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Gerhard Friedrich, Andrea Bordihn: Komm, lass uns Fröbel neu entdecken

Rezensiert von Lorena Rautenberg, 06.12.2019

Cover Gerhard Friedrich, Andrea Bordihn: Komm, lass uns Fröbel neu entdecken ISBN 978-3-451-38017-4

Gerhard Friedrich, Andrea Bordihn: Komm, lass uns Fröbel neu entdecken. Ein Aktionsbuch: Spielen, Flechten, Falten und vieles mehr. Herder (Freiburg, Basel, Wien) 2019. 144 Seiten. ISBN 978-3-451-38017-4. D: 20,00 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 27,90 sFr.

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Thema

Friedrich Fröbel als wegweisender Pädagoge des 18. und 19. Jahrhunderts ist auch in den heutigen Kindergärten direkt oder indirekt weiter präsent. In diesem Buch geht es jedoch nicht um eine wissenschaftshistorische Untersuchung, sondern konkret darum, die ganz praktischen Handreichungen Fröbels – die Spielgaben, Beschäftigungsidee, Lieder und Verse und Spielideen – in die heutige Zeit zu übersetzen. Herausgelöst aus dem theologischen, philosophischen und kindheitsbezogenen Kontext Fröbels und den soziokulturellen Prägungen seines Zeitalters geht es darum, seine praxisrelevanten Ideen aufzugreifen und sie (für die heutige Zeit) methodisch und didaktisch weiterzuführen.

Entstanden ist ein Aktionsbuch, das das Spielen mit Fröbels Ideen neu inspirieren und weiterführen möchte. Dabei geht es vor allem auch um die Erfahrung der Ganzheitlichkeit – das Zusammenbringen des Kindes und der Sache gemäß des kindlichen Spieltriebs und seines Bewegungsdrangs, der kindlichen Emotionen und Fantasien.

Autor*innen

  • Dr. habil. Gerhard Friedrich ist Diplom Pädagoge und Privatdozent für Allgemeine Didaktik an der Universität Bielefeld. Er unterrichtete als Lehrer die Fächer Mathematik, Technik, Pädagogik und Psychologie. Außerdem ist er Buch- und Spieleautor.
  • Andrea Bordihn ist staatlich anerkannte Erzieherin und langjährige Leiterin eines Kindergartens und ebenfalls Buch- und Spieleautorin.

Aufbau

Das Buch gliedert sich nach dem Vorwort in 8 Kapitel.

  1. Frisch an Fröbel!
    Drei Tipps für Fröbel im Alltag
  2. Fröbel auf einen Blick
  3. Fröbels Material: Die Spielgaben
    Der Ball – Die erste Spielgabe
    Kugel, Würfel, Walze – Die zweite Spielgabe
    Bausteine – Die dritte bis sechste Spielgabe
    Weiter geht’s – vom Erspielen zum Erfinden
  4. Fröbels Handlungsideen: Die Beschäftigungsmittel
    Das Falten
    Das Flechten und Weben
    Das Verschnüren
    Das Legematerial
    Die Tonarbeiten
    Das Ausstechen oder Prickeln
  5. Mit Fröbel bewegen: Bewegungsspiele
    Lust auf Bewegungsspiele
    Spielideen
  6. Ein Garten für Kinder
    Tipps für die Vorbereitung
    Weiterführung der Aktionsideen
  7. Mit Fröbel feiern
    Festaktionen rund um Fröbel
    Ideen für Ausstellungen
  8. Fröbel heute verstehen
    Menschenbild, Erziehung und Bildungsförderung
    Zwischen Selbstbild und Fremdsteuerung
    Fröbels Spielverständnis

Abgerundet wird das Buch durch das Schlusswort und das Literaturverzeichnis

Inhalt

Frisch an Fröbel!

Das Kapitel gibt einführend drei Tipps, wie mit diesem Buch und Fröbels Ideen umgegangen werden kann. Der erste Tipp beinhaltet dabei den spielerischen Umgang mit den Vorgaben. Hatte Fröbel seinerzeit einen genauen Zeitplan erstellt, wann und wie welche Spielgabe eingeführt werden sollte, liegt der Fokus heute auf dem Interesse der Kinder und ihren Ideen, das Material einzusetzen, abzuwandeln oder neu zu interpretieren. Der zweite Tipp weist darauf hin, das Spielmaterial selbst wirken zu lassen. Der Aufforderungscharakter des Materials ist ungebrochen, daher sollte nur ein Spielmaterial zur Verfügung gestellt werden, mit dem die Kinder sich dann intensiv beschäftigen können. Die Idee ist, zunächst nur wenig anzubieten und es der Aktivität der Kinder zu überlassen, ob, wann und wieviel weiteres Material (der gleichen Sorte) sie für ihr Spiel benötigen und so einen offenen und kreativen Lernprozess in Gang zu setzen. Tipp drei schließlich weist auf die Notwendigkeit von Geduld ohne belehrend zu sein hin. Kinder profitieren mehr von einem Ausprobieren, Entdecken, Bewundern und Spielen in ihrem eigenen Tempo als von daran anknüpfenden Belehrungen durch Erwachsene, wie diese oder jene geometrische Formen korrekt heißen oder verfrühte Hilfestellungen durch Erwachsene für Dinge, die Kinder mit ausreichend Zeit für sich selbst lösen und erschließen können. Das didaktische Prinzip der Interaktion ist handlungsleitend.

Fröbel auf einen Blick

Auch wenn die Spielgaben, Beschäftigungsmittel und Spielideen einige hundert Jahre alt sind, greifen Sie die auch heute noch relevanten Bildungsbereiche auf: räumliches Vorstellungsvermögen, Schulung der Feinmotorik, kreative Ausdrucksfähigkeit, Gedächtnisleistungen, Konzentration, Ausdauer und Geduld, Frustrationstoleranz, Kooperationsfähigkeit, sprachliches Ausdrucksvermögen, Problemlösefähigkeit sind einige der Aspekte, welche durch die Fröbelschen Materialien auch heute noch geschult und entwickelt werden. Das Spielen mit den Spielgaben und Beschäftigungsmitteln erfolgt nach Fröbels Grundlage in drei Schritten: Erstens wird das Material einzeln zur Verfügung gestellt, so dass das Kind es erforschen und entdecken kann – das Material an sich besitzt einen hohen Aufforderungscharakter. Zweitens wird das Material sprachlich eingeführt (der Erwachsene begleitet das Spiel) und drittens wird eine konkrete Aufgabe formuliert und das Kind in eine Eigenaktivität geleitet. Das Kapitel schließt mit einer kurzen Beschreibung der für die Materialien wesentlichen Unterteilungen in Spielgaben, Beschäftigungsmittel, Lebensformen, Schönheitsformen und Erkenntnisformen.

Fröbels Material: Die Spielgaben

In einem kurzen Diskurs wird zunächst auf die Vielschichtigkeit der Bedeutung des Wortes „Gabe“ hingewiesen. Danach befasst sich das Kapitel mit den sechs Spielgaben, die Fröbel – von einfach zu komplex gemäß des zunehmenden Lebensalters der Kinder – einführt. Das ist zunächst der Ball, der in verschiedenen Farben, sprachlich begleitet durch Verse, Lieder und Bewegungsanleitungen zur Verfügung gestellt wird. Die zweite Spielgabe sind Kugel, Walze und Würfel, die als geometrische Figuren die Bereiche Bewegung (rollende Kugel), das Feststehende (der stabile Würfel) und die Verbindung beider Eigenschaften (die rollende oder feststehende Walze) verkörpern. Die Bausteine sind dann die dritte bis sechste Spielgabe (mehrere Würfel, Quader, Zylinder, geteilte Würfel, Dreiecksprismen in verschiedenen Größen und Ausfräsungen. Mit diesen Materialien kann sowohl nach Anleitung als auch nach eigenen Ideen gebaut und experimentiert werden, großflächig, in die Höhe, schichten in kleine Kästen, sortieren, etc.

Alle Spielgaben sind auch heute noch als Originalspielsätze in entsprechenden Ausführen fertig zu kaufen.

Darüber hinaus fungieren auch gleiche, aber unstrukturierte Materialien in großer Menge als anregende Spielgabe (z.B. zahllose Wäscheklammern, Bohnen, Centmünzen, Steinchen etc.)

Fröbels Handlungsideen: Die Beschäftigungsmittel

In Fröbels ursprünglicher Arbeit werden i.d.R. 15 verschiedene Beschäftigungen unterschieden. Einige davon sind jedoch so komplex, dass sie heute an Bedeutung verloren haben; andere sind sich sehr ähnlich (Ausnähen und Ausstechen z.B.) oder finden automatisch statt (Spielen im Sand). Das Buch stellt daher nur folgende sieben Tätigkeiten ausführlicher dar: das Falten, das Flechten bzw. Weben, das Verschnüren, Legematerial, Erbsen- und Tonarbeiten und das Ausstechen bzw. Prickeln.

Hier werden ausführliche und durch zahlreiche Bilder anschauliche Einstiegsanleitungen zu allen Beschäftigungsmaterialien dargestellt.

Mit Fröbel bewegen: Bewegungsspiele

Fröbel erkannte bereits den Wert, den gemeinsame Sing-, Kreis- und Turnspiele für die kindliche Entwicklung haben und richtete in seiner eigenen Kita einen Bewegungsplatz dafür ein.

Dieses Kapitel führt einige der klassischen Kinderlieder ein und interpretiert diese auf den Lerninhalt für die Kinder: Verständnis für geometrische Figuren und Bewegungsabläufe, Zahlen und kognitive Leistungen beim Auswendiglernen, das gemeinsame Erleben und Regelabläufe in der Gruppe üben, Aktivität nach eigenem Antrieb im Vordergrund oder Hintergrund der Gruppe, musikalische Förderung, erste Rollenspiele in kleinen Liedern.

Ein Garten für Kinder

Im Fröbelschen Sinn sollten Erzieherinnen Kinder so hegen und pflegen wie ein Gärtner seinen Garten, damit Kinder sich gemäß der göttlichen Schöpfung entwickeln. So war es Fröbel auch wichtig, Kindern den Erfahrungsraum Garten selbst zur Verfügung zu stellen, damit auch die Kinder die göttliche Schöpfung erfahren konnten. Fröbel stellte daher jedem Kind ein eigenes kleines Beet zur Verfügung, das dieses selbst gestalten und pflegen durfte. Die Idee dahinter war, das Wachsen der Kinder und das Wachsen der Natur in Zusammenhang zu setzen. Da Kinder heute immer seltener Gelegenheit haben, die Natur und Pflanzen kennenzulernen, gewinnt der Ansatz, mit Kindern einen Garten zu gestalten neue Aktualität.

Dieses Kapitel bietet Ideen und Anleitungen, wie mit Kindern auch in engen räumlichen Verhältnissen Gartenerlebnisse ermöglicht werden – in vertikalen Gärten, in Hochbeeten oder Trögen. Ebenso wird gezeigt, welche Aufgaben zu welcher Jahreszeit zu erledigen sind.

Mit Fröbel feiern

Fröbels Idee eines Kindergartens war es, eine familienunterstützende bzw. -ergänzende Einrichtung zu schaffen. Er wollte Eltern (zu seiner Zeit Mütter bzw. Mädchen) an das rechte Erziehen heranführen. Daher ist es ein guter Weg, die Erlebnisse und Lernerfahrungen, die die Kinder aus der Beschäftigung mit den Materialien und Anregungen der vorherigen Kapiteln machen konnten, in einem Elternfest zu teilen und zu feiern.

Dieses Kapitel gibt daher Impulse, wie ein Fest (z.B. das jährliche Sommerfest) gestaltet werden kann, um die moderne Fröbelpädagogik auch den Eltern greif- und erlebbar zu machen.

Fröbel heute verstehen

Fröbel erkannte als einer der Ersten die Kindheit als eigenständige Lebensphase und den bildenden Wert des kindlichen Spiels.

Das abschließende Kapitel zieht einen Bogen aus der Zeit Fröbels und seinem religiös, mystisch-romantisch geprägten Denken des späten 18. Jahrhunderts in die moderne Zeit des 21. Jahrunderts. Es arbeitet deutlich die Aktualität und den Wert von Fröbels Werk für die heutige Zeit heraus in Bezug auf sein Menschenbild, Erziehung und Bildungsförderung, die Bedeutung der Selbsttätigkeit und Selbstbildung der Kinder und den Einfluss der Fremdsteuerung – ein Dilemma, in dem Erziehende jedes Zeitalters steck(t)en. Fröbels Spielverständnis ist auch heute noch wegweisend, Spiel als forschenden Dialog mit Umwelt und Mitmenschen zu betrachten, den Lernprozess zu begleiten und das freie Entdecken dabei zuzulassen ist auch heute ein wesentlicher Teil moderner Pädagogik.

Diskussion

Das Buch arbeitet auf ausgesprochen ansprechende Weise die „alte“ Lehre eines der größten (deutschen) Pädagogen auf und überträgt sie in die heutige Zeit. Praxisnah, leicht verständlich und anregend macht das Buch Lust darauf, die Pädagogik Fröbels neu zu entdecken und neu zu interpretieren.
Es wird deutlich, dass Fröbel das Rad nicht neu erfunden hat – oder besser: Dass wir heute noch immer von Fröbel, seiner Methodik und Didaktik profitieren können und dass WIR heute das Rad nicht neu erfunden haben, sondern vielmehr noch immer von Fröbels Werk und Leistung profitieren. Viele seiner Erklärungen, Materialien und Spielideen sind zeitlos und wenn die damalige Weltanschauung extrahiert wird, bleibt eine pädagogische Lehre, die Kinder in ihrer Persönlichkeit stärkt, ihre Selbstbildungsprozesse sowohl in fast allen heute noch relevanten Bildungsbereichen und im Sozialverhalten stützt und stärkt und ein Ansatz, der auch Eltern in die Bildungsprozesse ihrer Kinder einbezieht.

Das Buch verweist immer wieder auf die ursprüngliche Lehre Fröbels (interessierte Leser erhalten so einen Anhaltspunkt, wo sie sich intensiver in die ursprüngliche Theorie einarbeiten könnten), bereitet sie jedoch so auf, dass jeder im pädagogischen Bereich bewanderte Leser sie jederzeit auch selbst anwenden und einsetzen kann. Anschauliche Beispiele, zahlreiche Bilder aus der Fröbelpraxis mit den Kindern und viele Anleitungen machen den Einstieg leicht und regen an, auch selbst weiterzuentwickeln und die Kinder neue Wege finden zu lassen.

Interessant wäre, eine weitere Fragestellung zu verfolgen: Wenn es zwischen der heutigen „modernen“ Pädagogik und der Pädagogik Friedrich Fröbels auch nach 237 Jahren (noch) so viele Parallelen und so viele ähnliche oder gar gleiche Erziehungsziele gibt – lässt sich dies auf den Kern der Pädagogik übertragen im Sinne von: es existiert ein Kern, der in Bezug auf Bildung, Erziehung und menschliche Entwicklung immer gleich bleibt? Das Buch könnte auch hier Grundlage für weitere Untersuchungen dieser Art sein.

Fazit

Unbedingt lesens- und ausprobierenswert – für Erziehende, aber auch für interessierte Eltern finden sich hier mit Sicherheit tolle Anregungen und Impulse, welche Angebote und Erfahrungsräume Kindern angeboten werden können.

Rezension von
Lorena Rautenberg
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Es gibt 32 Rezensionen von Lorena Rautenberg.

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Zitiervorschlag
Lorena Rautenberg. Rezension vom 06.12.2019 zu: Gerhard Friedrich, Andrea Bordihn: Komm, lass uns Fröbel neu entdecken. Ein Aktionsbuch: Spielen, Flechten, Falten und vieles mehr. Herder (Freiburg, Basel, Wien) 2019. ISBN 978-3-451-38017-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/25523.php, Datum des Zugriffs 27.03.2023.


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