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Barbara Bous, Martin Scholz et al. (Hrsg.): Im Erlebnis forschen - durch Erlebnis forschen

Rezensiert von Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Heekerens, 05.02.2019

Cover Barbara Bous, Martin Scholz et al. (Hrsg.): Im Erlebnis forschen - durch Erlebnis forschen ISBN 978-3-944708-80-5

Barbara Bous, Martin Scholz, Thomas Eisinger, Jule Hildmann (Hrsg.): Im Erlebnis forschen - durch Erlebnis forschen. Erlebnispädagogik in Wissenschaft und Forschung. ZIEL Verlag (Augsburg) 2018. 187 Seiten. ISBN 978-3-944708-80-5. D: 19,80 EUR, A: 20,40 EUR, CH: 36,00 sFr.

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Entstehungshintergrund

Am 14./15. September 2017 fand an der Universität Augsburg eine für die Erlebnispädagogik im deutschsprachigen Raum erstmalige wissenschaftliche Tagung unter dem Titel „Im Erlebnis forschen – Durch Erlebnis forschen!“ statt. Wissenschaftler(innen) aus dem deutschsprachigen Raum (Schweiz, Österreich, Deutschland) sowie den Niederlanden und Norwegen diskutierten mit und stellten größere und kleinere Forschungsarbeiten und -projekte vor.

Thema

Das Anliegen jener Tagung war und des hier vorliegenden Tagungsbandes ist es, vorhandene Forschungsbemühungen aufzuzeigen sowie eine wissenschaftliche Vernetzung und Intensivierung des wissenschaftlichen Austausches im Bereich Erlebnispädagogik zu fördern. Mangelnde diskursive Vernetzung hat bislang verkennen lassen, dass es im deutschsprachigen Raum mehr auf die erlebnispädagogische Theorie und Praxis bezogene Forschungsprojekte gibt, als die jeweiligen einzelnen Forscher(innen) wussten und wissen konnten.

Der vorliegende Tagungsband will nicht nur jenen als Erinnerungsstütze dienen, die dabei waren, sondern auch für all jene eine Einladung zum Mitdenken und -wirken sein, die an wissenschaftlicher Forschung interessiert sind. Das Buch, so die Intention der Herausgeber, könnte die Basis bilden für eine verstärkte diskursive Vernetzung bereits geplanter bzw. in Gang gesetzter Forschungsarbeiten und dadurch sowie darüber hinaus Ansporn zur weiteren Beförderung der deutschsprachigen Erlebnispädagogik als Theorie- und Reflexionswissenschaft – die sich die Herausgeber als im Bereich der Allgemeinen Pädagogik angesiedelt vorstellen.

Herausgeber/innen

Vom Herausgeberkreis seien zunächst einmal die „Augsburger“ betrachtet.

  • Barbara Bous, studierte und promovierte Pädagogin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Eva Matthes (s.u.) ist Mitarbeiterin im Arbeitskreis Erlebnispädagogik der Universität Augsburg und ihr obliegt Beratung, Betreuung und Lehre im Zusatzmodul Erlebnispädagogik.
  • Martin Scholz ist nach nach Studium des Lehramtes Gymnasium und Promotion am Lehrstuhl für Sportpädagogik der Universität Augsburg Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaft / Sportzentrum der Universität Augsburg, Studiengangsleiter der Sportdidaktik der Grundschule sowie der Erlebnispädagogik und im Lehrteam der Zusatzqualifikation Erlebnispädagogik.
  • Jule Hildmann hat u.a. langjährige Erfahrung sowohl als Erlebnispädagogin wie auch als Mitglied des Lehrtrainerteams am Centrum für Erlebnispädagogik Volkersberg.
  • Weder institutionell mit der Universität Augsburg verbunden noch mit einem Buchbeitrag vertreten ist Thomas Eisinger. Er war, so teilte mir Barbara Bous auf Anfrage mit, Tagungsteilnehmer und hat sich bereit erklärt, die von Teilnehmer(inne)n und Referent(inn)en gewünschte Publikation der Tagungsbeiträge mit zu unterstützen; in welcher Art und Weise dies von seiner Seite geschah, wurde allerdings nicht genannt. Thomas Eisinger, ist seit 2011 Kanzler der Internationalen Hochschule Liebenzell, dort Dozent für Erlebnispädagogik und leitet seit 2007 den Erlebnispädagogik-Park TeamParcours Monbachtal (Niedrig- und Hochseilgarten).

Aufbau und Inhalt

In der Einführung zu diesem Band berichten die Herausgeber über die oben skizzierte Entstehungsgeschichte des Buches und geben abschließend eine kurze Inhaltsbeschreibung der nachfolgenden Beiträge.

Das Grußwort zur Tagung kam von Eva Matthes, seit 2000 Inhaberin des Lehrstuhls für Pädagogik an der Universität Augsburg. Sie ist seit 2004 Mitherausgeberin der Zeitschrift „Erziehung und Bildung“ und seit 2011 Sprecherin des Herausgebergremiums. Zusammen mit Barbara Bous hat sie 2017 dort das Themenheft „Erlebnispädagogik in Theorie und Praxis“ (Erziehung und Bildung, 70(3)) herausgegeben, das der deutschsprachigen Erlebnispädagogik eine bedeutsame Tür zum Diskurs der Allgemeinen Pädagogik öffnete. In ihrer dortigen Einleitung hat sie die Allgemeine Pädagogik als „Leitdisziplin“ der Erlebnispädagogik (im deutschsprachigen Raum) benannt (Matthes & Bous, 2017, S. 243). Und das ist denn auch die zentrale Botschaft ihres hiesigen Grußwortes.

Danach folgen zehn Beiträge, die sich unterschiedlichen Gesichtspunkten von Theorie, Empirie und Praxis widmen.

Den Anfang macht Janne Fengler, Professorin für Kindheitspädagogik und Pädagogische Psychologie an der Alanus Hochschule und Erlebnispädagog(inn)en bekannt als Mitherausgeberin von e&l sowie zahlreicher Beiträge zum erlebnispädagogischen Diskurs, darunter solchen zur Evaluationsforschung. So auch in o.g. „Bildungs und Erziehung“ – Themenheft (Fengler, 2017), dessen Ausführungen sachlich eng verwandt sind mit denen hier in Forschung, Theorie und Praxis der Erlebnispädagogik: Zur Notwendigkeit eines Trialoges erster Ordnung und zweiter Ordnung zu findenden.

„Trialog“ meint die Verzahnung und wechselseitige Beeinflussung von Theorie, Empirie und Praxis. Zur Unterscheidung von Trialog erster und zweiter Ordnung mögen zwei Hinweise dienen. Zum ersten: „Der Trialog erster Ordnung zwischen den drei Bereichen ist somit themenbezogen und wird mit dem Anliegen der Weiterentwicklung des Forschungsfeldes impulsiert durch die Frage ‚Welches Themengebiet soll erforscht werden?‘“ (S. 23). Anders der Trialog zweiter Ordnung: Dieser „kommt zum Tragen, wenn die methodische Vorgehensweise für ein Forschungsvorhaben festgelegt werden soll. Es handelt sich um eine Metareflexion, bei der die Bereiche Theorie, Empirie, Praxis hinsichtlich ihrer wechselseitigen Verschränkung analysiert und unter Berücksichtigung ggf. implizit inhärenter Implikationen reflektiert werden.“ (S. 24)

Holger Seidel, den meisten Leser(inne)n wohl bekannt als 1. Vorsitzender und Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes Individual- und Erlebnispädagogik (be) skizziert in Von der Berufung zum Beruf – ein Plädoyer für die Berufsbildforschung Erlebnispädagogin/Erlebnispädagoge auf dem Hintergrund grundsätzlicher Überlegungen zu Beruf und Beruflichkeit die Bemühungen des be um eine professionelle Qualifizierung im deutschsprachigen Raum; Vergleichbares hatte er schon im o.g. „Bildungs und Erziehung“ – Themenheft vorgetragen (Seidel, 2017).

Die angesprochene Thematik wird weiter verfolgt von Barbara Bous (s.o.) in Blickpunkt Erlebnispädagogin/Erlebnispädagoge – Bestandsaufnahme und Forschungsergebnisse zur Entstehung eines Berufsbildes. Sie stellt – als Teil einer zu erweiternden Berufsbildforschung – Ergebnisse explorativer Befragungen und Analysen unterschiedlicher Personenkreise (z.B. Auszubildenden, Ausbildern, Anbietern)

Jule Hildmann setzt sich in Überwindung des Lernzonenmodells – eine Herausforderung für die Erlebnispädagogik auf der Basis ihrer langjährigen Erfahrung als Praktikerin und Trainerin detailliert und kenntnisreich mit einem der populärsten „Modelle“ oder „Basiskonzepte“ auseinander.

Der Titel des nächsten Beitrags Was tun Erlebnispädagoginnen und -pädagogen? Empirische Befunde zur Struktur und Typik professionellen, erlebnispädagogischen Handelns auf der Basis ethnografischer Beobachtungen gibt schon hinreichend Auskunft darüber, was Wolfgang Wahl, Professor an der Technischen Hochschule Nürnberg und dort in der Nachfolge von Werner Michl, zu berichten weiß.

Sind bei diesem Beitrag die Durchführenden im Blick, so beim nächsten die Teilnehmer(innen). In … dann wollte ich es gleich nochmals machen! Lernerfahrungen in der Erlebnispädagogik aus subjektiver Sicht der Teilnehmenden berichten Carola Bergamin (Sportwissenschaft, Psychologie) und Stefan Valcanover (Psychologie, Sportwissenschaft) aus Bernüber Methodik und Auswertung von „Photoelization-Interviews“ mit fünf Jugendheim-Jugendlichen, die an einem einwöchigen Waldlager teilnahmen.

In „stark bewegt“ – Erlebnispädagogik trifft Grundschule gibt Andreas Greif, Leiter des Jugendbildungswerkes und der Jugendförderung beim Landkreis Waldeck-Frankenberg / Nordhessen einen verdichteten Einblick in das von ihm mit entwickelte Programm „stark bewegt“: konzeptionelle Grundüberlegungen, Erfahrungen, Perspektiven.

An diesen Beitrag schließen in thematischer Hinsicht Denise Steffenhagen und Elmar Straube, beide qualifizierte Erlebnispädagog(inn)en und Mitarbeiter(innen) am Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Augsburg, an. In Erlebtes Lernen für Schulklassen stellen sie ein Forschungsprojekt (Projektentwicklung, Forschungsfragen, Methodik) gleichen Namens dar, das in Kooperation mit dem Arbeitsbereich „Erlebnispädagogik“ an der Universität Augsburg im Schuljahr 2017/18 in Zusammenarbeit mit zwei Schulen eines Augsburger „Problemviertels“ durchgeführt wurde.

Von einer erlebnispädagogischen Handlungsform ganz anderer Art, dem Solo (drei Teilnehmer und drei Tage mit zwei Nächten), berichtet in Bildungspotenziale des Projekts „Rückzugsraum Natur“ Franziska Kessener, Montessori-, Abenteuer- und Erlebnispädagogin.

Den Abschluss des Buches bildet ein Beitrag von Ulrich Dettweiler. Der frühere Leiter der Outward Bound Academy, Schwangau (2007-2010), ehemaliger Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften der TU München und der TUM School of Education (2010-2016) ist seit Herbst 2016 Associate Professor für Pädagogik an der Universität von Stavanger im Südwesten Norwegens. Er berichtet hier in Our Common Future: Chronologie einer Schülerexpedition zur Erforschung des Klimawandels von einem – u.a. durch die Robert Bosch Stiftung – finanzierten und 2016 realisierten Projekt, das erlaubte „eine lang gehegte Idee“ zu realisieren: „Eine ‚echte‘ Forschungsexpedition mit Schülerinnen und Schülern durchzuführen.“ (S. 172)

Diskussion

Eine Erlebnispädagogik, die sich als „Handwerk“ versteht, bräuchte keine eigenständige, aus sich selbst heraus stammende Forschung. Als „Handwerk“ verstanden, müsste Erlebnispädagogik lediglich über ein halbwegs kritisches Sensorium zur Beurteilung von Forschungsergebnissen aus relevanten „Bezugswissenschaften“ verfügen. Dass man mit diesem Modell vernünftige Arbeit leisten kann, zeigen nicht nur die klassischen Handwerksbetriebe, sondern auf dem Gebiet psychosozialer Interventionen auch die deutsche Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, die damit jahrzehntelang verfuhr und das auf dem Gebiet der Analytischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie bis heute tut.

Nur wenn die Erlebnispädagogik in Deutschland und dem übrigen deutschsprachigen Raum das Ansinnen hat, sich als akademische (Teil-)Disziplin zu etablieren, macht eine eigenständige wissenschaftliche Arbeit Sinn. Und in diesem Zusammenhang hat man das vorliegende Buch einzuordnen: (Auch) Es will demonstrieren, dass die hiesige Erlebnispädagogik sehr wohl eigenständig zu forschen weiß. Unter diesem Gesichtspunkt sollte man das Buch lesen. Ob man sich die disziplinäre Verortung in der Allgemeinen Pädagogik, der Sportwissenschaft oder der Sozialen Arbeit (und dort als „Fachsozialpädagogik“) denkt, ist dem gegenüber sekundär – und bedarf weiterer Erörterung in mehrerlei Hinsicht.

Fazit

Das Buch sei zur Lektüre empfohlen all jenen, die an der Erlebnispädagogik im deutschsprachigen Raum aus welchem Grund auch immer interessiert sind und einige Neugier haben auf Forschungsarbeit in diesem Gebiet. Insbesondere eingeladen seien all diejenigen, die bei „Forschung“ eine solche rein quantitativer Art befürchten und vor Statistiken, die das Niveau von Beschreibung übersteigen, Reißaus nehmen.

Zur Anschaffung empfohlen sei das Buch den Bibliotheken all jener Hochschulen, an denen Erlebnispädagogik zumindest im Umfang eines einzigen Moduls auf dem Lehrplan steht.

Literatur

  • Fengler, J. (2017). Zur Frage des Forschungsstandes in der Erlebnispädagogik. Bildung und Erziehung, 70(3), 319–334.
  • Matthes, E. & Bous, B. (2017). Erlebnispädagogik in Theorie und Praxis. Einleitung zu diesem Heft. Bildung und Erziehung, 70(3), 243–248.
  • Seidel, H. (2017). Berufsbild Erlebnispädagoge – Zusammenfassung und Zwischenbericht eines Entwicklungsprozesses. Bildung und Erziehung, 70(3), 281–292.

Rezension von
Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Heekerens
Hochschullehrer i.R. für Sozialarbeit/Sozialpädagogik und Pädagogik an der Hochschule München
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Es gibt 180 Rezensionen von Hans-Peter Heekerens.

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Zitiervorschlag
Hans-Peter Heekerens. Rezension vom 05.02.2019 zu: Barbara Bous, Martin Scholz, Thomas Eisinger, Jule Hildmann (Hrsg.): Im Erlebnis forschen - durch Erlebnis forschen. Erlebnispädagogik in Wissenschaft und Forschung. ZIEL Verlag (Augsburg) 2018. ISBN 978-3-944708-80-5. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/25060.php, Datum des Zugriffs 13.10.2024.


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