Helmut Bachmaier (Hrsg.): Erfahrungswissen und Lebensplanung
Rezensiert von Prof. Dr. habil. Gisela Thiele, 18.03.2019

Helmut Bachmaier (Hrsg.): Erfahrungswissen und Lebensplanung. Spätberufliche Qualifikationen und Aktivitäten. Wallstein Verlag (Göttingen) 2019. 142 Seiten. ISBN 978-3-8353-0169-6. D: 14,90 EUR, A: 15,40 EUR, CH: 26,90 sFr.
Thema
Das Handbuch „Erfahrungswissen und Lebensplanung“ ist eine Einführung in pädagogische Lern- und Unternehmensformate, um den Herausforderungen des sozialen Wandels begegnen zu können.
Autor
Helmut Bachmaier ist Professor an der Universität Konstanz an der Geisteswissenschaftlichen Sektion. Neben anderen Forschungsschwerpunkten gilt sein Interesse der Kulturgerontologie, einer kulturwissenschaftlich ausgerichteten Altersforschung.
Aufbau
Neben einer Einleitung ist das Buch in elf Kapitel von verschiedenen Autoren unterschiedlicher, meist geringer Länge, gegliedert. Es folgt ein Anhang mit den Autoren und Autorinnen des Buches.
Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
Inhalt
In der Einleitung vom Herausgeber des Buches wird auf das zukünftige Ansteigen des Pensionsalters auf 72 oder gar 76 Jahre verwiesen. Deshalb werde die jüngere Generation eine längere Berufskarriere haben, sie müsse ihre Biographie ständig neu erfinden und gestalten und sich auf lebenslanges Lernen einstellen. Danach werden die Besonderheiten des Erfahrungswissens herausgearbeitet, das sich vom Verfügungs- und Orientierungswissen unterscheide.
Bernadette Höller berichtet in Kapitel zwei vom „Erfahrungswissen in der Neustarter- Stiftung“, die das Ziel verfolgt, Menschen ab 49 Jahren und weit darüber hinaus für den beruflichen Neustart zu inspirieren und zu ermutigen.
Mit „Älter werden – aktiv bleiben – Erfahrung weitergeben: Herausforderungen in einer Gesellschaft des langen Lebens“ sind die Ausführungen von Ursula Lehr überschrieben. Am Älterwerden könne niemand etwas ändern, aber die Umstände wie wir altern seien uns gegeben. Den Jahren Leben zu geben heiße, eine Aufgabe zu haben für sich selbst und für andere – also Bildung und Handeln statt Betreuung (S. 17). Sie resümiert: wir sollten uns über die zunehmende Langlebigkeit freuen, es sollten aber erfüllte Jahre werden.
„Der Wert des Erfahrungswissens“ nimmt Ruedi Winkler in den Blick. Letzteres zeige sich, wenn in verschiedenen, auch in völlig neuen Situationen, sachgerecht und souverän gehandelt werden könne. Deshalb würde ein Unternehmen die größten Gewinne erzielen, wenn die Träger des neuen theoretischen Wissens mit jenen, die Erfahrungswissen haben, effizient und vertrauensvoll zusammen arbeiten würden.
Bernd Schips ist der Autor des folgenden Kapitels „Ökonomische Aspekte einer (Weiter-) Beschäftigung älterer Erwerbspersonen“. Er arbeitet heraus, dass nicht die Arbeitsplätze, sondern die Arbeitskräfte weniger würden, was heiße, dass viele Unternehmen noch immer besser qualifizierte, junge Arbeitskräfte einstellten und somit die Frühpensionierungen ihrer Mitarbeiter beförderten, anstatt die leistungswilligsten Älteren zu pflegen und zu nutzen (S. 49 ff). Viele Fehler würden auch politisch verursacht werden, denn es gäbe in der Schweiz noch ein weit verbreitetes Unverständnis, das Rentenalter heraufzusetzen. Der Vorschlag vom Autor lautet: das gesetzliche Rentenalter sollte nur noch als Referenzgröße für die Berechnung der Rentenleistungen dienen, so dass die Wahl des Zeitpunktes für den vollständigen oder teilweisen Rückzug aus dem Erwerbsleben eine freie Entscheidung jedes Einzelnen sein sollte (S. 57).
Das fünfte Kapitel von Martin Spieler ist dem Thema „Ältere Mitarbeiter sind Chancen für die Unternehmen“ gewidmet. Ältere seien Know-how-Träger mit einem wertvollen, über viele Jahre hinweg aufgebauten Beziehungsnetz, verfügten über einen hohen Leistungswillen, eine meist bessere emotionale Stabilität und nicht zuletzt über eine hohe Loyalität. Insofern müssten Firmen künftig bereit sein, vermehrt flexible Arbeitsmodelle für die ältere Generation anzubieten.
Jörg Wiler behauptet, dass „Gefragte ältere Mitarbeiter – ein Erfordernis der Zukunft“ seien. Die Vorteile des umsichtigen und strategischen Arbeitens Älterer würden in der Regel ausreichen, um die Nachteile in Grundfunktionen, insbesondere in der Geschwindigkeit, auszugleichen. In den folgenden Ausführungen schlägt Wiler einige Förderungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer vor und entwickelt strategische Überlegungen zu deren konkreten Umsetzung.
Elisabeth Michel-Alder überschreibt den Titel ihres Kapitels mit „Schlaue Silberfüchse im beruflichen Dschungel“. Sie setzt sich mit der Tatsache auseinander, dass es für über 60 -jährige praktisch keinen Arbeitsmarkt gäbe, auch dann nicht, wenn sie gesund, motiviert und kompetent seien und fordert deshalb das Personalmanagement auf, offensive Möglichkeiten für Tätigkeiten Älterer zu schaffen. Interessant sind ihre Ausführungen zu künftigen neuen Lebensmustern: vier statt drei Phasen (S. 81 ff).
Das letzte Kapitel von Francois Höpflinger setzt sich mit der „Lebensgestaltung und Lebenszeitmodellen im Wandel – Trends und Perspektiven“ auseinander. Infolge der Individualisierung, Pluralisierung und der Dynamisierung von Lebens- und Berufsverläufen ergäben sich für den Einzelnen sowohl mehr Wahlmöglichkeiten als auch mehr Unsicherheiten und Risiken. Im Folgenden führt er die einzelnen Lebensphasen auf und beschreibt akribisch deren Veränderungen und die Anforderungen an die Zukunft. Sein Resümee: „Neue Zeitmodelle – welche in jeder Lebensphase verschiedene, untereinander austauschbare Tätigkeitsformen vorsehen – führten dazu, dass die Grenzen zwischen bezahlter Arbeitszeit, diversen Formen unbezahlter Arbeitstätigkeiten und freier Zeit fließend werden (und auch damit ergibt sich eine verstärkte Flexibilisierung zwischen Erwerbs- und Rentenalter)“ (S. 104).
Fazit
Eine lohnenswerte, weil kurze und präzise Lektüre, die dazu einlädt, in anderen, nicht festen Schemata, zu denken. Die Zukunft der europäischen ökonomischen und sozialen Sicherung liegt in notwendigen Veränderungen der Arbeitnehmer und der Unternehmen.
Rezension von
Prof. Dr. habil. Gisela Thiele
Hochschule Zittau/Görlitz (FH)
Berufungsgebiete Soziologie, Empirische
Sozialforschung und Gerontologie
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Zitiervorschlag
Gisela Thiele. Rezension vom 18.03.2019 zu:
Helmut Bachmaier (Hrsg.): Erfahrungswissen und Lebensplanung. Spätberufliche Qualifikationen und Aktivitäten. Wallstein Verlag
(Göttingen) 2019.
ISBN 978-3-8353-0169-6.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/25417.php, Datum des Zugriffs 24.03.2023.
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