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Anne-Katrin Jordan, Eric Pfeifer u.a. (Hrsg.): Musiktherapie in pädagogischen Settings

Rezensiert von Dr. Frank Henn, 07.05.2019

Cover Anne-Katrin Jordan, Eric Pfeifer u.a. (Hrsg.): Musiktherapie in pädagogischen Settings ISBN 978-3-8309-3722-7

Anne-Katrin Jordan, Eric Pfeifer, Thomas Stegemann, Sandra Lutz Hochreutener (Hrsg.): Musiktherapie in pädagogischen Settings. Impulse aus Praxis, Theorie und Forschung. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2018. 222 Seiten. ISBN 978-3-8309-3722-7. 29,90 EUR.

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Thema

Musiktherapie in pädagogische Settings zu integrieren ist kein neues, aber aufgrund der gesundheits-, gesellschafts- und bildungspolitischen Entwicklungen ein hochaktuelles Thema. Zeit also, den gegenwärtigen Stand von Praxis, Theorie und Forschung näher zu beleuchten. Das vorliegende Buch bietet einen interdisziplinären und internationalen Einblick in Themenfelder rund um Musiktherapie in Schule, Musikschule und Kindergarten. Im ersten Teil werden die Möglichkeiten, Chancen, Herausforderungen und Grenzen der Musiktherapie in (musik-)pädagogischen Settings diskutiert. Dabei werden aktuelle Gesundheitssurveys und Bildungsstudien ebenso einbezogen wie Gesetzestexte.

Der zweite Teil des Buches vermittelt Praxisbeispiele aus dem deutschsprachigen Raum, sowie aus Norwegen und Großbritannien. Verschiedene musiktherapeutische Ansätze werden vorgestellt und anhand von Fallvignetten veranschaulicht. Eine Übersicht zum Stand der Forschung leitet den dritten Teil ein, in dem aktuelle musiktherapeutische Forschungsprojekte und Programme vorgestellt werden.

HerausgeberInnen

  1. Jordan, Anne-Katrin
  2. Pfeifer, Eric
  3. Stegemann, Thoma
  4. Lutz Hochreutner, Sandra

AutorenInnen

  • Derrington, Dr. Philippa: Direktorin des Magisterstudiengangs Musiktherapie an der Queen Margaret University in Edinburgh, Schottland. Musiktherapeutin.
  • Heye, Andreas: M.Sc/Dipl.-Musiktherapeut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Begabtenforschung in der Musik (IBFM) der Universität Paderborn und praktizierender Musiktherapeut. Arbeitsschwerpunkte: musikalische (Hoch-)Begabung und ihre Entwicklung im Jugendalter, Einsatz von Musik im Spannungsfeld zwischen Therapie und Pädagogik.
  • Holzwarth, Karin: Professur für Musiktherapie mit dem Schwerpunkt Körper und Bewegung in der Musiktherapie an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg; Diplom Musiktherapeutin, Heilpraktikerin für Psychotherapie (HPG), Diplom Musikpädagogin (Musik- und Bewegungserziehung), Autorin und freischaffende Musikerin; Fachbereichskoordinatorin Musiktherapie an der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg.
  • Jordan, Dr. Anne-Katrin: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik der Universität Bremen; Musiktherapeutin in einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Praxis, Stellvertretende Vorsitzende des Bremer Instituts für Musiktherapie und seelische Gesundheit e.V.; Musiktherapeutin, Musik- und Erziehungswissenschaftlerin (M.A.).
  • Lutz Hochreutner, Dr. sc.mus. Sandra: Musiktherapeutin SFMT, eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin ASP/VOPT, Leitung Studiengänge Klinische Musiktherapie und Musik-Psychotherapie an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK; Privatpraxis für Musik- und Psychotherapie sowie Supervision.
  • Mäder, Yvonne: Eidgenössische Psychotherapeutin ASP, MAS Klinische Musiktherapeutin SFMT, Psychotherapeutische Psychologin, DAS Musik-Psychotherapeutin, DaZ-Lehrperson, Schwerpunkte: Musktherapeutische Arbeit in der Kinder und Jugendpsychiatrie.
  • Nebelung, Ingeborg: Doktorandin an der Norwegian Academy of Music. Musiktherapeutin, Vorschullehrerin, Inhaber von Vestfold Musikkterapi – eine private Praxis die Musiktherapie an Kinderkrippen, Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und andere Kliniken vermittelt.
  • Pfeifer, Dr. Eric: Professur für Ästhetik und Kommunikation – Schwerpunkt Musik als Medium an der Katholischen Hochschule Freiburg, Musiktherapeut, Musikpädagoge, Diplompädagoge, Lehrer, Musiker, Systemischer Familientherapeut, Existenzanalytiker und Logotherapeut; Privatpraxis für Psychotherapie, Musiktherapie und Beratung.
  • Prechtl, Anna Lisa: Musiktherapeutin an der Frankenalb-Klinik Engelthal, Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Musktherapeutin (M.A.), Lehrerin für Musik und Ethik.
  • Roisch, Henrike: Dipl. Soziologin; Musiktherapeutin (DMtG), TrommelPowertrainerin, musiktherapeutische Gemeinschaftspraxis, Lehrtätigkeit Musiktherapie an der Fachakademie für Heilpädagogik.
  • Stegemann, Dr. med. Dr. sc.mus.Thomas: Musiktherapeut, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Paar- und Familientherapeut, Leiter des Instituts für Musiktherapie, Gesamtkoordination des Wiener Zentrums für Musiktherapie-Forschung (WZMF) sowie stellvertretender Leiter des Studiendekanats für wissenschaftliche Studien an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.
  • Vogel, Claudia: Mag.; M.A.; Musiktherapeutin in freier Praxis und aktive Vereinsvorständin im generationenübergreifenden Wohnprojekt mit sozialer Landwirtschaft „LebensGut Miteinander“, Musikpädagogin für klassische Gitarre und elementares Musizieren, Musikerin, diplomierte Sozialarbeiterin.
  • Wölfl, Dr. Andreas: Dipl.-Musiktherapeut (FH), klinischer Musiktherapeut (MAS), Lehrmusiktherapeut (DMTG), Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Supervisor. Seit 19889 Musiktherapeut in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Seit 1999 Supervision, Coaching und Lehrmusiktherapie in freier Praxis; Fortbildungstätigkeit und Veröffentlichungen. Leitung der Musiktherapieausbildung BWM und der Arbeitsgruppe Prävention am Institut für Musiktherapie des freien Musikzentrums e.V. München.
  • Zaindl, Wolfgang: Musiktherapeut M.A.; Gymnasiallehrer (Musik, Schulpsychologie); Seminarlehrer für pädagogische Psychologie.

Entstehungshintergrund

Das Buch ist nach einem Symposium im Mai 2017 in Bremen zu den aktuellen Entwicklungen im Bereich Musiktherapie in pädagogischen Settings entstanden. Die Beiträge sind auf Basis einzelner Vorträge zusammengestellt worden. Ziels des Symposiums war es u.a. den „Austausch zwischen Praxis und Forschung zu fördern, um den häufig bestehenden >gap< zwischen diesen Bereichen musiktherapeutischer Arbeit zu verkleinern“ (S. 11).

Aufbau, Vorwort und Einleitung

Zunächst werden in drei Beiträgen aus unterschiedlichen Perspektiven „Fakten, Herausforderungen und Chancen von Musiktherapie in pädagogischen Settings“ diskutiert. Im zweiten Teil des Sammelbandes werden zwei Beispiele aus der deutschen Praxis vorgestellt. Im Anschluss daran, werden mit internationalen Beiträgen (Österreich, Norwegen, England) Erfahrungswerte aus diesen Kulturen zum Thema benannt.

Nach diesem allgemeinen Überblick folgen Übersichten zu Studien und Forschungsansätzen aus der Musikpädagogik und -therapie.

Danach folgen Beiträge zu weiteren pädagogischen Einrichtungen, wie Kindergarten (Kinder mit Migrationshintergrund), bzw. Jugendclub (Berlin).

Der letzte Beitrag nimmt Fokus auf Lehrkräfte und die Option, mit musiktherapeutischen Interventionen Einfluss auf verbesserte Arbeitsbedingungen zu nehmen.

Abschließend stellen die Herausgeber in ihrem Resümee ihre Gedanken und einen Ausblick auf weitere Forschungsaktivitäten vor.

Das vollständige Inhaltsverzeichnis ist über den bei den bibliografischen Angaben angegebenen Link zur Deutschen Nationalbibliothek einsehbar.

Rosemarie TüpkerVorwort. Im Vorwort weißt Rosemarie Tüpker darauf hin, dass „wenn Schüler leiden, dann leidet auch die Schule“ nun schon über Jahre hinweg als eine Formel aufgegriffen werden darf, die die Relevanz des Themas hervorhebt. Sie führt auf, dass Schüler mit psychischen und sozialen Problemen in ihrer Lern- und Leistungsfähigkeit eingeschränkt sind und mangelnde Reaktionen der Schule auf dieses Phänomen irgendwann auch zum Problem der Schule selbst werden. Eine Themenstellung, die in diesem Kontext an Musikschulen heran getragen wird, ist die, dass durch längere Schulzeiten, Schüler mehr in der Schule anzutreffen sind und dort Bildung im musischen Bereich immer mehr anbieten (sollten). Hier sind Optionen für Musiktherapeuten gegeben.

Anne-Katrin Jordan, Sandra Lutz Hochreutner, Eric Pfeifer und Thomas Stegemann: Einleitung. Die Herausgeber schildern, dass das vorliegende Buch auf Basis eines Symposiums im Mai 2017 an der Universität Bremen entstanden ist. Ein wesentliches Anliegen des Austausches der Teilnehmer und Referenten war, den Austausch zwischen Praxis und Forschung voran zu treiben.

Ausgewählte Inhalte

Sandra Lutz Hochreutner: Musiktherapie im schulischen Kontext; Fakten-Herausforderungen-Chancen

Die Autorin weist darauf hin, dass mit der Thematik <Musiktherapie in pädagogischen Settings> „zwei Berufsfelder mit divergierendem Auftrag, unterschiedlichen, sich vielleicht sogar widersprechenden Regeln und Zielsetzungen sowie spezifischen Interventionen und voneinander abweichenden Kulturen im interdisziplinären Dialog befinden“ (S. 15). Sie bezieht dies auf die gesellschaftlichen Säulen Gesundheitssystem und Bildungssystem. Während die Pädagogik dem Bildungssystem verpflichtet ist, untersteht die Musiktherapie mehr dem Gesundheitssystem. Somit wird ein Spannungsfeld betreten. Sie versucht diese Thematik zu beleuchten, indem sie verschiedene musiktherapeutische Praxisfelder (in der Schweiz) nach vier Kategorien, mit dem Zentren „Unterstützung, Anregung, Verarbeitung mit Musik, Gespräch, Körper“ darstellt. Diese Praxisfelder benennt sie mit: Medizinisch/Psychologisch; Private Praxis – Musiktherapiezentrum; Pädagogisch/Heil-/Sonderpädagogisch; Primäre Prävention.

Im Fokus auf Schule, hebt sie hervor, dass „Heranwachsende einen wesentlichen Teil ihres Alltags in der Schule“ (S. 17) (verbringen). Aus dieser Begebenheit schließt Sandra Lutz Hochreutener, dass Musiktherapeuten auf diese Bedingung einzugehen haben, um dem Klientel, wie auch dem dazugehörigen Netzwerk (Familie, Medizin, Psychologen, Lehrer) zu begegnen. „In Regelschulen wird Musiktherapie als Ergänzung oder Alternative zu Psychotherapie sowie zur Entwicklungsförderung mit spezifischen Zielsetzungen eingesetzt: beispielsweise Stärkung der Selbstwahrnehmung und des Selbstbewusstseins, Unterstützung und Erweiterung des Ausdrucks- und Kommunikationsverhaltens, Resilienzförderung bei Kindern mit Migrationshintergrund oder Entspannungsförderung und Emotionsregulierung im Zusammenhang mit Schulangst… Es wird im Einzel- oder Kleingruppensetting sowie im Halb- oder Ganzklassenverband gearbeitet. Hier können auch Präventionsprojekte zum Tragen kommen wie >Trommel-Power-Gewaltprävention mit Musik< (Wölfl, 2014), sowie Songwriting- und Band-Workshops für Jugendliche (McFerran, 2010) “ (S. 19)

Im folgenden Abschnitt geht Sandra Lutz Hochreutener auf rechtliche Möglichkeiten der UNO-Behindertenkonvention ein, die es erlauben Musiktherapie mit einzubeziehen.

Andreas Heye: Möglichkeiten und Grenzen der Musiktherapie in (musik-)pädagogischen Institutionen

Mit der Perspektive des Musikpsychologen und der des Musiktherapeuten werden drei Aspekte beleuchtet. „Erstens betont er, dass die positive bildungspolitische Stimmung bezüglich der Forderung, Etablierung und Ausweitung musiktherapeutischer Angebote genutzt werden sollte… Zweitens sieht er den zielgerichteten, evidenzbasierten Einsatz von Musik als Grundvoraussetzung musiktherapeutischer Angebote in (musik-)pädagogischen Institutionen. Drittens betont Heye die Bedeutung des Bewusstseins der eigenen Rolle“ (S. 12) als MusiktherapeutIn.

Andreas Heye nutzt folgende Leitgedanken:

  • Die positive bildungspolitische Stimmung für die Forderung, Etablierung und Ausweitung musiktherapeutischer Angebote in (musik-)pädagogischen Institutionen (zu) nutzen!
  • Der zielgerichtete und evidenzbasierte Einsatz von Musik als Grundvoraussetzung musiktherapeutischer Angebote in (musik-)pädagogischen Institutionen!
  • Klarheit über die eigene Rolle und Profession als entweder Musiktherapeutin oder -therapeut oder Musikpädagogin oder -pädagoge!

Andreas Heye greift zunächst auf rechtliche Regelwerke zu, die „neue Gestaltungsmöglichkeiten (aufzeigen), um allen Menschen einen Bildungszugang (zu) ermöglichen…

Darüber hinaus konstatieren Stein und Müller (2015), dass etwa 15 bis 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen gravierende psychische Auffälligkeiten aufweisen“ (S. 32) und sich hierfür musische Angebote besonders eignen.

Kritisch bewertet Andreas Heye die Lage der Wirksamkeitsnachweise (bei welchem Störungsbild eignet sich Musiktherapie?) in der Musiktherapie. „Auf der anderen Seite ist und bleibt musiktherapeutische Arbeit durch intuitives, empathisches Handeln charakterisiert, das sich objektiver Messverfahren größtenteils entzieht“ (S. 35).

Andreas Heye verweist auf die Bedeutung der Musiktherapie in pädagogischen Institutionen durch den „Zuwachs an nationalen und internationalen Publikationen zu diesem Thema“ (S39).

Mit einem gesonderten Kapitel hebt Andreas Heye die „Klarheit über die eigene Rolle und Profession als entweder Musiktherapeutin und -therapeut oder Musikpädagogin und -pädagoge“ (S. 40) hervor.

Abgrenzungskriterien, wie Ausbildungsinhalte werden benannt. Ein wesentliches Kriterium scheint zu sein, dass „Bildungsinstitutionen können Beratungsangebote bereitstellen, aber kein adäquates Setting für Psychotherapie gewährleisten“ (S. 41). Auf Mück (2009) bezogen, der davon abrät im Musikunterricht musiktherapeutisch zu arbeiten ist zu nennen: „Lehrkräfte an Förderschulen können keine musiktherapeutische Arbeit leisten! Es ist auch nicht ihre Aufgabe… Gerade dann, wenn es um eine Behandlung der Psyche des Menschen geht, bedarf es sensibler und hoch qualifizierter Fachkräfte, die diese Aufgabe verantwortungsbewusst und kompetent wahrnehmen können“ (ebd. S. 41)

Dies unterstreicht die Notwendigkeit angehende Fachkräfte im Bereich Musik auf ihre zukünftige Rolle vorzubereiten.

Thomas Stegemann: Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Warum Musiktherapie an Schulen wichtig ist!

Ebenfalls interdisziplinär beschreibt Stegemann, allerdings mit der Perspektive des Kinder – und Jugendpsychiaters und der des Musiktherapeuten. Für ihn ist Musiktherapie an Schulen mittlerweile unverzichtbar. Die Belastungsfaktoren und Risikofaktoren für unerwünschte Auffälligkeiten seien inzwischen zu massiv.

Karin Holzwarth: „Da kann man alles tun, als wäre das ein Spielplatz“. Musiktherapie in der Musikschule am Beispiel der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg

Im zweiten Teil des Sammelbandes führt Karin Holzwarth am Beispiel der Musikschule HH an, wie Musiktherapie in der Musikschule organisiert werden kann. Sie stellt dabei zwei Verfahren vor. (Tiefenpsychologisch orientiertes Psychotherapieverfahren; Musiktherapeutische Entwicklungsförderung.) Darüber hinaus stellt Karin Holzwarth anhand von zwei Fallvignetten Hinweise für die Etablierung von Musiktherapie an Schulen vor.

Im Kapitel 2 „Fachbereich Musiktherapie an der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg“ (JMS) wird eine Übersicht zum Wirken der Musiktherapie an dieser pädagogischen Institution vorgestellt. Die personellen Voraussetzungen werden benannt. (8 MusiktherapeutInnen sind tätig. 6 weiblich, 2 männlich. Alle sind ebenso Musiker bzw. Musikpädagogen und verfügen darüber hinaus über die Erlaubnis heilkundlicher Psychotherapie „HPG“). Das Format in dem Musiktherapie angeboten wird, erstreckt sich über Musiktherapie als Fach im klassischen Nachmittagsbereich und zum anderen in Kooperation mit anderen (pädagogischen) Institutionen.

In der Musikschule selbst wird, wie auch in anderen Institutionen, Musiktherapie „standardmäßig“ angeboten und durchgeführt. D.h.: einmal wöchentlich für 30, 45 oder 60 Minuten, Erstkontakt, Anamnesegespräche, Erklärung der Therapieziele etc. Die Indikationen sind breit gefächert und handeln von „Konflikte und ungelöste Probleme im Zusammenhang mit körperlicher, geistiger, oder Sinnesbeeinträchtigung, aber auch um andere Anliegen wie Lern- oder Wahrnehmungsstörungen wie ADHS oder Autismusspektrumsstörungen, familiäre Schwierigkeiten wie Trennung oder Krankheit der Eltern, emotionale oder soziale Verhaltensauffälligkeiten, Entwicklungsverzögerungen, psychosomatische Beschwerden zum Beispiel aufgrund schulischen Drucks, posttraumatische Belastungsstörungen oder Ängste“ (S. 65).

Die JMS kooperiert mit sieben Regelschulen, einem Kindergarten und einem Erstaufnahme Camp für Geflüchtete mit besonderem Schutzstatus. Die Therapien finden vor Ort statt.

Es werden zwei musiktherapeutische Vorgehensweisen vorgestellt. Musiktherapie als tiefenpsychologisch orientiertes Psychotherapieverfahren (S. 66, 67) und Musiktherapeutische Entwicklungsförderung (S. 67, 68).

Im Verfahren der Musiktherapie als tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie versucht die Therapeutin als Mitspielerin und Zuhörerin, das „Gespielte verstehend aufzunehmen und dann in der Folge das Verstandene dem Kind im Gespräch oder in einer symbolischen Form (Musik, Spielvorschlag) zu vermitteln“ (S. 67). Die musiktherapeutische Entwicklungsförderung ist im „Schnittfeld zwischen Therapie und Pädagogik anzusiedeln. Die Therapie versucht umschriebene Entwicklungsziele zu erreichen, zum Beispiel Impulskontrolle, bessere Kommunikationsfähigkeit oder ein positives Selbstwertgefühl“… Dieser musiktherapeutische Ansatz ist vorwiegend übungs- oder erlebniszentriert. (S. 67).

Nach der Beschreibung der JMS-Voraussetzungen stellt Karin Holzwarth zwei Fallvignetten (eine Langzeitbegleitung in Einzeltherapie und ein Gruppenangebot in Kooperation mit einem Erstaufnahme-Camp für Geflüchtete) vor.

Wie in der Reflexion (S. 71) beschrieben geht es „in dieser Behandlung im Kern um das Dechiffrieren der Welt, um den Wunsch, als eigenständige Identität zur Sprachgemeinschaft und zur sozialen Gemeinschaft zu gehören.“

Im musiktherapeutischen Angebot für eine Gruppe mit jungen Geflüchteten konnten im Zeitraum Februar-Juli 2016 insgesamt 19 Sitzungen umgesetzt werden. Eine gewisse Fluktuation ist zu verzeichnen. Insgesamt waren 74 Kinder und Jugendliche am Projekt beteiligt. Als Ziele sind zunächst die Vertrauensbildung, die elementare Beziehungsbildung sowie die Unterstützung des künstlerisch-emotionalen Ausdrucks als sinnstiftendes Element für den Menschen angegeben. In der Fallvignette wurde von den drei zur Verfügung stehenden Gruppen (nach Alter zusammen gestellt) die Gruppe der Ältesten ausgewählt.

Die musiktherapeutischen Begegnungen mit den Jugendlichen führten zur Stärkung derer „kulturellen Identität und Integrität, indem wir uns respektvoll ihrem Liedgut und seinen Bedeutungsinhalten annäherten. Zugleich gaben wir ihnen Einblicke in die hiesige Kultur und loteten mit ihnen über das gemeinsame freie Improvisieren und unsere kleinen Gespräche neue ungewohnte Begegnungsgestaltungen und emotionale Ausdrucksformen aus“ (S. 74).

Henrike Roisch & Andreas Wölfl: TrommelPower – ein musiktherapeutisches Gewaltpräventionsprojekt. Ein Projektmodell des Freien Musikzentrums e.V. München für die Arbeit an Schulen und in der Förderung mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen.

Im Beitrag wird zunächst die Entstehung und Entwicklung des Projektes „TrommelPower – gegen Gewalt“ (seit 1990) vorgestellt. „TrommelPower wird von musiktherapeutischen Trainerinnen und Trainern mit ganzen Klassen in enger Zusammenarbeit mit den Lehrkräften an Schulen durchgeführt. Es findet entweder als eine Intensivwoche oder einmal wöchentlich über ein halbes oder ganzes Schuljahr hinweg statt… Das Projekt endet mit einer Aufführung und einem abschließendem Gespräch mit allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern“ (S. 79). Inzwischen (d.h. seit 2014) wird TrommelPower auch mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF) durchgeführt.

Claudia Vogel: Musiktherapie an österreichischen Schulen, Sonderschulen und Musikschulen. Ergebnisse einer Befragung.

Eine erste Untersuchung zur Situation der Musiktherapie in österreichischen Schulen wurde 1999 erstellt, die einen deutlichen Fokus auf Schüler der Sonderpädagogikschulen festgestellt hat. Inzwischen werben DirektorInnen, Lehrkräfte, Elterninitiativen sowie die Musiktherapeuten selbst, für ein breiter gefächertes Angebot der Musiktherapie an Schulen. Familien aus bildungsfernen Schichten haben offensichtlich weniger Möglichkeiten therapeutische Interventionen wahrzunehmen, sodass für deren Kinder es sich in der Schule oftmals als einzige Chance darstellt, ein entsprechendes Angebot zu erfahren. Dabei bietet „gerade die Musiktherapie mit ihrem Medium Musik () den Kindern und Jugendlichen eine attraktive und gleichzeitig nonverbale Einstiegsmöglichkeit und erleichtert das niederschwellige Vorgehen. Der über Jahre dauernde Schulbesuch birgt außerdem die Möglichkeit für mittel- bis sogar langfristige musiktherapeutische Begleitungen“ (S. 108).

Philppa Derrington: Musiktherapie in Schulen in Großbritannien – Fokus auf Inklusion.

Zunächst hebt Philppa Derrington die Pionierarbeit von Juliett Alvin (1975), Paul Nordoff & Clive Robbins (1971), Leslie Bunt (1994) hervor, die praktisch und wissenschaftlich die Geschichte der Musiktherapie mit behinderten Kindern gestalteten bzw. dokumentierten.

Die Entwicklung der Musiktherapie in pädagogischen Institutionen hat sich in Großbritannien (GB) seit den 1990er Jahren etabliert. Dies resultiert daraus, dass Schüler mit Störungen im sozialen Verhalten, durch Inklusion beschulte Kinder in Regelschulen und/oder Schüler mit Eingliederungsproblematiken Erziehungsthemen mitbringen, die sich dem grundsätzlichen Auftrag der Lehrkräfte entziehen. „Dies bedeutet, dass seither Schülerinnen und Schüler mit erheblichen Schwierigkeiten an Regeschulen teilnehmen, aber keinen Zugang zu Expertenhilfe erhalten, wie sonst an Sonderschulen allgemein üblich. Dies gilt insbesondere auch für die musiktherapeutische Förderung. In Sonderschulen gibt es einen größeren Prozentsatz an Musiktherapiestellen, wohingegen in Regelschulen das musiktherapeutische Angebot für Kinder mit besonderen Bedürfnissen nicht ausreichend erhöht wurde, um die Bedürfnisse dieser jungen Menschen zu erfüllen“ (S. 117.)

Im folgenden Kapitel berichtet Philppa Derrington, dass sie im Jahr 2003 die wohl erste Musiktherapiestelle an einer staatlichen Sekundarschule erhielt. Inzwischen gibt es viele Anstellungen für Musiktherapeuten. Der Werdegang ihres Tuns an der Sekundarschule wird geschildert. Um die Musiktherapie zu etablieren bemühte sie sich, Zuweisungen für alle Schüler zu erhalten. So richtete sie ihr Angebot nicht nur auf Schüler mit Behinderungen sondern auch auf Schüler mit bspw. emotionalen Störungen (nach Scheidungen der Eltern, einem Trauerfall, oder allgemein auffälliges Verhalten).

Die Akzeptanz ihres Wirkens spiegelt sich darin wieder, dass ihre Stelle innerhalb von zwei Jahren von einer Beschäftigung mit einem Zeitaufwand von zwei Stunden /Woche in eine unbefristete Vollzeitstelle aufgestockt wurde.

Sie praktizierte die Musiktherapie zunächst in einer für die Musiktherapie eingerichteten Garage. Diese etwas abgelegene Garage hatte den Vorteil, dass durch die Lautstärke der Musik niemand gestört wurde und die Schüler willentlich diesen Raum aufsuchten.

Im 3. Kapitel gibt Philppa Derrington einen Forschungsüberblick zur Musiktherapie. Es zeigt sich als eine Folge, dass Schüler, die schwache Leistungen zeigen, oder die von Ausgrenzung bedroht sind, häufig emotionale Schwierigkeiten haben und in den Fähigkeiten „Beziehung zu schaffen und einen Zugang zu Bildung zu erhalten“ (S. 121) deutlich reduziert sind.

Aufgrund dieser Problematik wurde 24 Schülern mit emotionalen und Verhaltensschwierigkeiten ein Projekt angeboten, diese sozialen Phänomene mit Musiktherapie anzugehen. Das Forschungsdesign wird im folgenden näher erläutert.

„Eines der bemerkenswertesten Ergebnisse aus der Untersuchung war, dass 95 % der Jugendlichen bis zum Ende an der Studie teilgenommen haben… Die Ergebnisse der Untersuchung belegten unter anderem, dass die Schülerinnen und Schüler nach den Stunden selbstbewusster waren als vor den Stunden“ (S121).

Im 4. Kapitel stellt Philppa Derrington eine Fallvignette vor. Ein zum Zeitpunkt 14jähriger Junge „Joe“ mit moderatem Hörverlust (trägt Hörgerät), stark herausforderndem Verhalten, Neigungen zur Kleptomanie und starken Übertreibungen (sprich einem geringen Selbstwertgefühl) war bewusst, dass ihm keine andere Therapie angeboten würde.

Praktisch wurde zu Tonträgermusik (z.B.: Metallica, Nickelback) additiv musiziert. Joe spielte Schlagzeug. Wendepunkte, wie: „Er konzentrierte sich sehr stark und wollte gut spielen, aber interessierte sich allmählich mehr für das Trommeln und die Musik als für die Idee, in einer Band zu sein“ (S. 123) in seinem intentionalen Verhalten werden erkannt und hervorgehoben. „Im Lauf der Zeit fing er an, in Sitzungen ehrlicher zu sein und musste keine Geschichten mehr über sein glamourösen Lebensstil erfinden… Die Mitarbeiter sprachen jetzt allgemein über Joe als einen vernünftigeren Schüler und einen, der gewöhnlich die Wahrheit sagte“ (S. 124).

Abschließend wird eine Selbsteinschätzung von Joe vorgestellt, in der er mitteilt, dass es ihm in der Schule nun besser gefalle, dass er nun auch gute Noten erhielte und das diese Resultate für ihn mit der Musiktherapie zu tun habe.

Im 5. Kapitel ermutigt Philppa Derrington Musiktherapeuten dazu, an die Regelschulen zu gehen, in einer Garage zu beginnen und dann die Verantwortung zu übernehmen die Musiktherapie zu etablieren und nicht in der Garage zu bleiben (S. 125).

Eric Pfeifer: Musiktherapie und Schule: Empirie als Baustein eines gemeinsamen Fundaments?

Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den beiden gesellschaftlichen Bereichen Bildungswesen (Schule) und Gesundheitswesen (Musik-Therapie) führt Eric Pfeifer über eine Metapher ins Thema ein. Wasser und Öl, die ähnliche Eigenschaften zeigen (flüssig, verformbar, sich Gefäßen anpassen können), haben aber auch das Problem des miteinander Verbindens.

Im Anschluss an diese Einführung wird auf die etymologische Herkunft von Therapie (Dienen, Dienst, Pflege) und Pädagogik (Erziehungskunst, Lehrer) verwiesen, um die Unterschiedlichkeiten der gesellschaftlichen Herkunft zu unterstreichen.

Durch Veränderungen in der Gesellschaft findet Eric Pfeifer einen Weg, der diese beiden Bereiche verbindet.

„Schule scheint heute dermaßen, über den eigentlichen Auftrag des Bildens hinausgehend, mit Anforderungen und Aufgaben überrollt zu werden, dass es vielen dort nicht mehr gut gehen kann“ (S. 128).

Mittels empirischer Befunde stellt der vorliegende Beitrag Informationen zur Verfügung, die der Musiktherapie an Schulen angereicht werden kann, um einen für beide Seiten gewinnbringenden und empathischen Weg zu finden.

Kapitel 2. „Zur Situation der Künste – und der Musik im Speziellen – in der Schule“.

Eric Pfeifer bezieht sich auf Gembris, Kraemer und Maas (2001), welche die Auffassung vertreten, dass Musik heute wahrscheinlich kein Lehrfach an Regelschulen mehr wäre, hätte Musik nicht den traditionellen Status, Lehrfach zu sein. Es wird berichtet, dass Regel- und Pflichtschulen im deutschsprachigen Raum Musik- und Kunstunterricht aus dem Studenplan kürzen oder gar streichen. „Es mangelt an Lehrkräften mit entsprechendem Abschluss in Musik und so ‚muss‘ der Musikunterricht entweder ‚entfallen‘ oder von nicht recht qualifizierten Kollegen und Kolleginnen übernommen werden. Dass dies häufig weder ein Gewinn für besagte Kolleginnen und Kollegen noch für den Musikunterricht selbst ist, erscheint nachvollziehbar“ (S. 129).

Die allgemeine Situation für Musik und Kunst wird als wenig hoffnungsvoll beschrieben. In dieser wenig zu begrüßenden Situation betreten Musiktherapeuten das Feld und wollen, so Eric Pfeifer, ihre Dienste anbieten.

Im Kapitel 3. „Zur Situation der Therapie an Schulen“ werden auf Grund der o.g. Unterschiede der beiden gesellschaftlichen Bereiche (Bildung, Gesundheit) kritische Bedenken aufgeworfen. „Spaltungsprozesse, Rollenkonflikte, fehlende Verschwiegenheit beispielsweise sind Stichworte, die in diesem Zusammenhang häufig genannt werden und Tendenzen eines Misstrauens oder Zweifelns ausdrücken, wenn es um ein Öffnen der Schultore für Musiktherapie geht“ (S. 130). Der Hinweis, dass andere Länder (Norwegen, Israel, Großbritannien) Musiktherapie im Bildungswesen etabliert haben, relativiert diese Kritik.

Aber selbst im deutschsprachigen Raum werden Therapeuten (Logopäden, Hippotherapeuten) schon eingesetzt. Um den Bedarf weiterer Therapeuten zu untermauern, wird eine Befragung von Menebröcker (2001) hinzugezogen, die ergeben hat, das „sich 98 % der Lehrerinnen und Lehrer therapeutische Maßnahmen an der Schule“ (S. 131) wünschen und „72 % befürworten eine verstärkte Kooperation mit außerschulischen Therapeutinnen und Therapeuten“ (S. 131).

Im Kapitel 4 werden „Verfügbare empirische Bausteine“ vorgestellt. Während international schon einige Schulen die Musiktherapie etabliert haben, ist die Lage in Deutschland nur mit wenigen Beispielen gezeichnet (Hamburg, Mannheim). Ergänzend hierzu wird erwähnt, dass im Kindergartenbereich weitere Projekte im deutschen Bildungswesen zu nennen sind.

Meta-Analysen, so Eric Pfeifer zur Thematik „Musiktherapie und Schule“ liegen nicht vor. Ein Review, dass 60 Artikel zur Sache ausmachen konnte (über: Kinder mit Behinderung, Flüchtlingshintergrund im Alter von 4–17 Jahren) hingegen schon.

Eine Übersicht von Studien zur Musikpädagogik werden im Kapitel 4.4 vorgestellt. In diesem Kapitel weist Eric Pfeifer

Auf Studien im deutschsprachigen Raum (Österreich 1973, Schweiz 1997) bezogene Studien im Übergangsbereiche Musikpädagogik – Musiktherapie werden beleuchtet. „Besonders eindrucksvoll erscheint die Tatsache, dass durch mehr Musik(-unterricht), die allgemeine Zufriedenheit an der Schule gefördert werden kann – und hier sind sowohl Schülerinnen und Schüler wie eben auch Lehrer und Lehrerinnen gemeint“ (S. 137). Für die BRD wird auf die Langzeitstudie an Berliner Grundschulen mit erweitertem Musikunterricht von Bastian (2000, 2007) hingewiesen.

In seinem Resümee beklagt Eric Pfeifer, dass zwar Studien generiert wurden, diese jedoch mit wissenschaftlichen Mängeln und/oder lediglich an „einer speziellen Studie in einem spezifischen Land“ gibt. „Der internationale Vergleich, die Kooperation über Ländergrenzen hinaus fehlt“ (S. 138). Dem Themenfeld würde es dienen, wenn Studien realisiert würden.

Anne-Katrin Jordan: Einzelmusiktherapie in Schulen – eine Videovergleichsstudie mit Fokus auf der Beziehungsqualität

Anne-Katrin Jordan greift in ihrem Beitrag auf die über 20jährige Erfahrung zum Thema „Musiktherapie in Schulen“ auf Hamburg (BRD) und Horten (Norwegen) zu. Zwei musiktherapeutische Einzelstunden, die videotechnisch begleitet wurden, werden von ihr auf die Beziehungsqualität hin, untersucht.

Yvonne Mäder: Musiktherapie und Resilienz. Eine empirische Studie bei Erstjahr-Kindergartenkindern mit Migrationshintergrund

Die Autorin geht der Frage nach, ob Musiktherapie ein geeignetes Verfahren ist, um Erstjahr-Kindergartenkindern mit Migrationshintergrund zu einem besseren Resilienzverhalten zu verhelfen. Migration ist für die kindliche Entwicklung zum einen ein Risikofaktor und zum anderen eine Chance, da diese Kinder in kultureller und sprachlicher Vielfalt aufwachsen. „Sie beginnen von ihrer frühesten Sozialisation an in mindestens zwei kulturellen Zusammenhängen zu denken, Normen zu reflektieren und sich selber zu hinterfragen“ (S. 167). Dies führt zu flexiblem Denken. Ein Risikofaktor ist der Umgang mit dem Neubeginn, bzw. der Trauer um das Verlassene. Es steht die Frage im Raum, ob zu einer neuen Identität gefunden werden kann. Hier ist der familiäre Background sowie das neue soziale Umfeld von großer Bedeutung. „Musiktherapie als psychotherapeutisch- und ressourcenorientiertes Verfahren kann hier die unterstützenden Integrationsbemühungen durch pädagogisch ausgerichtete Fachdisziplinen ergänzen… Im musiktherapeutischen Kontext können Gefühle von Verbundenheit und Zugehörigkeit erlebt werden, was die gesunde Entwicklung von Kindern in einer multikulturell geprägten Lebenswelt unterstützen kann“ (S. 168).

Anna Lisa Prechtl: Musiktherapeutische Prävention für 11-jährige Mädchen am Beispiel des Selbstwerts. Eine Fallstudie über das Projekt „echt stark“.

In dieser Fallstudie wird in zwei Berliner Einrichtungen (Gymnasium, Jugendclub) mit der Zielgruppe 11-jährige Mädchen (n=9) zur Primärprävention bzgl. psychischer Erkrankungen geforscht. Die Ausrichtung auf ein Primärangebot wird damit begründet, dass „15-22 Prozent aller Kinder und Jugendlichen (weisen) eine psychische Störung auf(weisen)“ (mit Bezug auf Pinquart, Schwarzer & Zimmermann 2011) (S. 185). Im Kapitel 2. „Entwicklungspsychologische Grundlagen zum Selbstwert unter Berücksichtigung neuropsychotherapeutischer Erkenntnisse“ werden Themen wie Selbstwert und Selbstkonzept aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet.

Wolfgang Zaindl: Gesund leben, gesund lehren. Ein integratives musiktherapeutisches Programm für Lehrerinnen und Lehrer.

Wolfgang Zaindl weist darauf hin, dass in Deutschland Lehrkräfte häufig von psychischen und psychosomatischen Störungen betroffen sind. Krankheitsbedingte Frühpensionierungen seien zwar seit 2001 zurückgegangen, die sei aber auf finanzielle Abschläge in diesem Kontext zurückzuführen. Da Gesundheitsförderung und Prävention integrale Bestandteile von Schulentwicklung sind, sei das vom Autor entwickelte Programm „Gesund leben, gesund lehren“ ein entsprechendes Angebot.

Eric Pfeifer, Anne-Katrin Jordan, Thomas Stegemann und Sandra Lutz Hochreutner: Resümierende Gedanken – oder was verspricht der musiktherapeutische Blick von nah zu fern im Kontext pädagogischer Settings?

Mit ihren resümierenden Gedanken fassen die Herausgeber zusammen, dass in diesem Band zwar zentral Schulen und Musikschulen heraus ragen, jedoch weitere pädagogische Institutionen ebenso zentral gemeint sind. Der Blick in den deutschsprachigen Raum und in weitere Länder (Großbritannien, Norwegen) fordert dazu auf, sich mit Gesetzestexten, wie der UN-Behindertenrechtskonvention auseinander zu setzen, Ergebnisse von Gesundheitssurveys und Studien aus dem (musik-)pädagogischen Bereich zur Kenntnis zu nehmen.

Es wird empfohlen: „Bevor musiktherapeutische Projekte in pädagogischen Institutionen etabliert und beforscht werden, sollte zunächst der Bedarf analysiert werden“ (S. 213). Weitere Impulse für zukünftige Projekte und Vorhaben werden gesetzt. Die Autoren nehmen wahr, dass sich das Klima zur Diskussion „Musiktherapie in pädagogischen Institutionen“ wandelt. „Im Fahrtwind einer solchen Stimmung können die in diesem Sammelwerk enthaltenen Beiträge weiteren stärkenden Wind in die Segel pusten und hilfreiche Erkenntnisse bieten. Schule und weitere pädagogische Settings sind seit jeher für die Musiktherapie interessant, scheinen eine natürliche Anziehungskraft auf diese auszuüben“ (S. 216).

Mit Spannung wird verfolgt, wo und wie Musiktherapeuten sich in Zukunft einbringen werden.

Diskussion

Mit dem vorliegenden Sammelband werden hochaktuelle musiktherapeutische Betätigungsfelder aufgezeigt, die durch den Wandel in der Gesellschaft entstehen.

Mit interdisziplinären und interkulturellen Sichtweisen und Erfahrungen werden dem Leser anschauliche Perspektiven vorgestellt, die es erlauben einen soliden Standpunkt zum Thema zu entwickeln. Sei es auf Grundlage von Bildungsstudien, Fallvignetten oder spezifischen musiktherapeutischen Forschungsprojekten. Ein Sammelband, der sich für

  • MusiktherapeutInnen, aber auch für
  • ErzieherInnen/LehrerInnen,
  • SchulsozialarbeiterInnen, -psychologInnen,
  • Bildungs- bzw. GesundheitspolitikerInnen

als fachlich äußerst dienliche Literatur zeigt.

Die Autoren weisen an vielen Stellen darauf hin, dass pädagogische Institutionen und Musiktherapie reichliche Berührungspunkte haben (historisch, wie auch inhaltlich). Die Lage der Forschung bzw. Literatur zur Sache zeigt sich jedoch derzeit noch als dürftig. Von daher vermittelt der Sammelband eine Aufbruchsstimmung und bietet enormes Potenzial das Sozialphänomen „Musiktherapie in pädagogischen Institutionen“ weiter zu untersuchen und in der Folge zu publizieren.

Fazit

Der Sammelband zeichnet sich mit seiner konsequenten Struktur aus.13 fachliche Beiträge geben einen umfassenden Einblick zur Thematik „Musiktherapie in pädagogischen Settings“ wieder. Das Thema wird aus mehreren Perspektiven (interdisziplinär und interkulturell) beleuchtet. Bildungspolitische Studien, Praxisbeispiele, wie auch musiktherapeutische Forschungsprojekte zum Thema werden fachlich profund vorgestellt. Das Spektrum umfasst, Kindergarten, Schule, Jugendclub aus dem Bildungswesen und Beiträge aus Großbritannien, Norwegen, Schweiz, Österreich zeigen gewisse Handhabungen aus interkultureller Sicht. Ebenso werden Aussichten auf weitere Forschungsprojekte vorgestellt.

Rezension von
Dr. Frank Henn
Erziehungswissenschaftler, Sozialpädagoge, Musikpädagoge, Musiktherapeut DMtG zertifiziert), Heilpraktiker – Psychotherapie
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Es gibt 6 Rezensionen von Frank Henn.

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Zitiervorschlag
Frank Henn. Rezension vom 07.05.2019 zu: Anne-Katrin Jordan, Eric Pfeifer, Thomas Stegemann, Sandra Lutz Hochreutener (Hrsg.): Musiktherapie in pädagogischen Settings. Impulse aus Praxis, Theorie und Forschung. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2018. ISBN 978-3-8309-3722-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/24911.php, Datum des Zugriffs 28.03.2023.


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