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Sabine Meier, Kathrin Schlenker (Hrsg.): Teilhabe und Raum

Rezensiert von Prof. Dr. Theresa Hilse-Carstensen, 29.01.2021

Cover Sabine Meier, Kathrin Schlenker (Hrsg.): Teilhabe und Raum ISBN 978-3-8474-2268-6

Sabine Meier, Kathrin Schlenker (Hrsg.): Teilhabe und Raum. Interdisziplinäre Perspektiven. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2019. 160 Seiten. ISBN 978-3-8474-2268-6. D: 24,90 EUR, A: 25,60 EUR.
Reihe: Beiträge zur Sozialraumforschung - 21.

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Thema

„Der vorliegende Band fokussiert räumliche Dimensionen der Teilhabe und damit stehen mehrere Konzeptionen von Teilhabe, theoretische und empirische Vorstellungen von Raum und Beziehungen zwischen Teilhabe und Raum […] im Vordergrund.“ (S. 7).

Herausgeberinnen

Sabine Meier ist Juniorprofessorin für Räumliche Entwicklung und Inklusion an der Universität Siegen.

Kathrin Schlenker, M.A. tätig im Lehrgebiet „Räumliche Entwicklung und Inklusion“ Universität Siegen und Doktorandin an der FAU Erlangen-Nürnberg.

Entstehungshintergrund

Dem Sammelband liegt eine bewusste Entscheidung zur Bündelung interdisziplinärer Perspektiven zugrunde. Es geht um die räumlichen Ebenen und Bezüge von Teilhabe, deren theoretische Einordnung, empirische Erfassung und gesellschaftliche Konsequenzen (vgl. S. 7). Ziel ist es „die Relevanz des ‚Räumlichen‘ für politische, soziale und individuelle Teilhabe herauszuarbeiten und zu verdeutlichen“ (S. 7). Mit dieser Zielstellung und der interdisziplinären Perspektive wird aus Sicht der Herausgeberinnen eine Forschungslücke geschlossen.

Aufbau

Nach einer Einleitung durch die Herausgeberinnen folgen 12 Beiträge verschiedener Autor*innen, die eine mögliche Wechselbeziehung von Raum und Teilhabe thematisieren. Dabei werden verschiedene Perspektiven eingenommen: von der Architektur (Müller/Reichmann) bis hin zu leibphänomenologischen (Schlenker) oder ethnografischen Ansätzen (Herz/Munsch). Von ländlichen Räumen (Haartsen/Strijker, Reichenstein) bis zur Urbanität (Bukow, Schlenker) sowie Fallbeispiele zur Teilhabe von Geflüchteten oder mit Fokus auf Quartiersarbeit.

Inhalt

Im Folgenden werden drei ausgewählte Beiträge kurz vorgestellt.

In der Einleitung sind – wie oftmals üblich – wichtige Hinweise zur Rahmung des Sammelbandes zu finden. Beispielsweise werden die unterschiedlichen Bedeutungen der beiden Termini „Teilhabe“ und „Raum“ in verschiedenen Disziplinen oder Kontexten kurz erläutert. Vor der Vorstellung der einzelnen Beiträge findet sich hierzu ein kompakt-informativer Abriss zu (aktuellen) Diskursen, Konzepten oder Forschungsthemen.

Im Beitrag „Partizipative Sozialraumforschung und gesellschaftliche Teilhabe“ von Michael May wird damit begonnen kurz den action-research-Ansatz nach Kurt Lewin und daran anschließende Konzepte/​Bestrebungen partizipativer Sozialraumforschung zu erläutern. Einleitend werden die Fragen aufgeworfen: Welchen Rahmen Forschung oder Forschende schaffen können, um verschiedene Akteure teilhaben bzw. zur Sprache kommen zu lassen und inwieweit Forschung zu einer nachhaltigen Teilnahme und Teilhabe verschiedener Bevölkerungsgruppen beitragen kann. Beide Fragen werden im Beitrag diskutiert. Als Fazit skizziert May einen Ansatz übergreifender Sozialraumorganisation, der sich nicht zwingend an geografischen oder administrativen Quartiersgrenzen orientiert, sondern verschiedene, sich überlappende Ebenen „sowohl sozio-ökonomischer, als auch politisch-institutioneller Räume“ (S. 31) einbezieht und eine „umfassende[n] Teilnahme und Teilhabe aller an gesellschaftlicher Totalität“ (S. 31; Herv. i.O.) ermöglichen kann.

Frank Eckardt und Franziska Werner sind mit einem Beitrag zu „Raum für Teilhabe in Erfurter Großsiedlungen? Möglichkeiten und Grenzen von Narrationen über Partizipation in Stadtplanungsprozessen“ vertreten. Sie nehmen die Perspektive der Stadt- und Raumplanung ein und konstatieren u.a., dass in Fachdiskursen der Stadtforschung Teilnahme und Teilhabe oftmals gleichgesetzt werden (S. 170). Im weiteren Verlauf des Beitrags werden Steuerungsabsichten in Beteiligungsverfahren vor allem für segregierte Stadtteile kritisch hinterfragt und die vorherrschenden Narrative angesprochen: „Entscheidend scheint von daher das Selbstverständnis der Akteur_innen zu sein, dass sie hinsichtlich der Prozesse von Bürgerbeteiligung und lokaler Raumproduktion im weitesten Sinne haben“ (S. 173). Es folgt der Blick in den Erfurter Südosten. In einem Lehrforschungsprojekt wurden Möglichkeiten und Grenzen von Teilhabeprojekten untersucht. Gefördert über das Programm Sozial Stadt wird im untersuchten Stadtteil ein Verständnis von Bürgerbeteiligung vertreten, welches auf Informationsvermittlung und der Herstellung von Akzeptanz zu Maßnahmen zielt. Die Stadtteilkonferenz ist die zentrale Institution zur Stärkung von Teilhabe und lokaler Vernetzung. Zwei Ergebnisse des Lehrforschungsprojektes werden im Beitrag herausgearbeitet und diskutiert:

  • Ein Verständnis von Teilhabe durch Teilnahme. Eckardt und Werner sprechen von „Teilnahme-Demokratie“ (S. 181).
  • Die Stadtteilarbeit zieht ihre Legitimation vor allem aus dem Engagement gegen die rechte Szene.

Lars Meier berichtet im Beitrag über „Sozialräumliche Transformationen und Konflikte um Teilhabe und Place-Making“ über den Nürnberger Stadtteil Werderau. Zu Beginn des Beitrags lässt Meier das Material sprechen, in dem er die Sequenz eines biografischen Interviews eines ehemaligen Industriearbeiters einbindet. Davon abstrahiert leitet er zum Thema sozialräumliche Transformationen über und wirft die Frage auf: „Wer darf und wer nicht den Raum in welcher Form nutzen?“ (S. 115) Gegenstand des Beitrages ist eine qualitative Untersuchung des Stadtteils Werderau mit dem Fokus auf die Transformation des Stadtteils aus Perspektive jener, die „einen eigenen sozialen Statusverlust hinnehmen mussten“ (S. 116). Dominant ist die Deutung des eigenen Statusverlustes mit dem Zuzug von anderen Menschen: „Der erlittene soziale Statusverlust wird von ihnen dabei häufig in eine enge Beziehung zu den Neuhinzugezogenen gesetzt“ (S. 116). Es folgen Informationen über Sample und Erhebungsmethoden, eine theoretische Einordnung, ein kurzer Abriss zu soziodemografischen und räumlich-historischen Entwicklung des Stadtteils Werderau sowie ein detaillierter Einblick ins empirische Material. Im Fazit trifft Meier eine vage Aussage in Bezug auf Teilhabemöglichkeiten der Bewohnenden nach der Transformation des Stadtteils und schließt mit dem Hinweis, dass es notwendig ist, „die umkämpften, machtvollen Regeln und Bedingungen der Teilhabe in den Blick zu nehmen“ (S. 127).

Diskussion

Der Sammelband hält verschiedene Aspekte zum Zusammendenken von Raum und Teilhabe sowie der differenzierten Analyse von Teilnahme und Teilhabe bereit. In der Konsequenz ist ein Buchprojekt entstanden, welches verschiedene Perspektiven auf das Wechselspiel von Raum und Teilhabe bündelt und auch politische Implikationen diskutiert. Zum Teil verbleiben die einzelnen Beiträge in einer komplexen Fachsprache, weshalb der interdisziplinäre Transfer an diesen Stellen schwierig werden könnte.

Die Gesamtheit der Beiträge spricht prinzipiell eine breite Leser*innenschaft an. Jedoch dürften die einzelnen Beiträge vor dem Hintergrund eines je eigenen fachlichen/​methodischen Zugangs oder thematischen Interesses von den Leser*innen unterschiedlich relevant eingeschätzt werden. Ein Vorteil ist, der Sammelband muss nicht zwingend in der Gänze gelesen werden. Wie in anderen Sammelbänden auch, stehen die Beiträge für sich.

Insgesamt regt der Sammelband an, sich mit den Wechselbeziehungen von Raum und Teilhabe aus unterschiedlichen Perspektiven zu beschäftigen, diese zu hinterfragen und auch interdisziplinär zu reflektieren. Perspektivisch kann es ein großer Gewinn sein bspw. verschiedene Planungskulturen zusammenzudenken.

Fazit

Der Sammelband umfasst neben der Einleitung 12 Beiträge, die sich aus unterschiedlich disziplinärer Perspektive mit dem Wechselspiel von Raum und Teilhabe beschäftigen. Aufgrund der interdisziplinären Herangehensweise, thematischen und methodischen Vielfalt der Beiträge, spricht der Band eine breite Leser*innenschaft an.

Rezension von
Prof. Dr. Theresa Hilse-Carstensen
IU Internationale Hochschule Erfurt
Dipl. Sozialpädagogin/ Sozialarbeiterin (FH)
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Es gibt 10 Rezensionen von Theresa Hilse-Carstensen.

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ISSN 2190-9245