Daniela Blickhan: Positive Psychologie
Rezensiert von Elisabeth Vanderheiden, 26.08.2020

Daniela Blickhan: Positive Psychologie - ein Handbuch für die Praxis.
Junfermann Verlag GmbH
(Paderborn) 2018.
2., überarbeitete Auflage.
424 Seiten.
ISBN 978-3-95571-832-9.
D: 42,00 EUR,
A: 43,20 EUR.
Reihe: Fachbuch.
Thema
Die Positive Psychologie widmet sich der Erforschung der Faktoren eines erfüllten und gelingenden Lebens. Sie erforscht, wie Menschen ihre Stärken entwickeln und sich selbst, ihr Umfeld und die Gesellschaft als Ganzes weiterentwickeln können.
Die Interventionen der Positiven Psychologie zieElen darauf ab, positive Emotionen, Lebenszufriedenheit und Leistungsfähigkeit zu fördern. Daniela Blickhan bietet in ihrem Buch einen umfassenden Überblick über Themen, Konzepte und Interventionen der Positiven Psychologie in der ersten und zweiten Welle und ihre Anwendung in Coaching und Persönlichkeitsentwicklung.
Für die 2., überarbeitete Auflage hat die Autorin u.a. neue Forschungsergebnisse einbezogen und die Vielschichtigkeit des zentralen Konzepts des Flourishing noch stärker herausgearbeitet.
Autorin
Dr. Daniela Blickhan ist Diplom-Psychologin, Coach und Trainerin.
Aufbau
Das 424 Seiten starke Buch umfasst neben einem umfangreichen Anhang 14 Kapitel:
- Psychologie und Positive Psychologie
- Wohlbefinden und Flourishing
- Positive Emotionen
- Persönliche Stärken
- Motivation, Grundbedürfnisse und Selbstbestimmung
- Flow und Achtsamkeit
- Ziele
- Positive Einstellung
- Selbstwert und Selbstmitgefühl
- Positive Kommunikation
- Psychosmatik: Positive Psychologie und der Körper
- Lebensqualität und Sinn
- Interventionen
- Positive Psychologie 2.0.
Inhalt
Blickhans Buch bietet einen fundierten Überblick über Geschichte, Ansätze, Schwerpunkte und Konzepte und Interventionen der Positiven Psychologie und ihre vielfältigen Anwendungsgebiete.
Exemplarisch sollen hier zwei Kapitel genauer beleuchtet werden:
- Kapitel 12 Lebensqualität und Sinn und
- Kapitel 14 Positive Psychologie 2.0.
In Kapitel 12 setzt die Autorin sechs Schwerpunkte:
- Was ist Lebensqualität?
- Was ist Sinn?
- Wie wir Sinn finden können?
- Sinn in der Logotherapie
- Sinn als ideales Leben
- Sinn in der Arbeit: Job, Karriere oder Berufung.
Die Autorin erläutert zunächst den Begriff Lebensqualität und nimmt dabei insbesondere Bezug auf ein Modell von Michael Frisch – Quality of life bzw. CASIO-Modell der Lebensqualität aus den 90iger Jahren. Sie illustriert, wie dieses Modell am Beispiel Arbeit im Coaching mit Klient*innen eingesetzt werden könnte. Der zweite Abschnitt dieses Kapitels ist dem Thema Sinn aus der Perspektive der Positiven Psychologie gewidmet, wobei sie insbesondere auf die Arbeiten von Paul Wong Bezug nimmt, der in Bezug auf positive menschliche Entwicklung zwischen dem Erleben positiver Gefühle (hedonic happiness) und zwischen der Erfüllung und Sinnhaftigkeit unterscheidet (eudaimonic happiness) (306).
Sie nimmt auf die Ursprünge der Diskussion im nordamerikanischen Sprachraum Bezug und klärt zunächst die relativen Begriffe:
- Meaning: eher vergangenheitsorientiert im Sinne von Bedeutung und Ursachenzuschreibung
- Purpose: eher zukunftsorientriert und im Sinne einer Bestimmung oder Berufung Sense of meaning.: als Sinn oder Bewußtsein für den Sinn.
- Gelingen
- Fairness und Respekt
- Beziehungen
- Nähe
- Selbstakzeptanz
- Selbsttranszendenz
- Spiritualität bzw. Religion (307 f.).
Auf die Frage, wo Menschen Sinn finden, nimmt sie Bezug auf verschiedene Autoren, u.a. Wong, der als relevante Kategorien herausarbeitete:
Die Autorin geht im Anschluss sehr kurz auf die kognitiven, emotionalen und verhaltensbezogenen Aspekte von Sinnerleben ein, um sich sodann der Fragen zu widmen, wie Sinnfindung erfolgen kann. Dazu führt sie das Meaning-Making-Modell von Park und George ein, dass eine Unterscheidung vornimmt zwischen
- der globalen Sinnebene, die aus allgemeinen Überzeugungen besteht, persönlichen langfristigen Zielen und dem generellen Sinnerleben sowie
- der situativen Sinnebene, die sich auf konkrete Erfahrungen in spezifischen Situationen bezieht (309).
Sind Menschen mit belastenden Erfahrungen konfrontiert, nehmen sie eine unmittelbare Bedeutungszuschreibung vor. Es können sich Widersprüche zwischen den aktuellen Bewertungen und der globalen Sinnebene ergeben, dann beginnt der Prozess der Sinnfindung (310) mit dem Ziel, entweder die aktuelle Sinngebung zu verändern – Assimilation – oder Anpassungen auf der globalen Sinnebene vorzunehmen – Akkomodation.
Im nächsten Schritt grenzt sie diese belastenden Erfahrungen von Traumata ab, die sich von ihnen insofern unterscheiden, als dass Traumata „eine massive Erschütterung in der globalen Sinnebene“ darstellen und „das eigene Selbst- und Weltbild generell“ in Frage stellen (311). Sie führt Paul Wongs Big-Picture-Fragen ein, die helfen können, auf verschiedenen Ebenen neue Perspektiven für das Sinnerleben zu gewinnen.
Im Anschluss beleuchtet die Autorin kurz (zwei Seiten) Viktor Frankls Konzept der Logotherapie und das hier beschriebene Sinnkonzept, um sich dann wieder ausführlicher Paul Wong zuzuwenden, dessen Sinnkonzept auf der Logotherapie fußt. Nach Wongschem Verständnis „stellt Sinn eine einzigartige menschliche Möglichkeit dar, Negatives in Positives zu transformieren“ und so „Leiden zu heilen und neuem Leiden vorzubeugen“ (316). Vor diesem Hintergrund entwickelte Wong sein PURE-Modell
- Purpose – Bestimmung
- Understanding – Verständnis
- Responsibility – Verantwortung
- Enjoyment & Evaluation – Freude & Reflexion.
Abschließend wird das Thema Sinnfindung am Bespiel des Themas Arbeit noch einmal genauer beleuchtet und mit einer Übung unterstützt.
Kapitel 14 widmet sich der zweiten Welle der Positiven Psychologie. Ein Hauptkritikpunkt bezüglich der Positiven Psychologie bezieht sich stets darauf, dass sie alles Negative ausblende. Das hat insbesondere Paul Wong inspiriert, explizit in die Positive Psychologie auch negative Lebenserfahrungen, Emotionen etc. einzubeziehen, was als Positive Psychologie 2.0 bezeichnet wird. Blickhan führt in Wongs Taxonomie der Positive Psychologie ein und nimmt auch Bezug auf die Arbeiten von Todd Kasdan und Robert Biswas-Diener.
Sie nimmt in diesem Kapitel auch die Kritik an der Positiven Psychologie auf, die sich z.B. darauf bezieht, dass sie an sich keine neuen Konzepte und Ansätze formuliere, dass sie in übertriebener Weise das Positive betone, dass sie zur sehr eine Wissenschaft für „reiche weiße Menschen“ sei (354), zu individual- und zu wenig gemeinschafts- und sozialorientiert sei. Abschließend bietet sie noch einen Überblick über wichtige wissenschaftliche Untersuchungen zur Positiven Psychologie und rundet das Kapitel mit einem kurzen Ausblick ab, indem sie etwa auf aktuelle Forschungsfelder verweist.
Fazit
Daniela Blickhans Buch ist ein wichtiges und lesenswertes Grundlagenwerk zur Positiven Psychologie 1.0 und 2.0. Für die 2. Auflage wurden umfangreiche Aktualisierungen vorgenommen, sodass diese Publikation in der Tat ihren Anspruch einlöst „einen umfassenden Überblick über Themen, Konzepte und Interventionen der Positiven Psychologie“ zu bieten. Es ist kenntnisreich geschrieben, anschaulich umgesetzt mit vielen Charts und Schaubildern. Wünschenswert für eine weitere Neuauflage wäre die Einbeziehung der vielfältigen kulturell diversen Stimmen der Positiven Psychologie, die sich inzwischen auf fast allen Kontinenten etabliert hat.
Rezension von
Elisabeth Vanderheiden
Pädagogin, Germanistin, Mediatorin; Geschäftsführerin der Katholischen Erwachsenenbildung Rheinland-Pfalz, Leitung zahlreicher Projekte im Kontext von beruflicher Qualifizierung, allgemeiner und politischer Bildung; Herausgeberin zahlreicher Publikationen zu Gender-Fragen und Qualifizierung pädagogischen Personals, Medienpädagogik und aktuellen Themen der allgemeinen berufliche und politischen Bildung
Mailformular
Es gibt 184 Rezensionen von Elisabeth Vanderheiden.