Kay Biesel, Ulrike Urban-Stahl: Lehrbuch Kinderschutz
Rezensiert von Dr. Miriam Damrow, 01.04.2020

Kay Biesel, Ulrike Urban-Stahl: Lehrbuch Kinderschutz.
Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2018.
371 Seiten.
ISBN 978-3-7799-3083-9.
D: 19,95 EUR,
A: 20,60 EUR,
CH: 27,90 sFr.
Reihe: Studienmodule Soziale Arbeit.
Thema
Das vorliegende Lehrbuch informiert, systematisch als Überblicksarbeit konzipiert, konzentriert zum Thema Kinderschutz aus der Perspektive der Profession Soziale Arbeit.
Aufbau
Nach der Einleitung gliedert sich der Band in 3 Teile auf. Teil 1 stellt in 7 Kapiteln grundlegende Informationen dar. So wird im ersten Kapitel (S. 18–32) eine Definition dessen, was Kinderschutz ist, dargelegt. Kapitel 2 (S. 33–48) informiert zu Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung als soziale Konstrukte. Im dritten Kapitel werden Vorstellungen von Bedürfnissen und Schutz von Kindern und Jugendlichen in historischer Perspektive vorgestellt. Das vierte Kapitel nimmt Familien in vergleichender historischer Perspektive in den Blick. Das fünfte Kapitel bietet einen Überblick zu Formen und Folgen von Kindeswohlgefährdungen. Das sechste Kapitel befasst sich mit Gewalt in der Familie. Im siebten Kapitel werden Ursachen von Kindeswohlgefährdungen dargestellt.
Der zweite Teil des Bandes vertieft in 5 Kapiteln bisher dargelegte Informationen.
Im achten Kapitel stehen Gefühle und Ambivalenzen im Kinderschutz im Fokus. Das neunte Kapitel bietet einen Überblick zu Rechtsgrundlagen im Kinderschutz und schließt damit an Informationen des 2. Kapitels an. Im 10. Kapitel werden Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe im Kinderschutz vorgestellt, während das 11. Kapitel auf Organisationen des Kinderschutzes außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe rekurriert. Das 12. Kapitel legt Gefährdungseinschätzungen im Kinderschutz dar.
Im dritten Teil des Lehrbuches, bestehend aus 2 Kapiteln, wird im 13. Kapitel auf frühe Hilfen im Kinderschutz fokussiert. Das 14. Kapitel bietet einen Überblick zur Qualitätsentwicklung im Kinderschutz.
Diskussion
Das Lehrbuch, vorrangig für Akteur*innen und Studierende der Profession Soziale Arbeit verfasst, informiert umfassend und gründlich über das Problemfeld Kinderschutz. Die interdisziplinäre Perspektive wird jedoch etwas kurz gefasst: so fehlen z.B. ausdrücklich Kapitel zu Perspektiven anderer, angrenzender und relevanter Disziplinen (z.B. Medizin, Erziehungswissenshaften etc.). An einigen Stellen werden Informationen verkürzt dargestellt: im Abschnitt zu Rechten von Kindern und Jugendlichen (nach der UN-Kinderrechte-Konvention) wird ausschließlich auf das Triple-P-Modell verwiesen (Schutz-, Beteiligungs- und Förderrechte von Kindern und Jugendlichen), jedoch nicht auf Entwicklungsrechte. Vor dem Hintergrund eines interdisziplinären Lehrbuchs bleibt die Exklusion dieser Rechte eher unverständlich.
Gravierender erscheint die Exklusion einer relevanten systemimmanenten Perspektive und Dimension: Als systemrelevante Akteure aus Sicht der Gefährdung von Kindern werden ausschließlich Eltern gefasst. Fallzahlen belegen zwar eine erhöhte intrafamiliale Gefährdung von Kindern, allerdings ist die Gefährdung des Kindeswohls nicht ausschließlich auf Eltern begrenzt. Auch andere Angehörige in Betreuungs- und Erziehungskonstellationen, d.h. rekurriert wird an dieser Stelle auf Angehörige der Profession der Sozialen Arbeit und angrenzender Disziplinen, gefährden mitunter Kinder. Die Exklusion dieser Perspektive(n) beschränkt die Aussagefähigkeit des Bandes erheblich -diese systematische Leerstelle hätte in einem Lehrbuch Kinderschutz unbedingt in den Blick genommen werden müssen, idealerweise auch beantwortet werden können (und möglicherweise auch müssen). Unverständlich bleibt weiterhin, warum unzureichendes Fallmanagement bei Kindeswohlgefährdung(en) nicht in den Blick genommen wird. Insgesamt erschweren und limitieren diese Begrenzungen und Beschränkungen den Wert des Lehrbuches erheblich: In einzelnen Fallbeispielen (vorrangig belegten historischen Kinderschutzfällen, z.B. Lea-Sophie) wird zwar auf familial letale Fälle von Kindeswohlgefährdungen verwiesen, weitergehende, vertiefende, systematische Analysen der Fälle werden jedoch nicht geboten (obwohl sie in Einzelfällen auch vorliegen). Wo auf letale (bzw. andere, gravierende) Fälle von Kindeswohlgefährdungen rekurriert wird, geschieht dies vor dem Hintergrund einer Besprechung emotionaler Reaktionen (z.B. der Fachkräfte).
Positiv hervorzuheben sind die Ausführungen zu historischen und historisch-vergleichenden Perspektiven (z.B. in Kapitel 3 und Kapitel 4), allerdings hätte dann auch ein kurzer Abriss zur Professionsentwicklung (und Zuständigkeit der Profession Soziale Arbeit hier angeschlossen werden können – auch ein Anschluss an laufende Forschungsarbeiten, z.B. zu Zuständigkeiten der Profession (verwiesen sei an dieser Stelle auf die Forschungsarbeiten z.B. von Katharina Kunze) hätte sich angeboten.
Fazit
Das Lehrbuch Kinderschutz bietet informiert einen umfassenden Überblick zu familial bedingten Kindeswohlgefährdungen, die ausschließliche Konzentration auf familiale Gefährdungen allerdings begrenzt die Einsetzbarkeit des Lehrbuches. Vor dem Hintergrund der Professionsentwicklung der Profession Soziale Arbeit hätte auf weitere Perspektiven rekurriert werden können (und eventuell auch müssen). Der interdisziplinäre Anspruch wird nur begrenzt eingelöst.
Rezension von
Dr. Miriam Damrow
Hochschule Magdeburg-Stendal
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Zitiervorschlag
Miriam Damrow. Rezension vom 01.04.2020 zu:
Kay Biesel, Ulrike Urban-Stahl: Lehrbuch Kinderschutz. Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2018.
ISBN 978-3-7799-3083-9.
Reihe: Studienmodule Soziale Arbeit.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24861.php, Datum des Zugriffs 09.12.2023.
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