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Rudolf Schmitt: Systematische Metaphernanalyse

Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 07.05.2019

Cover Rudolf Schmitt: Systematische Metaphernanalyse ISBN 978-3-658-13463-1

Rudolf Schmitt: Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung. Springer VS (Wiesbaden) 2017. 644 Seiten. ISBN 978-3-658-13463-1. D: 39,99 EUR, A: 41,11 EUR, CH: 41,50 sFr.

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Metaphorisches Denken – und Handeln?

„Metaphernanalyse ist eine Methode der qualitativen Forschung, die metaphorische Redewendungen auf zugrunde liegende Deutungsmuster hin untersucht“. Bedeutsam ist dabei, dass im individuellen und kollektiven Denken, Sprechen und Handeln der Menschen soziale Ereignisse und Wahrnehmungen sich als Sollens- und Wollensanweisungen darstellen und so Einstellungen und Haltungen bestimmen. Die Anwendung der Metaphernanalyse ist insbesondere in der pädagogischen und sozialen Arbeit und Forschung geboten. Die Erkenntnis, dass Identitätsbildung und -entwicklung keine in den Genen eingepflanzte Unabdingbarkeit ist, sondern in Bildungs- und Aufklärungsprozessen erworben werden muss, richtet den Blick auf die theoretischen und praktischen Konzepte, wie sie sich in der Spannweite der kognitiven Linguistik bis hin zu hermeneutischen und lebensweltlichen Denk- und Handlungsmustern entwickelt haben (vgl. dazu: socialnet Lexikon, www.socialnet.de/lexikon/Metaphernanalyse).

Entstehungshintergrund und Autor

Die Metaphernanalyse als Methode zur Erkundung und Analyse „von einzelnen bildhaften Redewendungen im Kontext eines Satzes“ findet Anwendung in verschiedenen Feldern der Sozialforschung und Praxis. Es sind Ereignisse, Situationen und Erfahrungen bei dialogischen Verstehensprozessen, die es ermöglichen, Unbekanntes, Unvertrautes und Neues dadurch zu verstehen, einfache, ältere, individuelle und sprachlich überlieferte kollektiv e Erfahrungen auf neue Phänomene zu übertragen. Dabei entstehen wirksame „soziale Deutungsmuster, Habitus, soziale Repräsentationen, Diskurse“, die in den wissenschaftlichen Disziplinen Soziologie, Erziehungswissenschaften, Soziale Arbeit, Politologie, Gesundheitswissenschaften, Psychologie, Psychotherapie und Psychoanalyse Anwendung finden. Als Grundlage dieser Methodik und Analyse zeigen sich die drei, für individuelles und kollektives Denken und Handeln von Menschen bedeutsamen Phänomene: Erfahrungs-, Wandlungs-, Verantwortungsprozesse (siehe dazu auch: Hans Lenk, Human-soziale Verantwortung. Zur Sozialphilosophie der Verantwortlichkeiten, 2017, www.socialnet.de/rezensionen/23473.php).

Der Sozialwissenschaftler von der Hochschule Zittau/Görlitz, Rudolf Schmitt, fasst in der umfangreichen Habilitationsstudie die im Diskussions- und Entwicklungsprozess entstandenen Konzepte zur Metaphernanalyse zusammen, revidiert und ergänzt sie und stellt die Theorie einer systematischen Metaphernanalyse vor.

Aufbau und Inhalt

Die für die qualitative Sozialforschung geeignete Methode wird in fünf Kapiteln thematisiert:

  • Im ersten bilanziert der Autor die im wissenschaftlichen Forschungsdiskurs vorhandenen Konzepte der „systematischen Metaphernanalyse“;
  • im zweiten wird die „doppelte Verortung der systematischen Metaphernanalyse“ vorgenommen: Von der kognitiven Metapherntheorie bis zur Hermeneutik.
  • Im dritten Kapitel werden „Metaphern im Vergleich mit sozialwissenschaftlichen Konzepten“ gesetzt;
  • im vierten wird auf die „Metaphernreflexion und -analyse in sozialwissenschaftlichen Disziplinen“ verwiesen; und
  • im fünften Kapitel wird aufgezeigt, wie die „Methode der systematischen Metaphernanalyse“ aussieht, wie sie in Forschungsvorhaben angewendet werden und weshalb das entwickelte Konzept als eine eigenständige, sozialwissenschaftliche Methode gelten kann.

Die Methode entwickelt sich zur Theorie, wenn es um Fragen nach dem Standard, der Qualität und der Verifizierung von wissenschaftlicher Bildung geht (Tilly Miller / Margit Ostertag 2017, www.socialnet.de/rezensionen/21859.php). Warum gewinnt die Metaphernanalyse bei (sozial-) wissenschaftlichen Forschungen eine solche Bedeutung? Die vielfältigen Funktionszuschreibungen geben darauf Antworten: Sprachliche Verständigung, Handlungsanregungen, rationale und emotionale Aufmerksamkeitsphänomene, soziale und Sozialisationswirkungen, ästhetische Wahrnehmungen, Veranschaulichungen, Erkennen von Wahrheiten, Fake News und Manipulationen. 

Die vielfältigen Begrifflichkeiten, situativen Ereignisse, Verhaltensweisen, Verstehens-, Auslegungs- und Wertungskriterien von Metaphern machen es notwendig, auf die körperlichen, geistigen und seelischen Empfindungen zu schauen, die beim metaphorischen Denken und Handeln auftreten. „Die Rekonstruktion des metaphorischen Denkens erlaubt es, Sinnbezüge jenseits begrifflicher Klassifizierung zu erkennen“. Diese hermeneutische Betrachtung bietet die Möglichkeit, „den gemeinsamen Sinn von Metaphern zu erschließen, und damit … unabgeschlossene und weiterzuentwickelnde (Re-)Konstruktionen“ zu bilden. Es sind „soziale Deutungsmuster“ (Oevermann) und „soziale Repräsentationen“ (Moscovici), es ist der „Habitus“ (Bourdieu) und die „Alltagspsychologie“ (Heider, Bruner), die den Rahmen abstecken, in dem das metaphorische Konzept wirksam werden kann.

Die Frage, in welchen wissenschaftlichen Disziplinen und Forschungsfeldern eine Metaphernreflexion und -analyse sinnvoll und wirksam sein kann – in der Soziologie, der Erziehungswissenschaft, der Sozialen Arbeit, der Sozialmedizin, den Pflege- und Gesundheitswissenschaften, der Politikwissenschaft, Psychologie und Psychotherapie – wird mit der Darstellung von ausgewählten Theorie- und Praxisbeispielen und Literatur beantwortet: „Der konkrete Bezug auf eine Sprech-(und Handlungs-[JS])situation … hilft, unzulängliche Verallgemeinerungen zu vermeiden; die Diskussion von Grenzen einer Verallgemeinerung ist daher als Gütekriterium einer metaphernanalytischen Forschung unverzichtbar“.

Wie also geht die Methode der systematischen Metaphernanalyse? In der Analyse und im Vergleich der verschiedenen, theoretischen und praktischen Sprach-und Handlungskonzepten wird deutlich: Die Anwendung der Methode ist auf kontextuelles Wissen angewiesen: „Sie bezieht den kulturellen Kontext ein und erlaubt es damit, die kulturelle Üblichkeit eines metaphorischen Musters zu identifizieren, aber auch das Fehlen von Metaphern zu interpretieren“.

Fazit

„Metaphernanalyse zielt auf kulturell verbreitete, sozial situierte und individuell produzierte Muster des Denkens, Fühlens und Handelns, durch die hindurch Subjekte ihre Welt herstellen wie wahrnehmen“. Dadurch wird ein „Verstehen zweiter Ordnung“ möglich. Die kognitiven Zugänge und Verstehensprozesse lassen Lücken und Fragezeichen bei der lebensweltlichen Bewältigung von analytischen und existentiellen Nachfragen. Mit der systematischen, qualitativen Metaphernanalyse wird kein allumfassender Anspruch erheben; vielmehr kommt es auf die Forschungsfragen und Thesenbildungen an, ob diese brauchbar und hilfreich ist, Antworten auf sozialgesellschaftliche Phänomene geben und Lösungswege aufzeigen zu können. Deutlich wird zweierlei: Zum einen die eigentlich logische und selbstverständliche Erkenntnis: Methode ist kein Selbstzweck! Und andererseits: Die Wahl der richtigen Methoden beim Denk- und Forschungsprozess ist erkenntnistheoretisch und -praktisch unverzichtbar! Die 80seitige Literatur- und Quellenangabe macht deutlich, dass sich der Forschungsbericht auf langjährige, wissenschaftliche Erfahrung und Lehre stützt und auf die Bedeutung der Methodenkenntnis verweist.

Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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Zitiervorschlag
Jos Schnurer. Rezension vom 07.05.2019 zu: Rudolf Schmitt: Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung. Springer VS (Wiesbaden) 2017. ISBN 978-3-658-13463-1. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/25127.php, Datum des Zugriffs 09.12.2024.


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