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Bert Overlack: FuckUp

Rezensiert von Tatjana van de Kamp, 06.11.2019

Cover Bert Overlack: FuckUp ISBN 978-3-527-50960-7

Bert Overlack: FuckUp. Das Scheitern von heute sind die Erfolge von morgen. Wiley-VCH Verlag (Weinheim) 2019. 255 Seiten. ISBN 978-3-527-50960-7. 19,99 EUR.

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Thema

Scheitern gehört zum Erfolg. Bert Overlack hat beides mitgemacht und berichtet über seine Erfahrungen mit dem Erfolg durch Expansion und der Insolvenz seines Unternehmens in der Finanzkrise. Scheitern ist ein normaler Vorgang und doch bei uns gesellschaftlich geächtet. Im Sinne der Fuckup-Nights will der Autor zur Bewältigung sowie zur Prävention des Scheiterns und zu einem offenen, konstruktiven Umgang mit Misserfolgen und Fehlern ermutigen. Dabei möchte er sein Buch weder als Autobiografie noch als Sachbuch verstanden wissen, sondern als Mischung aus persönlicher Erfahrung und fundierter wissenschaftlicher Erkenntnis.

Autor

Bert Overlack leitete 13 Jahre lang erfolgreich ein markführendes Unternehmen in der Möbelzuliefer- und Holzwerkstoffindustrie, bis durch die Finanzkrise der Absatzmarkt radikal zurückging und er Insolvenz anmelden musste. Aufbauend auf seinen Erfahrungen des Erfolgs, der Insolvenz und deren Bewältigung berät er heute Unternehmer, hält Vorträge, Workshops und Firmenevents zum Thema Fuckup, Scheitern, Lernen und Vertrauen. Er ist Bankkaufmann, Diplom-Kaufmann (WHU Koblenz), Master of Cognitive Science (AON Köln) und arbeitet an einer Promotion in Wirtschaftspsychologie. Daneben hat er sich als Berater und Coach weitergebildet.

Aufbau und Inhalt

Das Buch kombiniert die persönliche Erfahrung des Autors mit neurowissenschaftlicher Fundierung und theoretischen Modellen.

Das Buch besteht aus einer Einführung und drei Teilen:

  • In der Einführung erzählt Bert Overlack seine Geschichte als Unternehmer bis zur Insolvenz 2011.
  • Teil 1: Kapitel 1 bis 3 beschreiben die Achterbahn der Gefühle vor, während und nach der Insolvenz. Zentrale Themen sind Schuld, Angst und Zweifel.
  • Teil 2: Kapitel 4 bis 6 fassen Entscheidungen und Handeln des Autors zusammen ergänzt durch Überlegungen, wie sich die Krise als Wendepunkt und Neuanfang nutzten lässt.
  • Teil 3: In Kapitel 7 bis 9 überträgt der Autor seine Erkenntnisse auf unternehmerische und gesellschaftliche Fragestellungen.

Jedes Kapitel endet mit Denkanstößen zur eigenen Person und Situation. Der Autor trennt seine persönlichen Erfahrungen von allgemeinen Überlegungen, Erklärungen und Modellen durch Kursivdruck.

Der Epilog umfasst ein Resümee, darauf folgen Danksagungen und Literaturhinweise.

Inhalt

Overlacks persönliche Storyline dient als roter Faden und bildet die Brücke zu den Erkenntnissen aus der eigenen Erfahrung sowie der Wissenschaft.

Teil 1

In Teil 1 teilt der Autor sein Erleben des Scheiterns und der Emotionen.

Werden Vorboten des Scheiterns übersehen, nimmt mit zunehmender Eskalation der Handlungsspielraum ab und der Stress nimmt zu. Je früher wir Fehlern gegensteuern, desto eher lassen sie sich korrigieren. Krisen fallen nicht vom Himmel, überraschen uns aber aufgrund ihrer meist exponentiellen oder chaotischen Entwicklung, während wir sie in Erwartung eines linearen Verlaufs zu lange unterschätzen.

Schuldgefühle sind normal und dann hilfreich, wenn sie zu Verantwortungsgefühlen und Handeln verarbeitet werden. Angst sagt einiges über unsere Erfahrungen aber wenig über unsere Zukunft aus und kann durch Vertrauen überwunden werden. Overlack warnt davor, unsere Leistungsfähigkeit zu überschätzen und uns zu übernehmen, da dies insbesondere in Kombination mit Emotionscocktails von Schuld, Angst und Zweifeln im Dauer-Kopfkino unseren Stress schlimmstenfalls bis zum Zusammenbruch verstärkt.

Scheitern kann Selbstzweifel und Unsicherheit hervorrufen. Daher gilt es, zu ändern, was sich ändern lässt, zu akzeptieren, was sich nicht ändern lässt, und daraus neue Ziele zu entwickeln. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den eigenen Grundbedürfnissen, Werten und Kompetenzen.

Versagen ist nicht gleich zu setzen mit „Ein Versager sein“, sondern nur ein Teil unserer Lebensgeschichte. Ein konstruktiver Austausch mit anderen und ein unterstützendes Netzwerk sind unbezahlbar bei der Bewältigung der Krise.

Teil 2

In Teil 2 lesen wir, dass Lernen aus Scheitern kein Automatismus ist, sondern voraussetzt, dass wir

  • Gefühle nicht verdrängen, sondern verarbeiten
  • uns neu orientieren und klare Entscheidungen treffen
  • Vertrauen in uns selbst und andere entwickeln

Mit der Forschung von Kahnemann erklärt der Autor, wie die Verdrängung von Gefühlen unsere Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigen kann. Jeder Krisenbewältigungstyp nach Hans Lieb versucht, sich durch typische Handlungsmuster vor seinen Ängsten zu schützen.

  • der schnelle Handler vermeidet durch Handlungsorientierung seine Angst vor Kontrollverlust und Ohnmacht
  • der Nebler verliert sich in der Differenzierung und vermeidet Entscheidungen aus Angst vor Schuld und Festlegung
  • der chronische Krisler zieht von Krise zu Drama Aufmerksamkeit auf sich und vermeidet die Auseinandersetzung mit seinem Problem und Entscheidungen aus Angst vor Veränderung und Einsamkeit
  • der einsame Wolf versteckt seine Krise und löst sie aus Angst vor Scham und Abhängigkeit lieber alleine

Um im Veränderungsprozess zum Neuanfang zu kommen, können wir

  • Lehren ziehen, die Situation akzeptieren und Verantwortung übernehmen
  • eine sinngebende eigene Vision entwickeln und kongruent in Grundbedürfnissen, Werten und Stärken verankern
  • Vertrauen aufbauen und Verletzbarkeit zugeben
  • Motivation aufbauen und Ziele in positiven Emotionen verbinden

Die bewusste Entscheidung für ein Ziel ist wichtig, kam für Bert Overlack aber nicht sofort, sondern nach etlichen Erfahrungen und kleineren Projekten, die ihm stückweise das Vertrauen in sich selbst zurückbrachten. Dabei geholfen haben ihm

  • die Investition in seine Kompetenzen und Fähigkeiten
  • Vorbilder und die Auseinandersetzung mit anderen
  • Fehlertoleranz
  • Wagemut

Teil 3

Mit Charles Pépins Perspektiven des Seins und des Werdens können wir aus unserem Scheitern lernen, indem wir überlegen, welche Absichten, Gedanken, Willen und schließlich Handlungen uns zu der Person gemacht haben, die wir jetzt sind (Sein), und dann, welche Absichten, Gedanken, Willen und Handlungen wir brauchen, um die Person zu werden, die wir sein können oder sein möchten (Potenzial).

Warum scheitern wir? Als wichtigste Ursachen identifiziert der Autor:

  • Wir verfolgen Ziele, die nicht unsere sind.
  • Wir überschätzen uns selbst.
  • Wir entscheiden uns nicht.
  • Wir unterschätzen die Veränderungsdynamik.

Entscheidungen sind Wendepunkte, wobei auch eine Nicht-Entscheidung eine Entscheidung ist. Emotionen können die Entscheidungsbereitschaft blockieren, weshalb wir letztlich nicht an Umständen scheitern, sondern an uns selbst. Das heißt aber, dass wir aus unserem Scheitern lernen können.

Overlack ruft nach einem Übergang von der Fehler- zur Vertrauenskultur. Wenn wir uns bei ersten Warnzeichen öffnen, statt einsam an der Spitze unseres Unternehmens zu kämpfen, können wir Fehler vielleicht noch rechtzeitig korrigieren. Lebensläufe des Scheiterns, Fuckup-Events oder „Anonyme Insolvenzler“ können darüber hinaus auch Balsam für die Seele sein, wenn wir erkennen, dass wir mit unserem Scheitern nicht alleine sind.

Die dynamische VUCA-Arbeitswelt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) erfordert agiles Arbeiten, das auf schneller Reaktion sowie Versuch und Irrtum beruht und die Bereitschaft zum Scheitern und Neuanfang voraussetzt. Da sich Fehler nicht verhindern lassen, ist ein vertrauensvoller Umgang damit unumgänglich, insbesondere auch für den Teamerfolg.

Im letzten Kapitel diskutiert der Autor den Umgang mit dem Scheitern in Deutschland, wo Insolvenzen trotz der zahlreichen Betroffenen noch ein Tabu-Thema sind. Overlack beschreibt einige Initiativen, die emotional bzw. finanziell unterstützen oder Betroffenen eine zweite Chance geben.

Diskussion

Bert Overlack vermittelt mit seinem Buch allen Betroffenen die Botschaft „Du bist nicht alleine.“ Er berichtet authentisch von seinem eigenen Scheitern, seinen Fehlern und wie er die Krise zunächst bewältigt und dann als Neuanfang genutzt hat. Er spricht nicht nur von Krisenbewältigung, sondern auch darüber, was wir präventiv tun können, um Unheil abzuwenden oder zu mildern. Er ermutigt uns dazu, den einsamen Wolf zurückzulassen und offener mit unseren Fehlern und unserer Verletzlichkeit umzugehen. Das ist nicht nur für Unternehmer erfolgsentscheidend, sondern für alle, die im Team oder agil arbeiten. Scheitern ist eine Erfahrung, die uns, wenn wir sie gut verarbeiten und aus ihr lernen, zum Erfolg führen kann. Das Buch ist ein Appell, diese Haltung im Interesse aller zu verbreiten.

Das Buch liest sich flüssig und illustriert alle Erkenntnisse an der eigenen Story. Es enthält nicht zu viel Theorie und doch genug, um den Transfer zur eigenen Situation leisten zu können. Die Denkanstöße am Ende der Kapitel sind dafür sehr geeignete Coachingfragen.

Kritisch ist lediglich anzumerken, dass leider nicht alle im Text verwendeten Quellen angegeben sind. So finden wir beispielsweise weder die Studie von Gigerenzer und Kollegen in der Literaturliste noch die Quelle zur Anzahl von Entscheidungen, die wir täglich treffen: „Amerikanischen Wissenschaftlern zufolge …“ (S. 126f).

Das Buch ist sehr empfehlenswert für gescheiterte ebenso wie erfolgreiche Unternehmer, Führungskräfte und Berater, die sich mit Themen wie Fehlerbewältigung, Scheitern, Krise, Insolvenz und Neustart sowie idealerweise auch der Prävention beschäftigen.

Fazit

Entlang des Beispiels seiner eigenen Insolvenz und wissenschaftlicher Erkenntnisse und Modelle, zeigt Bert Overlack, wie wir mit Scheitern umgehen und was wir tun können, um durch frühzeitiges Reagieren sowie den offenen Austausch mit anderen Fehler oder äußere Krisen möglichst zu entschärfen und die Insolvenz zu verhindern. Lebendig und fundiert geschrieben enthält das Buch eine Reihe wertvoller Anregungen für Unternehmer, agile Führungskräfte und Berater sowie hilfreiche Coachingfragen zum Arbeiten an sich selbst.

Rezension von
Tatjana van de Kamp
Dipl. Kauffr., MA (Arbeits- und Organisationspsychologie)
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Es gibt 72 Rezensionen von Tatjana van de Kamp.

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Zitiervorschlag
Tatjana van de Kamp. Rezension vom 06.11.2019 zu: Bert Overlack: FuckUp. Das Scheitern von heute sind die Erfolge von morgen. Wiley-VCH Verlag (Weinheim) 2019. ISBN 978-3-527-50960-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/25236.php, Datum des Zugriffs 08.11.2024.


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