeit zu sein. Gut lesbar und kenntnisreich erleichtert sie den Einstieg, bevor eine Vertiefung mit den einschlägigen (Lehr-) Büchern zu den Methoden herangezogen werden können.

Literatur

Kreft, Dieter, und C. Wolfgang Müller (Hrsg.): Methodenlehre in der Sozialen Arbeit: Konzepte, Methoden, Verfahren, Techniken, 3. Aufl. München 2019; Rezension: https://www.socialnet.de/rezensionen/26267.php

Galuske, Michael: Methoden der Sozialen Arbeit, 10. Aufl. Weinheim und Basel 2013; Rezension zur 9. Auflage (2011): https://www.socialnet.de/rezensionen/11343.php

Stimmer, Franz: Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit, 3. Aufl. Stuttgart 2013, 4. Aufl. angekündigt für Mitte 2020; Rezension zur 2. Aufl. (2006): https://www.socialnet.de/rezensionen/4130.php

von Spiegel, Hiltrud: Methodisches Handeln in der sozialen Arbeit. Grundlagen und Arbeitshilfen für die Praxis, 6. Aufl. München 2018; Rezension: https://www.socialnet.de/rezensionen/24837.php

Wendt, Peter-Ulrich: Lehrbuch Methoden der Sozialen Arbeit, 2. Aufl. Weinheim und Basel 2017; Rezension zur ersten Auflage (2015): https://www.socialnet.de/rezensionen/18052.php

Rezension von
Prof. Dr. Peter-Ulrich Wendt
Professur für Grundlagen und Methoden der Sozialen Arbeit an der Hochschule Magdeburg
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Es gibt 118 Rezensionen von Peter-Ulrich Wendt.

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Zitiervorschlag
Peter-Ulrich Wendt. Rezension vom 29.04.2020 zu: Rita Braches-Chyrek, Jörg Fischer (Hrsg.): Handlungsmethoden der Sozialen Arbeit. Schneider Verlag Hohengehren (Baltmannsweiler) 2018. ISBN 978-3-8340-1865-6. Reihe: Einführung in die Soziale Arbeit - Band 3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24819.php, Datum des Zugriffs 24.03.2023.


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