Michael Bungay Stanier: The coaching habit
Rezensiert von Mag. Friedrich Graf-Götz, 03.04.2019

Michael Bungay Stanier: The coaching habit.
Verlag Franz Vahlen GmbH
(München) 2018.
211 Seiten.
ISBN 978-3-8006-5823-7.
19,80 EUR.
Kauschke, Mike (Übersetzer) .
Thema
In der neueren Führungsliteratur wird Coaching immer wieder als moderner und effektiver Führungsstil beschrieben. Auch Bungay Stanier hebt einleitend hervor, dass dieser Führungsstil „eine ‚deutlich positive‘ Wirkung auf die Leistung, die Unternehmenskultur und den Gewinn hat“. Dennoch wäre Coaching der am wenigsten verbreitete Führungsstil. Der Autor zitiert in diesem Zusammenhang den Psychologen Goleman, der schreibt, dass viele Führungskräfte meinen, dass sie nicht die Zeit dafür hätten, „Menschen zu unterrichten und sie bei ihrem Wachstum zu unterstützen.“ Bungay Stanier vertritt hingegen die Ansicht, dass ein Coaching-Habit Führungskräften ermöglicht, mit „weniger Mühe zu arbeiten und dabei wirksamer zu sein“.
Der Führungsstil trägt dazu bei, MitarbeiterInnen zu helfen und ihr Potenzial zu entwickeln. Der Autor gibt an, in seiner Firma ‚Box of Crayons‘ 10.000 viel beschäftigten ManagerInnen erfolgreich praktische Coaching-Fähigkeiten vermittelt zu haben. Sein Erfolg stütze sich auf moderne wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verhaltensänderung. Auch in seinem Buch beschreibt Bungay Stanier nicht nur theoretisch den Führungsstil des Coachings, sondern möchte mittels seiner speziellen Methodik Führungskräfte dabei unterstützen, den Coaching-Habit zu entwickeln und praktisch anzuwenden. Ergänzend zum Buch gibt es die Möglichkeit, Videos anzusehen, die den Coaching-Habit veranschaulichen sollen (The Coaching Habit Videos – Box of Crayons).
Autor
Der Autor Michael Bungay Stanier hat einen wechselvollen Werdegang. Nach einem Unfall als Hilfsarbeiter begann er Geschichten zu schreiben, versuchte sich als Schauspieler und erhielt ein Stipendium für ein Universitätsstudium in Oxford. Heute betreibt er die Firma „Box of Crayons“, die sich schwerpunktmäßig mit Coaching-Trainings für ManagerInnen beschäftigt (https://boxofcrayons.com).
Aufbau
Einleitend plädiert der Autor dafür, dass Coaching für Führungskräfte zur Regel werden muss und liefert einige Argumente für die Übernahme dieses Führungsstils. Des Weiteren geht er auf neuere Erkenntnisse der Verhaltensänderung ein, deren Berücksichtigung er als Voraussetzung für die nachhaltige Entwicklung des Coaching-Habits ansieht. I
n den folgenden 7 Kapiteln stellt er 7 Fragen vor, die er als zentral für ein wirkungsvolles MitarbeiterInnen-Coaching ansieht.
Inhalt
Die Verhaltensänderung, die Bungay Stanier Führungskräften empfiehlt, ist – in einfacher Formulierung –, MitarbeiterInnen öfters Fragen zu stellen und ihnen weniger zu sagen, was sie tun sollen. Mehr Fragen zu stellen, soll zur Gewohnheit werden. Damit jedoch eine Gewohnheit ausgebildet wird, müssen nach Meinung des Autors fünf Aspekte beachtet werden.
- Als Erstes wird ein Grund dafür benötigt, ein neues Verhalten zu entwickeln. Dabei sollte nicht der eigene Vorteil im Zentrum stehen, sondern der Nutzen, den das Verhalten für Andere hat.
- Im nächsten Schritt ist zu eruieren, was der Auslöser für altes, gewohnheitsmäßiges Verhalten ist, das verändert werden soll.
- Die angestrebte neue Gewohnheit soll kurz und konkret beschrieben werden.
- Die neue Gewohnheit ist als Mini-Gewohnheit zu definieren, das gilt für den ersten oder die ersten beiden Schritte
- Zuletzt ist nachhaltiges Üben angesagt.
Obige Schritte fasst der Autor in der „New-Habit-Formel“ zusammen, die aus drei Teilen besteht:
- „den Auslöser finden“,
- „die alte Gewohnheit identifizieren“ und
- „das neue Verhalten definieren“.
Nachdem Bungay Stanier noch einige zusätzliche Tipps vorstellt, geht er in den folgenden 7 Kapiteln zu den zentralen Fragen des MitarbeiterInnen-Coachings über:
- Die Kickstart-Frage „Was beschäftigt Sie gerade besonders?“, ist so formuliert, dass sie sowohl offen ist als auch das Gespräch fokussiert.
- Die Magische Frage, die aus den drei Wörtern „Und was noch?“ besteht, bietet die Chance sowohl tiefer ins Thema einzudringen als auch wichtige zusätzliche Informationen zu erschließen.
- Die Fokus-Frage „Was ist hier Ihre wirkliche Herausforderung?“ dient dazu, zum „Kern der Herausforderung“ vorzudringen.
- Die Grundlegende Frage „Was wollen Sie?“ zielt auf den Lösungswunsch des/der GesprächspartnerIn.
- Die Bequeme Frage „Wie kann ich helfen?“ lässt GesprächspartnerInnen eine Bitte äußern und hilft die Frage nach nützlicher Unterstützung klären.
- Die Strategische Frage „Wenn Sie dazu ja sagen, wozu sagen Sie nein?“ führt zu notwendigen Entscheidungen.
- Die Lern-Frage „Was war am nützlichsten für Sie?“ schafft Raum für Lernen.
Neben diesen sieben zentralen Fragen, die mit Theorie und praktischen Beispielen unterfüttert sind, werden in kurzen Ausführungen, die mit „Meisterkurs Fragen“ übertitelt sind, weitere nützliche Hinweise gegeben. Zum Beispiel: „Gewöhnen Sie sich an Stille“, „Hören Sie der Antwort wirklich zu“, „Würdigen Sie die Antworten, die Sie erhalten“ …
In seinen abschließenden „Schlußgedanken“ stützt Bungay Stanier seine Empfehlung für den „Coaching-Habit“ mit einer Anekdote aus seinem Studentenleben und versammelt in der „Fundgrube zusätzlicher Großartigkeit“ ausgewählte Literaturempfehlungen.
Diskussion
Der Autor Bungay Stanier hat mit seinem Buch eine wichtige Lücke gefüllt. Denn tatsächlich ist der in der einschlägigen Literatur als besonders wirkungsvoll vorgestellte Führungsstil Coaching nur selten konkreter beschrieben worden. Nachdem sich der Autor auf einige zentrale Fragen konzentriert und sie in ihrer Anwendung bei MitarbeiterInnen-Gesprächen sehr konkret ausführt, gibt er eine Vorstellung davon wie der Coaching-Habit in der Praxis aussehen kann. Anzumerken wäre, dass der gegenständliche Führungsstil auch eine entsprechende Unternehmenskultur voraussetzt, in der auf Ideen und Engagement von MitarbeiterInnen Wert gelegt wird. In streng hierarchischen Organisationen, in denen Führungskräfte hauptsächlich top-down-Entscheidungen durchzusetzen haben und ein Mitdenken als Störung empfunden wird, wird das erforderliche Klima für jedwedes interne Coaching gar nicht erst entstehen können. In Unternehmen, in denen das Potenzial von MitarbeiterInnen wertgeschätzt wird und gefördert werden soll, findet der Führungsstil Coaching jedoch seinen erforderlichen Nährboden. Da letzteres auf immer mehr und besonders auf innovative Unternehmen zutrifft, ist es sehr zu begrüßen, dass auch mitarbeiterInnenorientierte Führungsstile – und dazu gehört Coaching –, in den Focus gerückt werden.
Fazit
Das Buch „The Coaching Habit“ ist zweifelsohne für jede Führungskraft, die ihren MitarbeiterInnen auf Augenhöhe begegnen und zur Entwicklung ihres vollen Potenzials beitragen möchte, eine wertvolle Lektüre. Es ist gut zu lesen und vermittelt nicht nur das notwendige Verständnis für den Führungsstil Coaching, sondern macht auch die Praxis des für den Stil kennzeichnenden Frageverhaltens anschaulich. Ein inhaltlich gelungenes, für alle Führungskräfte und Coaches interessantes Praxisbuch.
Rezension von
Mag. Friedrich Graf-Götz
Universitätslektor, Supervisor und Unternehmensberater, Mitarbeiter in der Erwachsenenbildung
Mailformular
Es gibt 12 Rezensionen von Friedrich Graf-Götz.