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Wilhelm Geisbauer: Führen mit Neuer Autorität

Rezensiert von Dipl. Päd. Sabine Kamp-Decruppe, 04.02.2019

Cover Wilhelm Geisbauer: Führen mit Neuer Autorität ISBN 978-3-8497-0219-9

Wilhelm Geisbauer: Führen mit Neuer Autorität. Stärke entwickeln für sich und das Team. Carl-Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2018. 166 Seiten. ISBN 978-3-8497-0219-9. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR.

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Thema

Wilhelm Geisbauer ermutigt zu einem neuen Verständnis von Autorität. Neue Autorität als Führungskonzept der Zukunft in Unternehmen, non-profit-Organisationen und Teams.

Autor

Wilhelm Geisbauer ist Master of Science der Beratungswissenschaft, Diplompädagoge, Supervisor und Coach, Lehr- und Methodentrainer an mehreren Universitäten.

Der selbstständige Organisationsberater aus Österreich beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit lösungsorientierter Beratung für Führungs- bzw. Leitungskräfte und Teams. Als Trainer des Reteaming-Ansatzes bringt er diesen in viele Unternehmen und Organisationen Mitteleuropas.

Entstehungshintergrund

Im Rahmen eines Kongresses mit dem Titel „Neue Autorität: Stärke statt Macht“ traf der Autor auf das gleichnamige Konzept von Haim Omer, was für die Schule bereits gute Dienste leistet. Er entschloss sich, dieses Konzept für Führungskräfte nutzbar zu machen, da er es für einen Schlüssel zur Lösung vieler Probleme in Organisationen und Unternehmen hält.

Bei der „Neuen Autorität“ geht es darum, das Führende Stärke zeigen, wohlwollend und kooperativ sind, anderen etwas zutrauen und die Entwicklung von Selbstbewusstsein fördern. Der Ansatz knüpft an Geisbauers Konzept der Reteaming-Arbeit an, und kann einer Teamentwicklung dadurch mehr Nachhaltigkeit verleihen.

Mit dem vorliegenden Buch will der Autor zeigen, wie der Weg zu „Neuer Autorität“ ein individuell angepasster kontinuierlicher Lernprozess ist.

Aufbau

Das Buch gliedert sich in 12 Kapitel.

  • Nach der Einleitung (1.)
  • wird im 2. und 3. Kapitel der Begriff der „Neuen Autorität“ entwickelt und das Konzept umrissen.
  • Kapitel 4 „Entwicklungsfelder“ und 5 „Rückenstärkung“ beschreiben die Spielregeln und Werkzeuge,
  • Kapitel 6 stellt den Bezug zur Gesundheit her,
  • Kapitel 7 warnt vor Fallen und
  • die Kapitel 8 und 9 beschäftigen sich mit der dazugehörigen Haltung.
  • Kapitel 10 ist Leitfaden,
  • 11 Ausblick und
  • Kapitel 12 als Anhang leitet zur Reteaming-Methode über.

Die Kapitel 10 und 12 bestehen überwiegend aus Arbeitsblättern mit Fragen und viel Platz zum Selbstausfüllen und Reflektieren.

Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.

Inhalt

Die Einleitung beginnt mit der Frage „Was macht Führungskräfte stark, …sodass sie bei Mitarbeitern angemessenes Engagement bewirken?“ (S. 14).

Die Antwort heißt: ‚Neue Autorität‘. Sie lässt sich nicht als individuelle Charakterstärke ableiten, sondern aus der Art, wie Beziehungen gestaltet werden. „Weiche Faktoren spielen dabei eine übergeordnete Rolle“ (S. 15) Das Buch will klare Anregungen geben wie Führungskräfte zu dieser Neuen Autorität finden können.

Die Einleitung schließt mit dem praxisnahen Hinweis: Sie benötigen zwei Stunden um das Buch zu lesen, und nochmals zwei Stunden um ihr Projekt in Gang zu bringen.

Das zweite Kapitel „Neue Autorität: Stärke statt Macht“ behandelt in drei Unterpunkten

  • Führungsstile – ideologischer Dampf?
  • Funktionen von Führung
  • Harte Faktoren – weiche Faktoren.

Der Begriff der Autorität wird gegen autoritär abgegrenzt und in Bezug zu Führung und Führungsaufgaben gesetzt. „Führung ist nicht sichtbar und fällt erst auf, wenn sie fehlt.“(S. 20)

Gegenüber den harten Faktoren sind weiche nur indirekt zu beeinflussen. Wie kann man Vertrauen herstellen oder Probleme in der Zusammenarbeit verbessern?

Das „Konzept der Neuen Autorität“ (Kapitel 3) beruht auf der Entwicklung von Stärke statt Macht und speist sich aus Eigenschaften wie Ansehen, Empathie, Sachverstand, der Koordination sozialer Prozesse und bedarf der vertrauensvollen Begegnung auf Augenhöhe und konstruktivem Austausch.

Als Merkmale werden ausgeführt – und jeweils mit einem Fazit zusammengefasst:

  • Präsenz vs. Distanz (Beziehung)
  • Transparenz vs. Abschottung
  • Beharrlichkeit vs. Dringlichkeit (Zeitverständnis)
  • Entschiedenheit vs. Dominanz (Grenzen)
  • Selbstführung vs. Kontrolle (Reflexion)
  • Deeskalation vs. Eskalation (Wiedergutmachung)
  • Vernetzung vs. Hierarchie (Koalition)

In der Verinnerlichung von diesen Haltungen sieht der Autor eine Grundlage für die Entfaltung von Mitarbeiter-Potenzialen. „Neue Autorität begrenze nicht, sondern öffne einen Raum von Möglichkeiten.“ (S. 27) Und …„sie wird eine neue Kultur vor allem über die weichen Faktoren prägen“ (S. 36), so beginnt das 4. Kapitel „Entwicklungsfelder“.

Dieses umfasst

  • 4.1 Lösungsorientierte Führungskommunikation (16 Seiten)
  • 4.2 Systemdenken (8 Seiten) und
  • 4.3 Reflexion (6 Seiten).

Statt eines (vergangenheitsbezogenen) Problemteufelskreises wird die Aufmerksamkeit in die Zukunft und auf ihre Möglichkeiten gelenkt, Probleme können in korrespondierende Ziele übersetzt werden.

In zwölf Spielregeln für den Alltag wird Lösungsorientierte Kommunikation beschrieben. Hier werden auch Skeptiker und Zweifler berücksichtigt, denn sie führen zu der Frage: „Was wird ein möglicher Rückschritt sein und wie können wir schon vorab einen konstruktiven Umgang damit finden?“ (S. 42)

Weiterhin wird mittels der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg mit ihrem bedürfnisorientierten Ansatz beschrieben, wie Konflikte zur Zufriedenheit aller zu bearbeiten sind.

Zum lösungsorientierten Ansatz gehört das systemische Denken, deren Prinzipen im Folgenden skizziert werden. Der Autor bezieht sich dabei auf F.B. Simon, G. Weber und H. Merl, und transferiert deren Hinweise auf die Führungsarbeit im Alltag.

Im Abschnitt Reflexion geht es darum, wie das innere und äußere Selbst in Einklang zu bringen ist. In der Reflexion (auch mithilfe von Coaching oder Supervision) findet man die Balance, und kommt in Resonanz mit den eigenen Ressourcen.

Die aus (der Entwicklungs-)Projektarbeit bekannte Definition von SMARTen Zielen hält der Autor für gefährlich und empfiehlt stattdessen „die Erweiterung des Zielrahmens. Beispiel: ‚Unsere Durchlaufzeiten müssen um 30 % kürzer werden.‘ Zielerweiterung: ‘Wie bleiben wir auch in Zukunft wettbewerbsfähig?‘ “(S. 66)

Ab dem 5. Kapitel „Rückenstärkung für die Neue Autorität“ wird der theoretische Ansatz in die Praxis überführt. Es werden nochmals destruktive und konstruktive Interventionen verglichen; das Prinzip des Offenen Dialogs nach Prof. Jaakko Seikkula, Finnland, wird vorgestellt: „Das übergeordnete Ziel besteht darin, nicht die Personen zu verändern, sondern sie miteinander im Gespräch zu halten.“ (S. 73)

Wie kann die Führungskraft zu einem gemeinsamen Aufmerksamkeitsfokus hin lenken? Lösungsgespräche führen in eine – gemeinsame – Vorwärtsbewegung. „Für planerisches Handeln schlage ich den Begriff ‚evolutionäre Planung‘ vor“, welche auch die verschiedenen Umwelten des Unternehmens mit einbezieht. So werden möglichst viele der relevanten Faktoren für die Entwicklung lokalisiert. (S. 80)

Mit einem Plädoyer für Empathie und Achtsamkeit endet das 5. Kapitel.

Im 6. Kapitel „Neue Autorität und Gesundheit“ werden „Krankheit und Gesundheit als zwei Pole innerhalb eines Kontinuums“ (S. 83) dargestellt. Es geht um eine gesundheitsförderliche Grundhaltung im Unternehmen. Das sogenannte Kohärenzgefühl setzt sich zusammen aus dem Gefühl der Verstehbarkeit, der Bewältigbarkeit und der Sinnhaftigkeit. Fehlen diese Komponenten, kann es zu Systemstörungen in Form von Krankheit bis hin zum Burn-out kommen. ... „Burn-out (ist) ein allmählicher Verlustprozess, bei dem das Missverhältnis zwischen den Bedürfnissen des Menschen und den Anforderungen am Arbeitsplatz immer größer wird.“(S. 89)

Warum und wie man gegen Burn-out vorgehen soll, und das das zu den Aufgaben einer entscheidungs-mutigen Führungskraft gehört, wird fundiert erläutert.

Kapitel 7, 8 und 9 sind sehr praxisnahe Beschreibungen, wie eine Führungskraft die „Neue Autorität“ leben kann. Ganz paradox geht es los mit „Vorsicht – Falle!“ (Kapitel 7), alles was man nicht tun sollte – inklusive einer Anleitung: „Wie man sein Team ‚ruiniert‘“. Ein provokanter Ansatz aus der lösungsorientierten Arbeit, der einen zuweilen schmunzeln lässt.

Kapitel 8 „Beratung, die stärkt“ beschreibt ausführlich sowohl die Kriterien wie das lösungsorientierte Vorgehen in der systemischen Beratung. Ich kann aus eigener Erfahrung, bestätigen, dass diese Fragen direkt so einsetzbar sind.

In Kapitel 9 „Führungskraft als Coach – geht das?“ wird der mögliche Rollenkonflikt einer Führungskraft beleuchtet, der Widerspruch von Beziehung und Leistung. Das Fazit: „Im Coaching durch Führungskräfte sind wesentliche Wirkfaktoren wie Neutralität, symmetrische Beziehung …eingeschränkt oder fehlen überhaupt. Bestimmte Themen können in dieser Konstellation nicht angesprochen …werden. Aus diesem Grunde können Führungskräfte nicht als Coach ihrer Mitarbeiter wirksam werden.“(S. 111)

Kapitel 10 „Leitfaden zur neuen Autorität“ besteht aus 12 Schritten, die man möglichst nach einem ausgedehnten Spaziergang bearbeiten soll. Die Schritte funktionieren wie ein Workbook: auf eine kurze Einstimmung folgt eine Aufgabe und jeweils eine freie Seite zum Ausfüllen. Letzter Satz: „Ein Coach wird hier gute Dienste leisten können.“(S. 129)

Kapitel 11 ist dem „Ausblick“ auf Digitalisierung bzw. der Bedeutung von Resonanz gewidmet. „Je intensiver Neue Autorität gelebt wird, umso besser können sich positive Faktoren zum Wohl und zur Stärkung aller Beteiligten entfalten. Als Lohn winken Kohärenz, Sinnentfaltung und Resonanz. Das bedeutet: gesunde Menschen in gesunden Organisationen, die erfolgreich kooperieren.“ (S. 133)

Das Kapitel 12 „Anhang“ weist auf den MBI-Fragebogen (C. Maslach) hin, der die Auswirkung von Veränderungsprozessen auf Arbeitnehmer ermittelt. Nach einem konkreten Beispiel wird ein weiterer Fragebogen zum Zukunftsentwurf vorgestellt, der „…es ermöglicht…, innerhalb von sehr kurzer Zeit auf wesentliche Elemente einer Organisationsdynamik zu fokussieren.“(S. 137) Es folgen zwölf Fragen, je eine pro Seite, also mit viel Platz zum schriftlichen Reflektieren.

Die letzten acht Seiten sind ein Text von Ben Furman und Tapani Ahola, es ist die Anleitung zur Reteaming-Methode. Dieser gliedert sich wie folgt:

  • Fähigkeiten, Stärken, Fundamente
  • Probleme in Ziele verwandeln
  • Ziel auswählen
  • Welchen Gewinn man erwarten kann
  • Das Traum-Team
  • Erste Überlegungen, welche Schritte man setzen kann
  • Schritte der Veränderung
  • Die Möglichkeitswaage
  • Die Team-Ressourcen überblicken
  • Äußere Ressourcen
  • Vorrat an früheren Erfolgen
  • Neueste positive Entwicklungen
  • Die Beitragsphase vorbereiten
  • Feedbackrunde
  • Persönliche Aufzeichnungen
  • Erfolg feiern
  • Abschluss

Im Nachwort beschreibt Harry Merl „Neue Autorität“ als permanente persönliche Weiterentwicklung. „Das führt zu innerer Stärke, die nach außen hin als fördernd wahrnehmbar ist.“(S. 159)

Diskussion

Ich habe das Buch mit viel Genuss lesen können, wie schon lange keines mehr.

Der Begriff und seine inhaltliche Füllung werden klar und strukturiert entwickelt. An vielen Punkten konnte ich gut andocken, besonders hinsichtlich lösungsfokussierter Gesprächsführung, systemischen Denkansätzen und Gewaltfreier Kommunikation.

Interessant war für mich die Abgrenzung zu SMARTen Zielen, die ich so noch nicht kannte, und die mir einleuchtet.

Lediglich gegen Ende war ich etwas gelangweilt ob des workbook-Charakters mit vielen leeren Seiten und des Anhangs bezüglich der „Reteaming-Methode“. Das kann man als TrainerIn immerhin gleich als Kopiervorlage nutzen. Den Vorzügen des Buches schadet es nicht.

Fazit

Wilhelm Geisbauer liefert einen Leitfaden, mit dem sich eine Führungskraft ganz individuell an die ‚Neue Autorität‘ annähern kann. Trainer können dem Buch zudem eine Menge an Arbeitsmaterialien entnehmen. 

Rezension von
Dipl. Päd. Sabine Kamp-Decruppe
Mediatorin, Mitarbeiterin im Psychosozialen Dienst der Friesenhörn GmbH
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Es gibt 32 Rezensionen von Sabine Kamp-Decruppe.

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ISSN 2190-9245