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Corina Ahlers: Patchworkfamilien beraten

Rezensiert von Monika Pietsch, 24.06.2019

Cover Corina Ahlers: Patchworkfamilien beraten ISBN 978-3-525-40627-4

Corina Ahlers: Patchworkfamilien beraten. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2018. 87 Seiten. ISBN 978-3-525-40627-4. D: 10,00 EUR, A: 11,00 EUR.
Reihe: Leben. Lieben. Arbeiten - systemisch beraten.

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Thema

Im vorliegenden Band wird die psychologische Begleitung nach einer Trennung beschrieben und die systemische Haltung der Beratenden mit ihren Techniken aufgezeigt.

Autorin

Corina Ahlers ist Dozentin für systemische Psychotherapie und Familientherapeutin. Sie leitet das Kompetenzzentrum „FamilieNeu“ in Wien, dass sich auf die Hilfe bei Trennung und Neubildung von Familien spezialisiert hat.

Entstehungshintergrund

Die Buchreihe „Leben.Lieben.Arbeiten: Systemisch beraten“ befasst sich mit den Herausforderungen der menschlichen Existenz und deren Bewältigung. Patchwork- Konstellationen sind heute eine Realität. Aus dieser Lebenswirklichkeit ergeben sich eine Vielzahl an Fragestellungen, mit denen die Betroffenen/Beteiligten tagtäglich konfrontiert sind.

Aufbau und Inhalt

Vorwort

1. Der Kontext

Patchwork beinhaltet eine Vielfalt von Lebensmodellen und komplex gelebter Werte. So besteht ein Patchwork aus der „Kernfamilie“, die als „Fortsetzungsfamilie“ weiterlebt und gleichzeitig neue Konstellationen „hervorbringt“. Diese Konstellationen sind geprägt von einer Vielfalt an Beziehungen, Partnerschaften, Konstellationen hinsichtlich: sexueller Neigung, Religion, eigener und gemeinsamer Kinder etc. Ahlers verlangt von den beteiligten Profis (Jugendamt, Richter etc.) einen empathischen Umgang mit den Mitgliedern des Problemsystems, ein flexibles Umdenken und einen wohlwollenden Optimismus, um Interventionen zu planen. Ihrer Ansicht nach folgen Professionelle jedoch nach wie vor dem Konzept der Kernfamilie, das die heutige Realität ausblendet.

2. die systemische Beratung

Das Kapitel zeigt die verschiedenen Bereiche einer psychologischen Beratung.

  • Im Abschnitt: Systemisches Patchwork im professionellen Umfeld stellt Ahlers die Frage, wer als Klient beraten werden soll oder will und ob es weitere Personen gibt, die dazu kommen sollten. Auf das Patchwork wirken eine Vielzahl von Menschen, private wie professionelle. Professionelle können dabei Hoffnung auf Veränderungen und neue Alternativen vermitteln.
  • Unter dem Oberbegriff: Chronometrie der Trennung zeigt Ahlers einen zeitlichen Ablauf einer Trennung auf. Verschiedenen Phasen: Wut, Ambivalenz, Hoffnung und Verzweiflung wechseln sich ab. Erwachsene, die Begleiter ihrer Kinder in dieser schwierigen Zeit sein sollten, kommen erst langsam wieder ins Gleichgewicht und können erst dann wieder für die Kinder/Jugendlichen hilfreich sein. Ahlers beschreibt, wie die akute Trennungsphase gemeinsam in professioneller Begleitung durchgestanden wird. Anschließend empfiehlt sie Einzelcoachings.

Weitere Phasen der Trennungsberatung sind:

  • Coming out: Wie sage ich es den Kindern? Ahlers schlägt vor, die Kinder erst dann zu informieren, wenn der Auszug eines Elternteils bevorsteht. Viele vorherige Erklärungen hält sie nicht für nötig. Die sprachliche Ausdrucksweise soll sich an das Alter des Kindes anpassen, dabei werden sich die Gespräche nach und nach mit dem Alter der Kinder weiterentwickeln.
  • Streit im Paar – Streit bei den Eltern; Ahlers zeigt auf, dass Elternpaare auch nach der Trennung noch über viele Dinge streiten. Hier kann es hilfreich und heilend sein, wenn auch einmal möglichst wenig gesprochen wird und die Verabredungen einfach konsequent eingehalten und durchgeführt werden.
  • In Loyalität im Konflikt wird der Loyalitätskonflikt der Kinder beschrieben. Je nachdem wie die Trennung der Eltern verarbeitet wird, kann das Innenleben des Kindes Loyalität zu beiden Elternteilen ausbilden und sie bleibt bis ins Erwachsenenalter spürbar.
  • Unter der Überschrift: Komplexität und Kontingenz in der Zusammensetzung neuer Beziehungen wird auf die Fortsetzungsfamilie fokussiert. Hier wird mit einem Beispiel gearbeitet:
  • Anhand der Lebensgeschichte von Karl und seinen 5 Beziehungen, aus denen mehrere Kinder hervorgehen, werden zunächst schriftlich, dann auch bildlich im Genogramm, Lebensabschnitte dargestellt. Einzelne Beziehungen innerhalb des Patchworks werden thematisiert und Hypothesen für die Beratung gebildet, Problembereiche werden diagnostiziert. Dazu gehören auch die Positionen der Kinder und Jugendlichen. Ihre Art des Umgangs und der Loyalität werden thematisiert und an Beispielen verdeutlicht: Karl lernt mit 24 Jahren die 20jährige Simone kennen; es wurde schnell geheiratet; sie machten große Reisen; die Ehe hielt 10 Jahre. Ahlers ergänzt ihre professionellen erste Eindrücke. Unter der Überschrift: Themen einer Reise des professionell begleitenden Problemsystems wird zum o.g. Beispiel ausgeführt, wie die Beziehung zu Simone auseinander ging und welche Richtungen durch Therapien und Beratungen möglich gewesen wären.
  • Die Hinzugekommenen in einem Patchwork werden oft vergessen. Sie haben aber einen erheblichen Einfluss auf das System. Mit ihrer persönlichen Geschichte wirken sie auf das System und blockieren möglicherweise auch Lösungen.
  • Ein besonderes Problem bergen sogenannte Life-Events. Darunter versteht Ahlers besondere Ereignisse, die zu managen sind: z.B. Weihnachten oder die Geburt von Halbgeschwistern. Ahlers zeigt an Beispielen mit vielen Fragen was zu bedenken ist: wer feiert Weihnachten mit wem? Nimmt man sich für die Kinder zum Fest zusammen? Was bedeutet das für die ausgeschlossenen neuen Partner? Etc.
  • Den Abschluss zum Thema Beratung bildet die professionelle Haltung. Diese sollte nach Ahlers folgendermaßen sein: vielseitig, flexibel, polyvalent, neutral, lösungsorientiert, vorgeschlagene Handlungen sollten realisierbar sein. Es werden noch eine Vielzahl an Konstrukten beschrieben, die im Hintergrund ablaufen: z.B. jede Trennung wirkt auf das gesamte Patchwork; die Bewältigung der Trennung braucht individuell lang; Trennungsbewältigung heißt der Zukunft nach der zerbrochenen Beziehung eine Chance geben; es muss eine klare Abgrenzung zwischen der alten und neuen Familie geben, u.v.m. Jede Situation muss ausreichend lang analysiert werden. Hilfreich bleiben Berater, wenn sie beständig für pragmatische Lösungen werben, auch wenn diese nur kurzen Bestand haben und dann neu miteinander verhandelt werden müssen.

3. Am Ende

Im Fazit vermutet Ahlers, dass gut abgeschlossene Trennungen bei beiden Ex- Partnern einen gelingenden Anfang einer neuen Beziehung ermöglicht. Für den Berater heißt es, offen zu sein für die verschiedenen Sichtweisen. Dabei sollte man sich bewusst sein, dass diejenigen, die zur Psychotherapie gehen, nicht immer diejenigen sind, die kommen müssten.

Den Abschluss des Buches bildet das Literaturverzeichnis.

Diskussion und Fazit

Die im Buch vorgestellte systemische Beratung bietet ein gutes Spektrum an Methoden, um die Vielzahl von Problemstellungen und deren Lösungen zu moderieren. Ahlers zeigt einerseits die Thematik der Patchworkfamilien mit vielen Unterthemen auf, andererseits wird ein Ablauf von Therapie deutlich gemacht. Auf knapp 90 Seiten zeigt sie gleichzeitig kurz und bündig die systemische Sichtweise und ihre wichtigste Technik: das zirkuläre Fragen.

Inhaltlich kann es durch die Kürze des Buches nur ein Anreißen von Themen, Inhalten und Methoden geben. Besonders eindringlich wird immer wieder auf die professionellen Berater hingewiesen. Die noch vorherrschenden Sichtweisen in Ämtern und Gerichten tragen den gesellschaftlichen Verhältnissen in keiner Weise Rechnung und werden auch den Menschen nicht gerecht, die in Patchworks leben. Die Beispiele und auch die sehr persönlichen Kommentare von Corina Ahlers lassen spüren, wie die systemische Beratung wohlwollend, zugewandt und ohne Bewertung abläuft. So wird die systemische Beratung auch in der Ausdrucksweise und im Schreibstil erlebbar.

Corina Ahlers macht sichtbar, worum es ihr in der systemischen Beratung geht: ein Problem oder einzelne Menschen von vielen Seiten zu betrachten und zu hinterfragen. Dabei können beim Leser Ideen entstehen und auch eigene Sichtweisen und Glaubenssätze in Frage gestellt werden.

Rezension von
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
Website

Es gibt 60 Rezensionen von Monika Pietsch.

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ISSN 2190-9245