Michael R. Müller, Hans-Georg Soeffner (Hrsg.): Das Bild als soziologisches Problem
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 20.11.2018

Michael R. Müller, Hans-Georg Soeffner (Hrsg.): Das Bild als soziologisches Problem. Herausforderungen einer Theorie visueller Sozialkommunikation. Mit E-Book inside.
Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2018.
278 Seiten.
ISBN 978-3-7799-3749-4.
D: 29,95 EUR,
A: 30,80 EUR,
CH: 40,10 sFr.
Reihe: Visuelle Soziologie.
Ist die Welt das Bild, das wir uns von ihr machen? Ist es die Vision oder Illusion, die wir in ihr sehen wollen? Oder ist es ein Zerrbild? Immer schon haben Menschen versucht, die Welt anzuschauen! Herausgekommen sind Bilder, die den Menschen entweder als den Beherrscher der Welt, oder als einen integrierten Bestandteil sehen wollten! Als die weißen Abgesandten von Siedlern vor mehr als eineinhalb Jahrhundert an den Häuptling Sealth der Suquamisch-Indianer herantraten, um Land von ihm und seinem Volk zu kaufen, da wies er das Ansinnen empört zurück: „Die Erde gehört nicht den Menschen. Der Mensch gehört zur Erde“. Die vermutlich von den Apologeten missverstandene biblische Aufforderung – „Macht euch die Erde untertan“ – hat bei dem Menschen in seinem Verhältnis zur Natur und Umwelt einen Knacks verursacht, der sein Bild von der Welt nicht harmonisch und gleichgewichtig gestaltete, sondern hierarchisch und besitzergreifend verzerrte. Im weltanschaulichen Diskurs haben sich deshalb ganz unterschiedliche Auffassungen entwickelt: Sie reichen von den hochherrschaftlichen Abbildungen, wie sie sich in den christlichen Kathedralen, Gottes- und Menschendarstellungen zeigen, bis zum Bilderverbot im Judentum und insbesondere im Islam. Bereits die antiken griechischen Philosophen haben, etwa mit dem Höhlengleichnis Platons, auf die Problematik hingewiesen, dass Bilder, das sich Menschen von den Wirklichkeiten machen, Schatten und nicht Realitäten sein können (vgl. z.B. dazu: Rudolf W. Keck, u.a., Hrsg., Bildungs- und kulturgeschichtliche Bildforschung, 2006, https://www.socialnet.de/rezensionen/4005.php ). In der philosophischen Diktion ist das Bild Wirklichkeit, Wahrheit und Fiktion zugleich. Es vervollständigt sich durch künstlerische und ästhetische Ausdrucksfähigkeit und sprachliche Kommunikation. „Bilder sind“, so formulierte es H.-G. Gadamer in der philosophischen Hermeneutik, „Zuwachs an Sein“. Mit den Iconic-Turns wird der Anspruch erhoben, dass die Bildwissenschaft die wissenschaftliche Rationalität durch eine objektive Analyse von Bildern ermöglicht.
Entstehungshintergrund und Herausgeberteam
Nach der zugegebenermaßen weit ausgeholten, angedeuteten Bedeutung des Bildes im individuellen und kollektiven Dasein des Menschen kommen wir zu einer Publikation, die das Bild als sozi(al)ologisches Problem benennt. Beim Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen und beim Institut für Medienforschung der Technischen Universität in Chemnitz hat es im Rahmen des gemeinsamen DFG-Projektes „Das Selbstbild in der Bilderwelt“ mehrere wissenschaftliche Tagungen, Kolloquien und interdisziplinäre Diskussionen gegeben, bei denen insbesondere darüber nachgedacht wurde, welche Bedeutung und Wirkungen Bilder für das soziale Denken und Handeln von Menschen haben und wie und warum Bilder ein „soziologisches Problem“ darstellen können.
Der Medien- und Kommunikationssoziologe von der TU Chemnitz und Senior Fellow beim Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen, Michael R. Müller, und der Soziologe von der Universität Konstanz, Hans-Georg Soeffner, geben den Sammelband heraus.
Aufbau und Inhalt
Die Analysen, Fragen und Antworten werden von Autorinnen und Autoren in den Kapiteln formuliert: „Urgrammatik“ – „Soziale Situationen“ – „Technisierte Umgebungen“ – „Anonymität“ – „Interventionen“ – „Ikonische Formung“ und „Diagrammatik“.
Michael R. Müller führt mit dem Beitrag „Das Bild als soziologisches Problem“ in die Thematik ein. Unter Bezugnahme auf die von Georg Simmel formulierte Theorie, dass sich menschliche Vergesellschaftung in der Wechselwirkung, im Ausgleich und in der Konfrontation mit individuellen Interessen, Ansichten und Festlegungen vollziehe, verweist der Autor darauf, dass es notwendig erscheint, „zu fragen, welche Ausprägungen des Ikonischen in unterschiedlichen gesellschaftlichen und historischen Situationen und Lagen entwickelt und verworfen werden“.
„Die Geste der Photographie“ wird von Hans-Georg Soeffner thematisiert und als „Hermeneutik des Sehens“ ausgewiesen. Es sind Gesten und Gebärden, die im alltäglichen wie im gesellschaftlichen Umgang öffentliche Aufmerksamkeit erregen und zu Typisierungen, Nachahmungen und sogar Normgebungen führen können. Weil Menschen per se deutende Lebewesen sind („Homo interpretans“, Hans Lenk). Beispiele und Belege für analytisches Sehen und Betrachten bis hin zum analytisch-kontrollierten Beobachten werden in SW- und Farbabbildungen aufgezeigt.
Die Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin Angela Keppler von der Universität Mannheim, diskutiert mit dem Beitrag „Bilder im Gespräch“ Veränderungsaspekte eines Prototyps gesellschaftlicher Interaktion. An mehreren Beispielen des Kommunikationsgestus „Zeig mal!“ verdeutlicht sie die verschiedenen Interpretations-, Bedeutungs-, Anlass- und Zielanlässe und relativiert die Einschätzungen, dass die in Displays und anderen Medien präsentierten Bilder einen „Störfall der Alltagskommunikation“ darstellen. Vielmehr können so übermittelte Bilder auch zu „stummen Ressourcen einer beredten Vergegenwärtigung, Bereicherung, Beglaubigung oder Infragestellung der Auffassungen, Erinnerungen und Geschichten (werden)“.
Der Soziologe von der TU Berlin, Hubert Knoblauch, und der Historiker vom Centre National de la Recherches Scientifique der Universität in Lille, Mathias Blanc analysieren mit dem Beitrag „Bilder von Benedikt“ die Mediatisierung der Papstmesse und schauen auf die dabei sich äußernden religiösen Gefühle. Ihr Interesse gilt dabei nicht der Bildinterpretation, sondern der interessanten Nachschau: „Uns geht es darum, dass Bilder gemacht werden, wo zuvor meist keine Bilder gemacht wurden“. Diese scheinbar paradoxe Fragestellung findet ihre Auflösung darin, dass die ausgewählten Bildsequenzen zum religiösen Anlass dem Betrachter und der Konfession in gleicher Weise religiöse Gefühle vermitteln sollen: „Das Bild ist damit Teil einer kommunikativen Form, die Transzendenz auf eine eigene Weise kodiert“.
Die Wiener Soziologin Roswitha Breckner reflektiert „Denkräume im Bildhandeln auf Facebook“, indem sie ein Fallbeispiel in biographieanalytischer Perspektive thematisiert. Es ist das Erstaunen von überwiegend älteren Usern der Sozialen Medien, die mit eher zögerlichem und distanziertem Erstaunen die bereitwillige und ungeschützte, öffentliche Preisgabe von persönlichen Fotos und Texten im Internet durch junge Nutzer kopfschüttelnd registrieren. Die Autorin begibt sich mit ihrem Beitrag auf die Suche nach den Motiven, Gründen und Ursachen, „entblößende Fotografien“ ins Netz zu stellen. Sie nimmt sich dazu den Facebook-Account „Externe Weekend“ vor, den eine 21jährige Userin als Facebook-Album in den Jahren 2008 – 2016 betrieb – freizügige, komprimierende bis eher nichtssagende Fotos von Wochenendpartys. Bei der Analyse der Aktivität nimmt die Autorin Konzepte und Erklärungsmuster aus dem wissenschaftlichen Identitätsdiskurs zu Hilfe, wie sie von Erving Goffman, Victor Turner und Aby Warburg geliefert werden; und sie ergänzt sie durch Interviews mit der Userin. Es wird deutlich, dass die traditionelle Betrachtung und Bewertung von Frei- und Bereitstellungen von Bildern jeder Art im Wesentlichen als Defizite und narzistische Lücken einer Revision und Neuinterpretation bedarf, hin zu einer ambivalenten Betrachtung von Möglichkeiten und Gefahren bei der (adoleszenten) Identitätsfindung.
Michael R.Müller diskutiert „Soziale Anschauung in technisierten Umgebungen“, indem er die Fotografie als Medium für visuelle Sozialkommunikation erkennt. Anlass für die Betrachtung sind die Forschungsergebnisse, wie sie bei dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertem Projekt „Das Selbstbild in der Bilderwelt“ ermittelt wurden. Voraussetzung für eine fotografische Abbildung ist die „Erkennbarkeit“, die sowohl Identifikation als auch Unterscheidung und Vergleich ermöglicht. Dort, wo ein Bild „anonymisiert“ wird, drängen sich Fragen auf wie: Selbstdarstellung oder Distanzierung? Kommunikation oder Mauerbau? Ästhetik oder Momentanismus? Öffentlichkeit oder Ausschluss? Anschauen oder Abwenden? Wie lassen sich „Anschauungsgewissheiten“ konstruieren? (vgl. z.B. dazu auch: Michael Tomasello, Eine Naturgeschichte der menschlichen Moral, 2016, https://www.socialnet.de/rezensionen/21987.php ).
Der Soziologe von der Universität St. Gallen, Felix Keller, setzt sich in seinem Beitrag „Nach der Bilderflut“ mit den Phänomenen auseinander, dass einerseits die flutartige Zunahme von Bildern im individuellen und gesellschaftlichen, im alltäglichen, medialen und künstlerischen Kontext zu Auswirkungen auf das Miteinander der Menschen hat, andererseits auch die Nutzung und Bereitstellung von anonymen Produkten zunimmt. Die sich daraus ergebenden Bedenklichkeiten, Unbedenklichkeiten, Spontaneitäten, Bräuche und Missbräuche erzeugen sowohl Einstellungen des Zufälligen, als auch „visuelle Kakophonien“. Chaos und Ordnung als soziologische Herausforderungen!
Die Medienwissenschaftlerin von der Universität Chemnitz, Anne Sonnenmoser, titelt ihren Beitrag: „In effigie“. Sie knüpft damit an den historischen Brauch an, das Bild symbolisch für Abwesenheit und als Abbild des Persönlichen zu betrachten. „Piktorale Selbst (und Fremd-, JoS) darstellung ist immer zunächst auf anonymisierte Kontakte“ ausgerichtet, mit dem Ziel, Informationen auf eine andere, typisierte Weise zu vermitteln, Verweise auf Zusammenhänge und Unterschiede zu erteilen und Kontakte aufzunehmen. Dadurch ergeben sich neue Formen des „Körperbildes“ (vgl. dazu z.B. auch: Bernd Traxl / Frank Dammasch, Hrsg., Körpersprache, Körperbild und Körper-Ich. Zur psychonanalytischen Therapie körpernaher Störungsbilder im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter, 2016, https://www.socialnet.de/rezensionen/22874.php ). Interessant und heranziehenswert ist auch die Abbildung „Der Mensch als Industriepalast“, wie sie in dem Beitrag „Die Informatik der Herrschaft“ von Adrian Lose in der Wochenzeitung DIE ZEIT, Nr. 1 vom 28. Dezember 2017, S. 46ff, zum Ausdruck kommt.
Die Sozialwissenschaftlerin von der Universität Bielefeld, Ruth Ayaß, nimmt sich ein Thema im Bild-Diskurs vor, das in vielfältigen, kontroversen, öffentlichen Auseinandersetzungen bedeutsam ist: „Katastrophenfotografie“. Mit einer ethnomethodologischen Analyse begibt sie sich auf dieses schwierige, wissenschaftliche Feld. Es sind apokalyptische, unvorstellbare, schmerzhafte Abbildungen, die Wirklichkeit nur unzureichend, verkleinernd, vergrößernd, in den wenigsten Fällen „echt“ abbilden. Der Versuch, im Bild Katastrophen und Ereignisse ikonographisch zu verdichten und dabei Umweltzerstörungen, Krieg, Gewalt oder Unmenschlichkeit zu zeigen und zu deuten, gelingt meist nur selten. Dort, wo die Aussagekraft überzeugend wirkt, werden solche Abbildungen als „Schlüsselbilder“ bezeichnet und medial dargestellt und vermarktet. Die Bildanalysen ermöglichen Zugänge, Deutungen und Bewertungen im Spannungsverhältnis von Unordnung und Ordnung, Hoffnungslosigkeit und Hoffnung, Chaos und Hilfe, Hin- und Wegschauen, Gleichgültigkeit und Empathie ( siehe auch: Mark Ludwig, u.a. Hrsg., Mediated Scandals. Gründe, Genese und Folgeeffekte von medialerSkandalberichterstattung, 2016, https://www.socialnet.de/rezensionen/20683.php ). „Die Überzeugungskraft des Bildes speist… das Chaos der Katastrophe in geordneten Strukturen“.
„Das Bild als Aktant“ überschreibt die Soziologin von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Aida Bosch, ihren Beitrag, bei dem es um „theoretische und methodologische Implikationen des Visuellen“ geht. Es ist die vom französischen Soziologen Bruno Latour entwickelte Akteur-Netzwerk-Theorie ( Existenzweisen. Eine Anthropologie der Modernen, 2013, https://www.socialnet.de/rezensionen/17792.php ), die es ermöglicht, Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Übereinstimmungen und Differenzen in den bildlichen Darstellungen und Wirklichkeiten wahrzunehmen. „Bilder sind nicht nur Objekte der Betrachtung, sie agieren: Sie blicken zurück. Sie wehren sich oder sie bieten sich an. Sie verweisen auf etwas oder sprechen mit sich selbst. Sie kommunizieren miteinander. Sie ziehen den Betrachter an, sie involvieren ihn, ob er das will oder nicht“. Im Anhang vermittelt die Autorin „Schritte der ästhesiologischen Bildhermeneutik“. In sechs Stufen stellt sie praktische Zugangs- und Arbeitsweisen zusammen.
Der Kultur- und Religionssoziologe von der Universität Bayreuth, Bernt Schnettner, und der Lehrbeauftragte Stefan Bauernschmidt nehmen „Bilder in Bewegung“ auf, indem sie sich über „Visualisierung in der Wissenschaftskommunikation“ Gedanken machen. Weil die Wissenschaft eine Institution und eine intellektuelle Initiative ist, die Wissen schafft, ist die Frage immer wieder von Bedeutung, wie Wissen zustande kommt, erworben, vermittelt und verbreitet wird. Das Bild vom Elfenbeinturm, in dem Wissende ihr Wissen bewahren, hüten und verständlich oder unverständlich und zögerlich weiter geben, hat sich zum Glück erledigt. Insbesondere in der virtuellen und digitalisierten Welt werden wissenschaftlich entstandene Informationen schnell und umfassend verbreitet. Visualisiertes, anschauliches Wissen hat dabei eine besondere Bedeutung. Dabei sind insbesondere zwei Sphären von Kommunikation zu beachten: Die wissenschaftsinterne, fachbezogene, fächerübergreifende und interdisziplinäre und die wissenschaftsexterne, öffentliche Kommunikation. Beide Grundsätze zielen auf die Öffnung der Wissenschaft hin zur kritischen, demokratischen Gesellschaft.
Jürgen Raab, Soziologe an der Universität Koblenz-Landau, beginnt das Kapitel „Ikonische Formung“ mit dem Beitrag „Visuelle Sinnkonstellationen“. Er setzt sich auseinander mit der Methodologie der sozialwissenschaftlichen Interpretation von Fotografien. Mit der wissenssoziologischen Konstellationsanalyse betrachtet er „Fotografien… als Handlungen, deren im Unterschied zum Handeln spezifische Sinnkonstitution es empirisch … zu erschließen gilt“. Es sind die Betrachtungen von „Einzelbildern“, die im Vergleich mit „Bewegtbildern“ als bedeutsam, „weil sich der analytische Blick auf das zum Einzelbild eingefrorenen still in der gebotenen Extensivität einlassen kann“.
Die Erziehungswissenschaftlerin Jeanette Böhme von der Universität Duisburg-Essen und Tim Böder setzen sich mit dem Beitrag „Bildlose Bilder“ mit der Kontroverse auseinander, dass und ob Kindheit und Jugend heute zu einer unbestimmbaren, verlorenen Existenzphase geworden ist – weil auch das Erwachsensein krisenhaft ist. Die Benennung „Bildloses Bild der Jugend in der Moderne“ wird verdeutlicht durch die Betrachtung und Analyse von jugendlichen Selbstzeugnissen aus bildrekonstruktiver Perspektive der Morphologischen Hermeneutik. Das Autorenteam zieht dabei zwei Beispiele heran: Zum einen zwei Collagen, die im Zusammenhang mit dem Jugendaufruf 1983 der Deutschen Shell AG entstanden sind, zum anderen Abbildungen aus der Shell-Jugendstudie 1985. Diskutiert wird die durchaus auch heute relevante Frage, ob das „bildlose Bild der Jugend soziale Tatsache oder Mythos“ ist.
Die an der Sigmund Freud Privatuniversität und an der Universität in Wien lehrende Psychologin Aglaja Przyborski stellt mit dem Beitrag „Zur wechselseitigen Konstitution von Medien und Alltag mit dem Fokus Bild“ ein praxeologisches Kommunikationsmodell vor. Es ist die Erkundung des „Eigensinns eines Bildes“, die nach den Bildsinn fragen lässt, der sich zusammensetzt „aus der Komposition eines Bildes, also dem Wie, und der abgebildeten Gegenständlichkeit, also dem Was“. Die Auswahl und Analyse von aussagekräftigen Bildern aus dem vielfältigen Medienangebot bietet die Möglichkeit, „mit Fotos auf Fotos Bezug zu nehmen“ und so ikonische Dokumente heranzuziehen, „in welchen… ikonisch-ikonologisches Verstehen herausgearbeitet werden kann“.
Der Kommunikationswissenschaftler von der Universität Duisburg-Essen, Jo Reichertz, beschließt den Sammelband mit einem Beitrag zu einer Theorie visueller Kommunikation: „Visualisierung als Mittel der Erkenntnisgewinnung“. Die Frage, wie in den Zeiten des sozialen, lokalen und globalen Wandels die Wissenssoziologie agiert und reagiert, altes, bekanntes und neues, exponentiell steigerndes Wissen zusammen zu bringen, klingt wie der allseits, seit Jahrzehnten beschworene, jedoch bis heute nur unvollständig und allzu zögerlich vollzogene Perspektivenwechsel. So bleibt die Erkenntnis: „Kommunikatives Handeln ist … ein wesentliches Mittel, die eigenen Gedanken zu beflügeln und ihnen Mut zum Sprung ins Ungewisse zu geben“.
Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
Fazit
„Sehen ist natürlich und sozial zugleich“, mit diesem Motto charakterisieren und begründen die HerausgeberInnen die Veröffentlichungsreihe „Visuelle Soziologie“ im Verlag Beltz-Juventa. Die Ergebnisse der Bild- und Medienforschung an den Universitäten Essen und Chemnitz werden mit dem Band „Das Bild als soziologisches Problem“ präsentiert. Bei den Fragen, wie Wissen entsteht, vermittelt und verstanden wird, wie und welche positiven und negativen Einflüsse wirksam sind, ist sowohl der wissenschaftliche disziplinäre als auch der interdisziplinäre Blick notwendig ( vgl. dazu auch: Tali Sharot, Die Meinung der Anderen. Was unser Denken und Handeln bestimmt – und wie wir der kollektiven Dummheit entkommen können, 2017, https://www.socialnet.de/rezensionen/22651.php ). Die „Visualisierung des Lebens“ bewirkt vielfältige Prozesse, die es zu erkennen und zu beachten gilt. Das bewegte und stehende Bild, als Foto wie als virtuelles Erzeugnis, beeinflusst individuelles und kollektives Denken und Handeln und prägt soziales Verhalten. Diese Tatsachen gilt es wissenschaftlich, theoretisch und praktisch zu bearbeiten. Mit dem Sammelband werden vielfältige Analysen und Anschluss-Aspekte vorgestellt!
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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