Gert Kowarowsky, Christina von Puttkamer: Impact-Techniken
Rezensiert von Dr. Alexander Tewes, 16.05.2019

Gert Kowarowsky, Christina von Puttkamer: Impact-Techniken.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2018.
49,95 EUR.
Kartenset mit 75 Karten und 36-seitigem Booklet. Zu bestellen über Beltz Verlag.
Thema und Entstehungshintergrund
Der Begriff „Impact-Techniken“ mag zwar zunächst Assoziationen von Kampfsport oder Betriebswirtschaft wecken, ist jedoch im Rahmen der Psychotherapie von Danie Beaulieu nachhaltig geprägt worden. Seit über 15 Jahren bietet sie Seminare an und hat bereits diverse Bücher zu dem Thema publiziert; das bekannteste („Impact-Techniken für die Psychotherapie“) erschien in 2005 und ist mittlerweile in der sechsten Auflage erhältlich. Hinter dem Begriff verbergen sich kreative Therapietechniken, die keine eigene Psychotherapieform darstellen, sondern vielmehr klassische Psychotherapie um aktivierende Elemente erweitern sollen. Dabei ist es zunächst einmal egal, welcher Therapieschule sich der Therapeut [1] zugehörig fühlt, oder um welches Störungsbild es sich handelt. Danie Beaulieu betont immer wieder die Bedeutung multisensorischen Arbeitens. Diesen Schwerpunkt und auch den Begriff der „Impact-Therapie“ hat sie Ed Jacobs entnommen, der diesen bereits vor 40 Jahren geprägt hat (vgl. Jacobs & Schimmel, 2012). Danach sollen Patientinnen „(…) nicht nur sprechen und hören, sondern auch sehen, tasten, fühlen, riechen, schmecken und vor allem aktiv handelnd lernen, ihre Problemfelder zu überwinden“ (S. 5). Die klassischen Impact-Techniken werden hier noch erweitert um Elemente der Arbeit von Milton Eriksson (Hypnotherapie), Techniken aus der Gestalttherapie, dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP), der Transaktionsanalyse, dem lösungsorientierten Ansatz von Steve de Shazer, sowie der Rational-Emotiven Verhaltenstherapie von Albert Ellis und Elementen aus der Ego-State-Therapie.
Autor und Autorin
Gert Kowarowsky ist Diplom-Psychologe und seit über 35 Jahren therapeutisch als niedergelassener Psychologischer Psychotherapeut tätig. Er hat eine Ausbildung in Verhaltenstherapie und Rational-Emotiver Verhaltenstherapie. Er ist Supervisor, Lehrtherapeut und Fachbuchautor. Als Themenschwerpunkte seiner Arbeit benennt er: Auflösung schwieriger Situationen in Therapie und Beratung, Persönlichkeitsstörungen, Stressbewältigung und Burnout-Prophylaxe, Meditation, sowie Einsatz kreativer Interventionen in der Verhaltenstherapie.
Christina v. Puttkamer ist Grafikerin, Künstlerin und Pädagogin in der Erwachsenenbildung. Sie benennt ausgiebige Beschäftigung mit diversen Techniken der Selbsterfahrung (Human Potencial Movement) sowie mit unterschiedlichen Meditationstechniken. Zusätzlich weist sie langjährige Tätigkeiten als Grafikerin und Bildredakteurin bei der Zeitschrift Connection (Themenschwerpunkte: Lebenskunst, Spiritualität, Ökologie, Heilung) auf.
Aufbau und Inhalt
Wie bei allen Veröffentlichungen aus dieser Reihe des Belz-Verlages (vgl. die Rezensionen www.socialnet.de/rezensionen/24151.php und www.socialnet.de/rezensionen/24135.php) werden hier 75 Therapiekarten und ein beiliegendes Booklet im stabilen Pappschuber geliefert.
Die Therapiekarten sind auf der Vorderseite mit hochwertigen Bildern bedruckt, während sich auf der Rückseite die Anleitung zur jeweiligen Übung befindet. In dieser Anleitung wird immer zunächst der Hintergrund der Übung erläutert, also erklärt, mit welchem Ziel jeweilige Übung im Rahmen der Beratung genutzt werden kann. Zusätzlich zum Foto auf der Vorderseite werden häufig auch noch sogenannte „Textpillen“ eingefügt, die den Kern der jeweiligen Idee auf den Punkt bringen sollen.
Ein konkretes Beispiel: die Impact-Technik „Das zertrampelte Kissen“ (Übung 22) befasst sich mit dem Thema aktives Annehmen von Lob und soll im Rahmen von sozialen Kompetenztrainings genutzt werden (Hintergrund). Die Übung: Dem Patienten soll ein Kissen in die Hand gedrückt und erklärt werden, dass dieses Kissen für ein Lob stehe. Die Patientin soll das Kissen dann in Verbindung mit einem konkret formulierten Lob zurück an den Therapeuten geben (z.B. „Ihre Inneneinrichtung gefällt mir“). Dieser wiederum solle dann auf dem Kissen herumtrampeln und die zuvor geäußerte Aussage abwerten (z.B. „Ach Quatsch, ist doch alles ganz normal hier!“). Nach einer Auswertung, wie sich dies angefühlt hat, wird im zweiten Durchgang mit einem wertschätzen Annehmen des Kissen und des damit verbundenen Lobes weitergearbeitet. Zusätzlich sollen die Rollen getauscht werden. Auf der Rückseite der Karte findet sich die Textpille: „Ich begegne anderen immer auf Augenhöhe“, sowie ein Bild von zwei unterschiedlich großen Hunden, die sich in die Augen sehen. Dieser Inhalt ist nicht im Zusammenhang mit der Übung auf der anderen Seite der Karte zu sehen (s.u.).
Insgesamt finden sich Kartensets zu folgenden Themen:
- Ängste überwinden
- Depressives Leben verringern
- Besserer Umgang mit Stresssituationen
- Selbstakzeptanz erhöhen
- Sozial kompetentes Verhalten erlernen
- Beziehungsfähigkeit verbessern
- Entspannungsfähigkeit und Gelassenheit verbessern
- Kompetenz im Umgang mit Gefühlen erhöhen
- Essverhalten normalisieren
- Mit körperlichen Krankheiten und Schmerzen umgehen lernen
- Schlafstörungen überwinden
- Partnerschaftliche und sexuelle Probleme bewältigen
- Suchtverhalten verändern
- Traumatische Erlebnisse verarbeiten
- Zwanghafte Gedanken und Handlungen bewältigen
Jedes Themengebiet umfasst ein Set mit fünf Karten: Eine Einstiegskarte mit ressourcenaktivierendem Einstiegsbild mit Anleitung auf der Rückseite sowie vier weitere doppelseitig bedruckte Karten mit jeweils einer Textpille sowie einer Übung, (wobei die Textpillen und die Übungen voneinander unabhängig sind, sodass insgesamt zu jedem Thema neun Arbeitsmaterialien zur Verfügung gestellt werden).
Im begleitenden 36-seitigen Booklet wird zunächst der theoretische Hintergrund der Impact-Therapie, dann allgemeine Praxistipps zur Anwendung und sämtliche Karten im Überblick erläutert. Abschließend werden Anregungen zur praktischen Grundausstattung geliefert, die zur Umsetzung der Techniken benötigt werden (Therapiematerialien).
Diskussion
Das Kartenset ist wie alle Veröffentlichungen aus dieser Reihe qualitativ hochwertig ausgearbeitet. Die Übungen sind auf stabilen Hochglanzkarten im DIN A5 Format gedruckt. Die Erläuterungen sind klar und übersichtlich, wenn auch die zusätzlichen Erläuterungen im Booklet eher redundant sind. Allerdings wird durch die kurze Zusammenfassung noch einmal deutlich, welche unterschiedlichen Techniken sich zu dem jeweiligen Themenkomplex finden lassen, sodass die Auswahl einer Technik in einer gezielten Therapiesituation wahrscheinlich effektiver mit dem Booklet zu realisieren sein dürfte, als wenn sämtliche Karten umständlich vorher durchgeblättert würden.
Bei den hier zusammengetragenen Techniken handelt es sich um „(…) eine Auswahl der effektivsten Interventionen und Impact-Übungen nach Danie Beaulieu sowie von vielen eigenen in der täglichen Praxis herangereiften und erfolgreich angewandten Impact-Therapietechniken“ (S. 8). Dies wird bei Durchsicht der Karten schnell deutlich. Sie sind abwechslungsreich, kreativ und zum Teil auch sehr lustig. Als besonders schönes Beispiel sei hier der sogenannte „James-Bond-Kugelschreiber“ genannt – zu dem hier jedoch nicht mehr verraten werden soll. Insgesamt ersetzen die hier vorgestellten Techniken sicher nicht die Ausbildung in einem Richtlinienpsychotherapieverfahren, das sollen sie jedoch natürlich auch nicht. Da sie jedoch zum Teil sehr provokanter Natur sind, muss an dieser Stelle durchaus darauf hingewiesen werden, dass sie ausschließlich von entsprechend geschultem Fachpersonal genutzt werden sollten, um mit gegebenenfalls auftretenden „Nebenwirkungen“ (erwünschten starken emotionalen Reaktionen) adäquat umgehen zu können.
Im Rahmen der Therapie dürften sie vor allem bei festgefahrenen Situationen und zur Motivationssteigerung ihrer Anwendung finden. Zusätzlich dienen sie ebenfalls hervorragend der Beziehungsgestaltung im therapeutischen Setting. Vor allem im Bereich der klassischen Verhaltenstherapie, die sich auch immer mal wieder dem Vorwurf ausgesetzt sieht „dröge“ zu sein, können sie hervorragend ergänzend eingesetzt werden.
Fazit
Beim vorliegenden Kartenset wird die hohe Qualität der bisherigen Veröffentlichungen in dieser Reihe konsequent aufrechterhalten. Es liefert umfassende kreative Ideen, wie das eigene psychotherapeutische Vorgehen konfrontativ und aktivierend erweitert werden kann und steigert die Lust, entsprechende Techniken selbst zu entwickeln. Es ersetzt sicher nicht die Lektüre entsprechender Literatur und schon gar nicht eine Psychotherapieausbildung, ist aber als Ergänzung zu beidem unbedingt zu empfehlen.
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurden männliche und weibliche Form jeweils wechselseitig verwendet. Es sind immer sämtliche Geschlechter gemeint.
Rezension von
Dr. Alexander Tewes
Instituts- und Ausbildungsleiter LAKIJU-VT (Lüneburger Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie), Psychiatrische Klinik Lüneburg gemeinnützige GmbH im Verbund der Gesundheitsholding Lüneburg
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