Christiane Tietz: Karl Barth
Rezensiert von Prof. Dr. Carsten Rensinghoff, 11.04.2019
Christiane Tietz: Karl Barth. Ein Leben im Widerspruch. Verlag C.H. Beck (München) 2018. 537 Seiten. ISBN 978-3-406-72523-4. 29,95 EUR.
Thema
Christiane Tietz stellt in der zur Besprechung vorliegenden Biographie Karl Barths Leben im Widerspruch dar. Es ist ein Leben gegen den theologischen Mainstream und gegen den Nationalsozialismus. Es ist ein Leben mit Ehefrau und Geliebter und es ist ein Leben im Widerspruch mit sich selbst.
Autorin
Die 1967 geborene Christiane Tietz lehrt an der Universität Zürich als Professorin Systematische Theologie. Sie ist im Beirat der Karl-Barth-Stiftung Basel und in der Jury des Karl-Barth-Preises. Die Autorin ist also eine Barth-Kennerin, eine Barthianerin.
Entstehungshintergrund
Im Epilog hält die Autorin fest, dass seit Karl Barths Tod zum Erscheinungsdatum – im Jahr 2018 – fünfzig Jahre vergangen sind. Dieses – goldene – Todesjubiläum dürfen wir somit als ein Motiv für die Entstehung dieser Publikation annehmen, auch wenn Christiane Tietz es an keiner Stelle benennt.
Aufbau
- „Ich bin Basler“: 1886–1904 (Zunftmeister, Pfarrer und Gekehrte: Die Vorfahren – Strengste Wahrheitsliebe und christliche Zucht: Die Eltern – „E großi großi Freud“: Kindheit und Jugend)
- „Dunkler Drang nach besserem Verstehen“: 1904–1909 (Entschluss zum Theologiestudium – Student in Bern – Farbentragend und nicht schlagend: In der Zofingia – „Sehr fleißig und sehr tüchtig“: Student in Berlin – Noch einmal Bern und dann Tübingen – Endlich Marburg – Mitarbeit bei der „Christlichen Welt“)
- „Die Treppe von Calvins Kanzel hinauf gestolpert“: 1909–1911 (Als Vikar in Genf – Recht Anspruchsvoll: Erster Konfirmandenunterricht – Theologe in der Gemeinde – „In so schrecklich frommer Umgebung“ – Eine Tochter aus gutem Hause: Verlobung mit Nelly Hoffmann – Abschied von Genf)
- „Der rote Pfarrer“: Safenwil 1911–1921 („Dieses Erwerbssystem muss fallen“: Arbeiter und Sozialisten – Theologische Freundschaft: Eduard Thurneysen – „Die Welt … entgöttert“: Der Erste Weltkrieg – „Ein offenes Haus“: Familienleben)
- „Ein Buch für die Mitbekümmerten“: Der erste Römerbrief, 1919 (Menschliche Religion und göttliches Wort – „Wie eine Bombe auf dem Spielplatz der Theologen“ – „Ohne Fenster gegen das Himmelreich“: Der Tambacher Vortrag)
- „Immer etwas schneller arbeiten“: Göttingen 1921-1925 (Vom Schweizer Pfarrer zum deutschen Professor – „Unvermeidlicher Unfug des akademischen Betriebs“ – „Fast kameradschaftlich“: Studenten – „Lebhafte Gefechte“: Emanuel Hirsch und andere Kollegen – Karl Barth und die Deutschen)
- „Kein Stein auf dem andern“: Der zweite Römerbrief, 1922 („Kritische Wende“ – Die Neufassung des „Römerbriefs“ – Kritiker und Bewunderer – Was ist Dialektische Theologie? – Dialektische Weggenossen: Brunner, Bultmann, Gogarten – Fünfzehn Fragen und sechzehn Antworten: Die Kontroverse mit Harnack)
- „Not des Weiterdenkens“: Münster 1925–1930 (Ein Ruf und eine folgenreiche Begegnung – Herzlich empfangen, im Streit gegangen – Im Tunnel des Semesters – Zurück nach Bern? – „Die Kirche, die Kirche, die Kirche“: Begegnung mit dem Katholizismus – Ausritte, Hausmusik und Reisen)
- „Notgemeinschaft“ zu dritt: Charlotte von Kirschbaum (Ein lang gehütetes Geheimnis – „Ich habe doch nie gewußt, dass es so etwas geben könne“ – „Ein gewisses Doppelleben“ – Zu dritt unter einem Dach)
- „Mitten in Deutschland ein Schweizer“: Bonn 1930–1935 (Arbeit an der Theologie – Die Menschlichkeit Gottes – Erste Auseinandersetzung mit den Deutschnationalen: Der Fall Günther Dehn – Gerade jetzt in der SPD: Das Jahr 1933 - Die theologische Dimension der Beziehung zu Charlotte von Kirschbaum – Angriffe auf den Schweizer – Gegen den „deutschen Gruß“ – Bruch mit den dialektischen Weggenossen – Die Barmer Theologische Erklärung – Suspendierung, Redeverbot, Entlassung)
- „Wir, die wir noch reden können“: Basel 1935–1945 (Das Leben geht weiter: Professor in Basel – Internationale Ehrungen und Unverständnis – Kampf für die Bekennende Kirche – Anti-Appeasement: Aufruf an die Tschechen zum Widerstand – Die politische Verantwortung der Christen – Kirchenkampf und Flüchtlingshilfe – Der Krieg beginnt, die Ökumene schweigt – Intrigen und Trauer in der Familie – Aufruf zum militärischen Widerstand und die Schweizer Zensur – Ein Freund der Deutschen trotzdem)
- „In politischer Hinsicht ein bedenkliches Irrlicht“: Basel 1945–1962 (Kriegsende und Schulderklärung – Zurück in Bonn und noch einmal Staat und Kirche – „Gottes geliebte Ostzone“: Gegen den Antikommunismus – Also doch Pazifist? Protest gegen die Wiederbewaffnung und Atomrüstung – Ja zur Ökumene, aber ohne Katholiken – Der Meister mit der krumpeligen Krawatte – Die Entdeckung des Optimismus im Gefängnis – Mut, Tempo, Reinheit, Friede: Bekenntnis zu Mozart – Kinder, Enkel und ein abgelehnter Wunschnachfolger)
- „Weißer Wal“: Die Kirchliche Dogmatik („Spiralenförmige Gedankengänge“: Barths Monumentalwerk – Die dreifache Gestalt des Wortes Gottes – „Gott ist“ heißt „Gott liebt“ – Wen Gott erwählt – Was Gott gebietet – Warum Gott die Schöpfung will – Das Nichtige und die Schattenseiten der Schöpfung – Drei Ämter Christi und drei Gestalten der Sünde – Das Licht leuchtet, wo es will – Wassertaufe und Geisttaufe)
- „Alles in allem ein bisschen müde“: Die letzten Jahre, Basel 1962–1968 („Fantastic“: Ein Calvinist in den USA – „Lebensregeln für ältere Menschen im Verhältnis zu Jüngeren“ – „Wie tief verschleiert“ Charlotte von Kirschbaum muss ausziehen – „Getrennte Brüder“: Im Gespräch mit Rom – Späte Freundschaft mit Carl Zuckmeyer – Unvollendetes Mammutwerk – Am Ende des Lebensweges)
Inhalt
Am 10. Mai 1886 wurde der Protagonist dieser Publikation um 12 Uhr in Basel geboren. Karl Barth hatte zwei Brüder und zwei Schwestern: Peter Barth lebte von 1888 bis 1940 und war Pfarrer in der Schweiz. Heinrich Barth lebte von 1890 bis 1965. Er erkrankte in den ersten Lebensmonaten an Kinderlähmung und war von 1928 1960 Professor für Philosophie an der Universität Basel. Katharina Barth wurde 1893 geboren. Mit sechs Jahren starb sie an Diphterie. Von 1896 bis 1979 lebte die studierte Juristin Gertrud Barth.
Das Motiv für Karl Barths Theologiestudium lag im Konfirmandenunterricht, in den Jahren 1901/02. Im Studium der evangelischen Theologie, das Karl Barth im Herbst 1904 in Bern begonnen hatte, war er begeistert von der historisch-kritischen Methode und der liberalen Theologie. „An der Berner Theologischen Fakultät unterrichteten damals etliche Schüler herausragender Gelehrter der liberalen Theologie, die mit mutigen Thesen bisherige Überzeugungen umgestoßen haben“ (S. 40). Karl Barth besuchte u.a. Veranstaltungen bei seinem Vater Friedrich Barth, der von 1856 bis 1912 lebte und 1895 als ordentlicher Professor an der Universität Basel arbeitete. Mit der Note 1 bestand Karl Barth 1906 in Bern das kirchliche Propädeuticum. Vom Wintersemester 1906/07 an setzte er seine Studien in Berlin fort. In Berlin war der Kirchenhistoriker und liberale Theologe Adolf von Harnack ein bedeutender Lehrer Karl Barths. Bei Harnack lernte er, dass er bei der Textanalyse immer wieder nach der Meinung des Autors fragen müsse. Im Sommersemester 1907 ging Karl Barth wieder an die Berner Universität zurück. In diesem Semester engagierte er sich als Präsident der Studentenverbindung Zofingia. „Ernsthaft studiert hat er nach eigenem Bekunden in diesem Semester kaum“ (S. 51). Im Wintersemester 1907/08 wechselte Karl Barth nach Tübingen. Hier verfasste er v.a. seine Examensarbeit zu: Die Vorstellung von Descensus Christi ad inferos in der kirchlichen Literatur bis Origines. Im Sommersemester 1908 studierte Karl Barth in Marburg. In Marburg verehrte er Wilhelm Herrmann, den er mit allen Poren in sich aufgenommen hat. Nach Abschluss des Studiums arbeitete Karl Barth bei Martin Rade als Redaktionsgehilfe der Zeitschrift „Die Christliche Welt“, der seinerzeit wichtigsten Zeitschrift des liberalen Protestantismus‘ in Deutschland. Auf dieser Stelle konnte Karl Barth „vor dem Übergang in ein praktisches Amt noch ein wenig examensfreie Luft atmen“ (S. 58).
Im September 1909 wurde Karl Barth Hilfsprediger in der Genfer Deutschen reformierten Gemeinde. In Genf befasste er sich intensiv mit Calvins Institution Christianae Religionis. Der Konfirmandenunterricht, den Karl Barth in Genf erteilte, war anspruchsvoll. In der Schlussstunde des ersten Kurses 1909/10 hatte Barth den Mut, seine Konfirmanden zu fragen, ob sie denn den Unterricht verstanden hätten. Als Theologe der Gemeinde verfasste Karl Barth viele kleinere Beiträge für das Gemeindeblatt, „zum Teil lebensnah und realistisch, zum Teil theologisch anspruchsvoll“. Wilhelm Herrmanns Vorschlag, in Marburg zu Schleiermachers Verständnis des Gebets eine Doktorarbeit zu schreiben, folgte Karl Barth nicht. 1911 verlobten sich Karl Barth und die achtzehnjährige Nelly Hoffmann. 1913 fand die kirchliche Trauung in Bern statt. Am 13. April 1914 wurde Franziska Nelly, am 6. Oktober 1915 Karl Markus, am 29. September 1917 Christoph Friedrich, am 17. April 1921 Robert Matthias und am 6. April 1925 Johann Jakob geboren.
1911 wurde Karl Barth Pfarrer in der Kirchengemeinde Safenwil im Aargau. In Safenwil beschäftigte sich Karl Bart v.a. mit dem Klassengegensatz, den er in seiner Gemeinde konkret vor Augen hatte. Sein Studium richtete sich u.a. auf Fabrikgesetzgebung, Versicherungswesen, Gewerkschaftskunde. Beim örtlichen Arbeiterverein hielt er einen Vortrag über Jesus Christus und die soziale Bewegung. Neben diesem Engagement betätigte sich Karl Barth im Blaukreuzverein, einem Verein, der der Alkoholsucht durch konsequente Abstinenz entgegentritt.
1919 widmete sich Karl Barth dem ersten Römerbrief. Er versuchte dieses Dokument des Apostels Paulus so auszulegen, dass seine Einsichten der letzten Jahre in der Unterscheidung zwischen Gott und Welt fortgeführt werden. Er hat diesen biblischen Text mit ganz verschiedenen Brillen gelesen und dieses dann auch ungeniert kenntlich gemacht. „Barth benutzt kräftige, plakative Formulierungen und stellt sie kontrastreich und unruhig gegeneinander. Er wollte provozieren und aufrütteln (und das finde ich in der Gegenwart sehr sympathisch – CR). Vom Menschen erhoffte er kaum noch etwas. Er wollte Gott in den Blick heben“ (S. 102). Karl Barths Römerbrief schlug wie die Bombe auf dem Spielplatz der Theologen ein, wie der katholische Dogmatiker Karl Adam wenige Jahre nach Erscheinen des Buches beurteilte. Bei den jüngeren Theologen bildeten sich so genannte Barth-Gemeinden. Auf einer Tagung der Deutschen religiös-sozialen Vereinigung hielt Barth einen Vortrag zu: Der Christ in der Gesellschaft. Hierin entwickelte er einen Gedanken aus dem Kommentar zum Römerbrief weiter. „Zum ersten Mal begegnen jetzt ausführlich die Begriffe, die zur Bezeichnung von Barths neuem Ansatz als ‚Dialektische Theologie‘ führen sollten“ (S. 110).
Nach einer zwölfjährigen Tätigkeit als Pfarrer ereilte Karl Barth 1921 der Ruf auf eine Honorarprofessur für Reformierte Systematische Theologie nach Göttingen. Statt einer Probevorlesung hielt Karl Barth eine Probepredigt. „Man hielt die Predigt für ‚sorgfältig ausgearbeitet‘, ‚gedankenreich‘ und Barths Predigtstil für ‚angemessen, herzgewinnend‘, wenn auch für die meisten Hörer zu anspruchsvoll. Insgesamt befand man ihn als ‚geeignet … zur Berufung“ (S. 114). Barth wurde ohne Promotion bzw. Habilitation berufen. Die Vorlesungen befassten sich schwerpunktmäßig mit der reformierten Theologie. So verglich er beispielsweise die drei großen Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin. Zu seinen Studierenden pflegte Professor Karl Barth ein kameradschaftliches Verhältnis. Er lud sie regelmäßig zu offenen Abenden bei sich daheim ein. Diese Treffen fanden immer zu einem bestimmten Oberthema statt, „zum Beispiel moderne Literatur oder politische Autobiographien, aber auch theologischen Fragen“ (S. 125). 1925 endete Karl Barths Zeit in Göttingen. Die Fortsetzung seines beruflichen Weges erfolgte ab Juli 1925 in Münster als Professor für Dogmatik und neutestamentliche Exegese. Vorher hatte er 1922 in Münster bereits den theologischen Ehrendoktor, „‘wegen seiner mannigfachen Beiträge zur Revision der religiösen und theologischen Fragestellung‘“ (S. 164) verliehen bekommen.
Vor der Münsteraner Zeit und auch vor der Göttinger Zeit „kam es zu einer neuerlichen ‚Wendung‘ in seinem theologischen Denken“ (S. 133). Es handelt sich hier um die Neufassung es Römerbriefs, den zweiten Römerbrief. „Barth greift in seinem Vorwort […] den Vorwurf auf, in der ersten Fassung habe er gar nicht die biblischen Texte ausgelegt, sondern vielmehr sein eigenes theologisches System auf die Texte angewandt“ (S. 141). Die Erscheinung der Neubearbeitung des Römerbries fiel 1922 in die Zeit der Professur in Göttingen.
Als Karl Barth, von Münster aus, nach einem Familienurlaub auf Baltrum einige Tage allein in der Schweiz Urlaub machte verliebte er sich in – die 1899 geborene – Charlotte von Kirschbaum, die seine Mitarbeiterin und dem verheirateten Karl Barth eine lebenslängliche Lebensabschnittsgefährtin wurde. Ab 1929 ist die Geliebte bei den Barths eingezogen. In die Münsteraner Zeit fiel 1927 die Veröffentlichung des ersten Bandes der christlichen Dogmatik im Entwurf: Die Lehre vom Worte Gottes. Prolegomena zur christlichen Dogmatik. 1927 nahm Barth eine Dogmatik-Professur in Bern an. Zwei Jahre später wurde er auf die Professur für Systematische Theologie nach Bonn berufen.
Die wohl glücklichsten und zufriedensten Jahre verbrachte Karl Barth von 1930 bis 1935 in Bonn. Seine Lehrveranstaltungen wurden von vielen Studierenden besucht. Der damalige Berliner Privatdozent Dietrich Bonhoeffer hielt sich 1931 drei Wochen in Bonn auf, besuchte einige Veranstaltungen von Barth und hatte auch privaten Kontakt zu ihm. 1931 trat Karl Barth, aufgrund der politischen Entwicklung, in die SPD ein. Neben der politischen Krise haderte Karl Barth 1933 damit sich von Nelly scheiden zu lassen, um dann nicht mehr eine Notgemeinschaft zu dritt zu führen. Karl Barth widersetzte sich seine Vorlesungen mit dem deutschen Gruß zu beginnen. Gewöhnlich hat er seine Vorlesungen mit einer kurzen Andacht begonnen. Karl Barth hatte bis in die 1960er Jahre eigene Erläuterungen zur Barmer Theologischen Erklärung vorgelegt. 1934 war die Barmer Theologische Erklärung das Programm der Bekennenden Kirche. 1935 wurde Karl Barth aufgrund „einiger politisch bedenklicher Äußerungen, wegen Verweigerung der Leistung des Deutschen Grußes in der Vorlesung an der Universität und wegen seiner für einen deutschen Beamten und Jugenderzieher nicht tragbaren Ablehnung des neuen Staates entlassen“ (S. 265). Nach Basel erhielt Barth einen Ruf für Systematische Theologie und Homiletik.
Zunächst war Karl Barth außerordentlicher und drei Jahre später ordentlicher Professor an der Theologischen Fakultät in Basel. Von Basel aus blieb er der Bekennenden Kirche verbunden. Ein Brief Karl Barths an Josef L. Hromádka, den die deutschsprachige Presse veröffentlichte, führte zum Entzug der Ehrendoktorwürde an der Universität Münster und zum Verbot des Verkaufs seiner Bücher. Karl Barth schreibt dem Christen eine politische Verantwortung zu. Sein diesbezügliches Engagement richtete sich auf Flüchtlinge, welche vor dem nationalsozialistischen Terror flohen. Die Autorin berichtet von persönlichen Einschnitten, die auf Karl Barth eintrafen, wie z.B. 1940 der Tod des Bruders Peter nach einer schweren Krankheit oder 1941 der Tod seines Sohnes Matthias auf einer Bergtour. 1940 meldet sich Karl Barth freiwillig zum Militärdienst. Er wünschte ausdrücklich, „‘dem bewaffneten Hilfsdienst zugeteilt zu werden: mit Verpflichtung für den Kriegsfall‘“ (S. 304 f.).
Nach dem zweiten Weltkrieg hatte Karl Barth 1946 und 1947 eine Gastprofessur an der Universität Bonn. Um sieben Uhr hielt er die Vorlesung „Dogmatik im Grundriß“. Karl Barth hatte eine gewisse Sympathie für den Kommunismus. „Dem Kommunismus solle man als Christ nicht pauschal Widerstand entgegensetzen“ (S. 338). Der Gastprofessur in Bonn folgte bis zur Emeritierung im Jahre 1962 die ausschließliche Lehre in Basel. Von 1954 bis 1964 betrieb Karl Barth Gefängnisseelsorge in der Basler Strafanstalt. Er hatte ein Faible für Mozart. „Er hörte ‚seit Jahren und Jahren jeden Morgen zunächst Mozart‘ und wandte sich dann erst der Dogmatik zu“ (S. 361).
Das vorletzte Kapitel dieser Biographie widmet Tietz Karl Barths Monumentalwerk, der zwölfbändigen Kirchlichen Dogmatik. In der Kirchlichen Dogmatik (KD) entwickelt Karl Barth spiralenförmige Gedankengänge, die er auf etwa 9000 eng bedruckten Seiten zusammenschrieb. Dieses Werk blieb allerdings unvollendet. „‘Zu grösseren Werken z.B. zu [KD] IV,4, um von der Eschatologie [KD V] nicht zu reden, komme ich wohl rebus sic santibus ohne besonderen afflatus Spiritus [Anhauch des Geistes] nicht mehr‘“ (S. 400).
Zusammen mit Charlotte von Kirschbaum und seinem Sohn Christoph reiste Karl Barth 1962 in die USA. Barths Sohn Markus war Professor in Chicago. In den USA hielt Karl Barth an verschiedenen Orten Vorträge und traf viele wichtige Theologen, wie Reinhold Niebuhr und Paul Tillich. Im April 1963 wurde Karl Barth in Kopenhagen für wichtige Beiträge zur europäischen Kultur der dänische Sonning-Preis verliefen. Im November 1963 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Pariser Sorbonne. Ab 1964 verzeichnete Karl Barth gesundheitliche Einbußen. Er erkrankte an der Prostata und erlitt einen kleinen Schlaganfall. Am 10. Dezember 1968 ist Karl Barth gestorben.
Fazit
Im Januar 2019 machte mich mein theologischer Freund Diplomtheologe Andreas Watermann auf die besprochene Publikation aufmerksam. Er meinte das es eine neue Biographie zu Karl Barth gäbe und fragte nach, ob ich sie nicht besprechen wollte. Ich bat mir eine gewisse Bedenkzeit aus, da ich, obwohl ich Autobiographien und Biographien allgemein sehr gerne lese, zur Zeit der Anfrage etwas gelangweilt war von Wolfgang Niedeckens (2012) Autobiographie, obwohl ich die Gruppe BAP, deren Frontmann Wolfgang Niedecken ist, besonders zur Karnevalszeit grandios finde. Nach der Bedenkzeit sagte ich aber zu und legte den Niedecken zur Seite. Und dieses Resultat war ein sehr gutes. Ich konnte die Lektüre der Biographie von Karl Barth immer nur sehr schwer unterbrechen. Viel zu gespannt war ich auf das nun Kommende. Es hat sich also gelohnt. Sehr gerne habe ich dieses lesenswerte Buch besprochen. Ich wünsche ihm eine große Leserschaft!
Literatur
Niedecken, Wolfgang, zusammen mit Kobold Oliver: Für’ne Moment. Autobiographie, 2. Aufl. München2012
Rezension von
Prof. Dr. Carsten Rensinghoff
Hochschullehrer für Heilpädagogik und Inklusive Pädagogik an der DIPLOMA Hochschule
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Es gibt 181 Rezensionen von Carsten Rensinghoff.
Zitiervorschlag
Carsten Rensinghoff. Rezension vom 11.04.2019 zu:
Christiane Tietz: Karl Barth. Ein Leben im Widerspruch. Verlag C.H. Beck
(München) 2018.
ISBN 978-3-406-72523-4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/25369.php, Datum des Zugriffs 07.12.2024.
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