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Thomas Giernalczyk, Heidi Möller (Hrsg.): Entwicklungsraum

Rezensiert von Monika Pietsch, 04.06.2019

Cover Thomas Giernalczyk, Heidi Möller (Hrsg.): Entwicklungsraum ISBN 978-3-525-40298-6

Thomas Giernalczyk, Heidi Möller (Hrsg.): Entwicklungsraum. Psychodynamische Beratung in Organisationen. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2018. 109 Seiten. ISBN 978-3-525-40298-6. D: 12,00 EUR, A: 13,00 EUR.
Reihe: Beraten in der Arbeitswelt herausgegeben von Stefan Busse, Rolf Haubl und Heidi Möller.

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Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

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Thema

Das vorliegende Buch zeigt die Arbeitsprinzipien der unterschiedlichen psychodynamischen Beratungsformen: Coaching, Teamentwicklung und Strategieberatung auf.

HerausgeberIn

Prof. Dr. phil. Thomas Gienalczyk ist geschäftsführender Gesellschafter der M19- Manufaktur für Organisationsberatung GmbH und Honorarprofessor an der Universität der Bundeswehr München.

Prof. Dr. Phil. Heidi Möller ist psychologische Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin, Coach. Sie hat eine Professur für Theorie und Methodik der Beratung an der Universität Kassel.

Entstehungshintergrund

Das Buch gehört zu der Buchreihe: „Beraten in der Arbeitswelt“. Diese Reihe wendet sich an drei Lesergruppen:

  1. erfahrene BeraterInnen und Personalverantwortliche,
  2. KollegInnen in der Weiterbildung und
  3. Beratungsforscher.

Die Themen werden theoretisch verankert und sind auf einem aktuellen Stand, dabei soll der interdiziplinäre und interprofessionelle Dialog gefördert werden.

Aufbau und Inhalt

Das Buch gliedert sich in 11 Kapitel:

1. Organisation im Wandel
Die Autoren beschreiben, die heutige stark veränderte Arbeitswelt, die geprägt ist von: z.B. durch zunehmende Komplexität, hohe Entscheidungsanforderungen, Tempoverschärfung, neue Arbeitszeitmodelle, Chancen und auch Überforderung der Arbeitenden, prekäre Arbeitsverhältnisse oder/und befristete Verträge.
Die psychodynamische Beratung bringt die Emotionalität in diesen Bereich, damit Individuen und Organisationsstrukturen in den Beartungsprozess einbezogen werden.

2. Arbeitskonzepte – Theorien für die Praxis
In diesem Kapitel werden vier Merkmale psychodynamischer Organisationsberatung vorgestellt:

  1. wie ist der Umgang mit Emotionen und dem Unterbewussten in der Organisation
  2. Bewusstheit über das Einbeziehen der Beratenden z.B. durch Gegenübetragung
  3. die Methode des Containments: Spannungen, Konflikte o.ä. werden aufgegriffen, bedacht und dann in geeigneter Weise an den Klienten zurückgegeben.
  4. das Vertrauen auf den „gesunden, interessierten, entwicklungsorientierten Ich- Anteil“ beim Klienten

Auf Grundlage dieser vier Aspekte werden folgende Themen in jeweils einem Unterabschnitt betrachtet und mit Leitfragen oder erklärenden Tabellen abgeschlossen:

  • primäre Aufgabe der Organisation; z.B. mit welchen Praktiken und Vorgehensweisen werden die wichtigsten Ziele des Unternehmens erreicht?
  • primäres Risiko; z.B. Woran merken wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind?
  • Emotionalität der Arbeit; ausgehend vom Tavistockansatz wird hier jedoch auf positive Emotionen fokussiert.
  • Psychosoziale Abwehr; z.B. wie wird diskutiert? Folgen alle der Leitung?
  • Übertragung und Gegenübertragung; wie ist der professionelle Umgang als Beraterin mit der Subjektivität?
  • Containment; Der Schlüsselbegriff beschäftigt sich mit der Frage wie unbewußte Vorgänge und Emotionen in Unternehmen verstanden werden. Die Leitfragen beschäftigen sich damit, ob und wie Emotionen im Unternehmen Platz finden und ob sie klar und orientierend sind.
  • Innovationskultur; die Autoren nehmen eine Unterscheidung zwischen Innovations- und Beharrungskultur vor.
  • Rolle und Erwartungen; die Rolle des Einzelnen im Unternehmen legt fest, welche Aufgaben und Funktionen diese Person wahrnimmt.
  • PS-Modus und D-Modus als unbewusste Handlungsmuster (paranoid-schizoider oder depressiver Modus); Die beiden Begriffe wurden für die Organisationsberatung weiterentwickelt und beschreiben Prozesse und mentale Zustände handelnder Personen in Organisationen. Gienalczyk und Möller gehen davon aus, dass diese beiden mentalen Zustände eine Bereitschaft anzeigen, bestimmte Situationen zu interpretieren und emotional zu verarbeiten.
  • Führungskräfte als Übertragungsfiguren; Die Führungskraft hinterfragt sich selbst bzgl. einer Übertragungsfigur.
  • Führung und Gefolgschaft, Gienalczyk und Möller unterscheiden zwischen verschiedenen Autoritätsformen.
  • Umgang mit negativen Emotionen und Erzeugung von Engagement und Leidenschaft; Kontraproduktiv ist Angst und Sorglosigkeit als Führungsinstrument. Zu den Aufgaben der Führungskraft gehört es, auch Bedingungen für Engagement und Leidenschaft zu schaffen.
  • Mentalisierung in der Arbeitswelt; Mentalisierung bedeutet sich seiner eigenen Gedanken und Gefühle bewußt zu sein und das eigene und das Verhalten der anderen einzuschätzen.

Es folgen die Kapitel mit sieben verschiedenen Beratungstechniken. In den Kapiteln wird auf die unterschiedlichen Quellen und Vordenker verwiesen. Alle Techniken werden in Bezug zur psychodynamischen Beratung gestellt und aus diesem Blickwinkel beschrieben.

3. Coaching – Triangulierung verstehen

4. Teamentwicklung – neue Muster der Zusammenarbeit ermöglichen

Teamentwicklung bezieht sich auf Aufgabenverteilung, Führung, Rollenklarheit, Verantwortung und individuelle Aspekte des Einzelnen. Einzelne und auch das gesamte Team interagieren nicht nur untereinander sondern auch mit der Umwelt. Dabei spielen nichtbewußte Teamdynamiken und die Dynamik der Organisation eine Rolle. Der exemplarischer Ablauf einer psychodynamischen Teamentwicklung nach Gienalczyk und Möller beinhaltet die 3 Ebenen:

  • Diagnose,
  • Intervention und
  • Evaluation, die sich permanent bedingen.

Nach der Auftragsklärung mit der Leitperson werden Interviews mit den Teammitgliedern geführt. Hier können eigenen Schwerpunkte gesetzt werden bis es zu einer Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und der Bedrohungen (SWOT- Analyse) kommt. Im weiteren Verlauf werden die Interviewergebnisse in einem Workshop dargestellt und diskutiert. Als Modell der Teamanalyse wird das „Six-Box-Modell“ von Marvin Weisbord vorgestellt. Die 6 Bereiche:

  1. Mission/ Ziel,
  2. Struktur,
  3. Belohnung/ Sanktion,
  4. Hilfsmechanismen,
  5. Beziehung und
  6. Führung

werden hinterfragt, z.B. Beziehungen: sprechen die richtigen Personen im richtigen Ausmass über die richtigen Themen? Als Unterschied zu anderen Methoden stellen Gienalczyk und Möller dar, dass hier komplexe Vorgänge durch psychodynamische Teamentwickler eine Analyse der Gegenübertragung durchführen und den Teammitgliedern ihre Hypothesen über bestehende Muster zur Verfügung stellen. Die Teamentwicklung wird zur Verdeutlichung anhand eines Beispiels beschrieben.

5. Teamsupervision – fortlaufende Reflexion der Primäraufgabe

6. Konfliktmediation – von der Vulnerabilität zur symbolischen Decke

7. Organisationskulturen gestalten – Eigendynamiken erkennen und Spielräume eröffnen

In diesem Kapitel geht es um die Organisationskultur als unverwechselbare Vorstellungs- und Orientierungsmuster, die das Verhalten der Mitglieder nachhaltig prägen. Um die Organisationskultur zu erfassen muss der psychodynamische Berater die Organisationkultur über das Rationale hinweg erfassen und auch Nonverbales mit einbeziehen.

Gienalczyk und Möller stellen einige Fragen auf, z.B. Welche Normen und Standards liegen vor? Welche Basisannahmen dominieren die Vorstellungenüber die Beziehung zwischen der Organisation und ihrer Umwelt? Gibt es Innovation? Welche Vorstellungen über die Natur des Menschen gibt es? Die Beraterinnen gehen mit Hilfe der Fragen auf eine Entdeckungstour durch oder zu dem Unternehmen. Nach Gienalczyk und Möller verändern Beraterinnen nicht das Unternehmen. Nach einer Beratung können von dem Unternehmen allerdings Spielräume erkannt und angestrebt werden.

8. Changemanagement – Subkulturen als Initiatoren nutzen

9. Strategieentwicklung – Komplexität beidhändig bearbeiten

10. Selbstreflexion als persönliche Voraussetzung des Beraters

Das abschließende Kapitel widmet sich dem Berater: Für die psychodynamische Beratung ist die Rolle der Emotion zentral. d.h. eine systematische Nutzung der Übertragung- und Gegenübertragungsphänomene. Gienalczyk und Möller favorisieren eine stetige Supervision z.B. durch kollegiale Beratung mit den Balintschen Spiegelphänomen, um eine eigene Perspektiverweiterung zu erleben. Dabei braucht es die Reflexion der eigenen organisationalen Sozialisation:

  • wie sieht das eigene Verhältnis zu Macht aus?
  • Was sind die Motive zur Berufswahl des Beraters?
  • Was sind die blinden Flecke des Beraters?

11. Literatur

Diskussion

Das Buch bietet einen bunten Strauß an Beratungstechniken. Ausgehend von der Praxis werden zunächst im Beratungsprozess, später zu verschiedenen Techniken der Beratung, Theorien und Forschungen knapp betrachtet.

Die prägnanten Kapitel führen zu den Leitfragen, mit denen sich der Leser eigene Beispiele erarbeiten kann. Diese können als eine Art Leitfaden für die Beratung übernommen werden.

Die anschließenden psychodynamischen Beratungsmethoden der Kapitel drei bis neun zeigen je einen Aspekt von Beratung und deren Probleme und Bearbeitung auf. So kommt beispielsweise beim Coaching die Triangulierung zur Sprache, also das Dreiecksgeflecht zwischen Coach, Coachee und Organisation. Bei der Teamentwicklung geht es um die Teamdiagnose und Merkmale der Teamentwicklung. In der Teamsupervision wird das Phänomen der Spiegelung beleuchtet.

Jede Methode wird knapp beschrieben, der Fokus herausgestellt und meist anhand eines kurzen Beispiels das Kernthema verdeutlicht.

Kapitel zehn widmet sich der Selbstreflexion des Beraters. Hier wird beschrieben, dass der Berater auch eine eigene Supervision und Selbsterfahrung braucht und die eigenen „Organisationsgeschichte“ reflektiert haben soll.

Fazit

Auf ca. 100 Seiten sind nun Grundlagen der psychodynamischen Beratung und sieben Beratungsmethoden beschrieben. In der Kürze bleibt es selbstverständlich beim Anreißen und Aufzeigen von Themen, Querverweisen und Inhalten. Wie in der Einleitung angekündigt, ist das Ziel der Themenreihe die Inspiration des Lesers.

Rezension von
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
Website

Es gibt 60 Rezensionen von Monika Pietsch.

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ISSN 2190-9245