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Stefan Busse, Erhard Tietel: Mit dem Dritten sieht man besser

Rezensiert von Prof. Dr. Ariane Schorn, 20.03.2019

Cover Stefan Busse, Erhard Tietel: Mit dem Dritten sieht man besser ISBN 978-3-525-49162-1

Stefan Busse, Erhard Tietel: Mit dem Dritten sieht man besser. Triaden und Triangulierung in der Beratung. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2018. 108 Seiten. ISBN 978-3-525-49162-1. 15,00 EUR.

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Thema

Das vorliegende, 108 Seiten umfassende Buch ist mit seinem Format von 12x18,5 cm buchstäblich ein Taschenbuch. Es wendet sich in erster Linie an Berater*innen; will sensibilisieren für die Bedeutung und das Wirksamwerden lebens- und arbeitsweltlicher Triaden. Busse und Tietel verdeutlichen, wie das Aufsetzen einer „triadischen Brille“ analytisch wie methodisch-konzeptionell die eigene Beratungspraxis bereichern kann. Exemplarisch wird dieses an dem Beratungsformat Supervision expliziert. Betrachtet man Beratung vordergründig, so könnte man diese primär als ein dyadisches Geschehen fassen (Berater*in – Klient*in). Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch schon das Hinzuziehen einer Berater*in als „Hinzukommen eines Dritten“ und „Arbeit am Dritten“ dar. Genannt sei hier auch der sogenannte „Dreieckskontrakt“ als das triadische Navigationsinstrument erfolgreicher Supervision. Er relationiert drei Akteure (Supervisor*in – Leitung/Auftragsgeber – Team/Supervisanden) und fordert von der Supervisor*in, einen Kontrakt nach allen Seiten der Triade hin auszuhandeln und hierbei „den Winkel zu halten“.

Aufbau und Inhalt

Das vorliegende Buch umfasst insgesamt sechs Kapitel.

In der Einleitung bestimmen die Autoren triadisches Denken als eine Kernkompetenz beraterischer Tätigkeit. Mit einem Abriss der Geschichte des triadischen Denkens schließt die Einleitung.

Das zweite Kapitel („Konzeptueller Ausgangspunkt: Mit dem Dritten sieht man besser…“) gibt der Leserin/dem Leser eine Idee davon, inwiefern triadisches Denken bzw. ein „triadisch geschulter Blick“ in der Beratungsarbeit das Sichtfeld erweitert und dadurch wertvolle Erkenntnisse generiert. So werden z.B. offene oder verdeckte Koalitionsbildungen als eingeschränkte Triaden gefasst oder sich dem „Klatsch“ in der Perspektive einer heimlichen Koalitionsbildung in Organisationen genähert. Beleuchtet wird hier weiterhin die beraterisch wichtige Fähigkeit, als Dritter zu zwei Anderen gleichzeitig eine produktive Beziehung zu entwickeln und aufrechtzuerhalten. Ein Drittes können jedoch nicht nur Personen, sondern auch eine Sache oder ein Gegenstand sein, auf die zwei oder mehrere Personen bezogen sind (z.B. die Primäraufgabe einer Organisation). Eingegangen wird in diesem Kapitel auch auf den entwicklungspsychologischen Hintergrund der Entwicklung einer triangulären Struktur der Persönlichkeit sowie auf die Frage, wie sich Reflexivität als Einnehmenkönnen einer dritten Position im Blick auf mich und andere eigentlich entwickelt.

Während die beiden ersten Kapitel den bisherigen Stand der Reflexion des Triadischen in der Supervision gut zusammenfassen, präsentiert Kapitel drei („Triadische Wirklichkeiten“) die Unterscheidung dreier Ebenen triadischer Realität: lebensweltliche, arbeitsweltliche und beraterische Triaden. Lebensweltliche Triaden werden am Beispiel einer Patchwork-Familie expliziert, mit der die ratsuchende Familienhelferin ‚Frau Schmidt‘ als Mitarbeiterin eines Trägers der Kinder- und Jugendhilfe konfrontiert wird. Komplexe Handlungsanforderungen in der Arbeits- und Organisationswelt, spannungsreiche triadische Beziehungen zwischen dem Team von Frau Schmidt, der von ihr betreuten Familie und der Leitung der Einrichtung führen nun zu einem Beratungsbedarf, der die beraterischen Triaden in den Fokus rückt. Mit Hilfe des besagten Fallbeispiels werden die triadische Strukturen der verschiedenen Ebenen vorgestellt und konkretisiert.

Im vierten Kapitel „Triadisches Arbeiten in der Supervision“ verbirgt sich der ‚beraterische Schatz‘ dieses Buches: Wie werden lebens- und arbeitsweltliche Triaden in der Beratung thematisiert? Inwiefern ist Supervision selbst ein „triadischer Raum“ zwischen Leitung, Mitarbeiter*innen und Berater*in, gestiftet durch den „Dreieckskontrakt“, der gestaltet werden will?! Überlegungen zur Supervision als ‚stellvertretende Triangulierung‘ und zur triangulären Kompetenz von Supervisorinnen und Supervisoren runden dieses Kapitel ab. ‚Mit dem Dritten sieht man besser‘ verweist auf die beraterische Kunst, Ratsuchenden zu ermöglichen, sich ihrer mannigfaltigen „triadischen“ Beziehungen gewahr zu werden und diese besser zu integrieren. Dazu muss Beratung resp. Supervision selbst einen „triangulären Raum“ etablieren, weil sich erst durch das Dritte Reflexion und Reflexivität entfalten können. Beraten heißt dabei auch stellvertretende Triangulierung zu leisten. Durch sie wird Einsicht in die Dynamik wichtiger lebens- und arbeitsweltlicher Triaden erzeugt, was wiederum die Kompetenz stärkt, eine reflexive dritte Position einnehmen zu können. Selbige erlaubt, der Komplexität von Leben und Arbeit mit mehr Resonanz, Dezentrierungsfähigkeit und Ambivalenztoleranz zu begegnen.

Im fünfte Kapitel: („Das 'innere Dreieck' und die trianguläre Kompetenz von Supervisorinnen und Supervisoren“) wird klar, dass Supervision/Beratung nur insoweit eine triangulierende Wirkung entfalten kann, wie es der Beraterin bzw. dem Berater gelingt, sich selbst immer wieder zu triangulieren. Damit angesprochen ist die Selbstreflexion und Selbststeuerung der Supervisor*in, die relevanten Dritten und das relevante Dritte in den lebens- und arbeitsweltlichen Bezügen wie im beraterischen Kontext nicht aus den Augen zu verlieren und immer wieder in den Supervisionsprozess einzubringen. Das Ringen der Berater*in um die trianguläre Kompetenz ist keine leichte „innere Arbeit“, sie ist jedoch, wie deutlich wird, Voraussetzung und „Begleitmusik“ gelingenden professionellen Handelns in der Beratung.

Das Buch schließt mit einem kurzen Epilog: „Triangulierung als Erkenntnis und Ethos“.

Fazit

Zu empfehlen ist das Buch Menschen, die im weitesten Sinne beraterisch tätig sind oder werden wollen. Busse und Titel gelingt es, komprimiert, präzise und zugleich anschaulich zu verdeutlichen, dass und inwiefern man mit „dem Dritten“ nicht nur besser, sondern auch mehr sieht. Die Lektüre kann insofern eine fachliche und persönliche Bereicherung sein.

Rezension von
Prof. Dr. Ariane Schorn
Fachhochschule Kiel, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit
Entwicklungspsychologie, Qualitative Sozialforschung, Psychosoziale Beratung, Supervision
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Es gibt 20 Rezensionen von Ariane Schorn.

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ISSN 2190-9245