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Theresia Friesinger: Mehr Empathie durch Selbstempathie

Rezensiert von Prof. Dr. Annemarie Jost, 02.05.2019

Cover Theresia Friesinger: Mehr Empathie durch Selbstempathie ISBN 978-3-8080-0827-0

Theresia Friesinger: Mehr Empathie durch Selbstempathie. Der selbstempathische Ansatz in Bildungseinrichtungen im Kontext einer Inklusiven Kommunikation. Verlag modernes lernen Borgmann GmbH & Co. KG. (Dortmund) 2018. 160 Seiten. ISBN 978-3-8080-0827-0. D: 22,95 EUR, A: 23,60 EUR, CH: 37,00 sFr.

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Thema und Zielgruppe

Das Buch eignet sich vermutlich insbesondere als Vorbereitungs- und Begleitlektüre zu den von der Autorin angebotenen (Inhouse-)Seminaren und Lernwerkstätten zum Thema Selbstempathie/Empathie.

Der Untertitel „Der selbstempathische Ansatz in Bildungseinrichtungen im Kontext einer inklusiven Kommunikation“ ist etwas irreführend, denn das Buch richtet sich sehr deutlich an KiTa MitarbeiterInnen und -leitungen und weniger an andere Fachkräfte im Bildungssystem; weiterhin suggeriert der Kontext der inklusiven Kommunikation, dass aktuelle pädagogische Inklusionsdebatten aufgegriffen werden, dies geschieht jedoch nur marginal. Der Begriff inklusive Kommunikation ist im vorliegenden Buch sehr allgemein gefasst, meint eine qualifizierte gegenseitige Anerkennung und hinterfragt unbewusste Reaktions-, Verhaltens- und Kommunikationsmuster in Interaktionssituationen mit Kindern.

Autorin

Theresia Friesinger war – wie sie auf ihrer Homepage schreibt – freiberufliche Mediengestalterin und Erzieherin. Danach folgte das Studium der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik (B. A) an der Hochschule Esslingen, eine Leitungsstelle einer inklusiven, vorurteilsbewussten Kindertagesstätte, die Ausbildung zur Kommunikationstrainerin der Gewaltfreien Kommunikation nach M. B. Rosenberg, die Ausbildung zum NLP-Master und zwei Moderationsausbildungen im Schulbereich zum Thema Heterogenität und Inklusion. Als Fortbildungsreferentin fokussiert sie insbesondere die Persönlichkeitsentwicklung.

Aufbau

Das Buch ist bunt: Neben dem Text finden sich auf einem breiten Rand viele Bilder aus Seminaren, sowie Kernsätze aus den entsprechenden Abschnitten und weiterführende Zitate.

Es enthält die folgenden Kapitel:

  1. Intention: Hier führt die Autorin den Begriff Sempathie ein, der aus den Komponenten Selbstfreundschaft, Achtsamkeit, Mitmenschlichkeit, Perspektivenübernahme, Empathie und Transkulturellem Mitgefühl besteht. Weiterhin macht sie deutlich, dass sie die Machtausübung Erwachsener gegenüber Kindern (Adultismus) hinterfragen möchte.
  2. Ziele: Es geht um die Stärkung der emotionalen Kompetenz im Sinne der Selbstempathie bei Fachkräften und um gelingende Zusammenarbeit in Institutionen
  3. Systemische Voraussetzungen für eine inklusive professionelle Haltung
  4. Selbstempathie, Selbstregulation und Selbststeuerung
  5. Empathie und Resilienz
  6. Die inklusive Kommunikation
  7. Adultismus: Hiermit ist die Machtungleichheit zwischen Erwachsenen und Kindern gemeint, die mit oft unbewussten Diskriminierungsformen einhergeht
  8. Motivierende Methoden
  9. Pädagogik der Achtung nach Janusz Korczak
  10. Glückspädagogik
  11. Effekte – Zusammenfassung
  12. Konklusion
  13. Impressionen: Hier findet sich das Rilke Gedicht „Der Panther“
  14. Geschichten und Gedichte, die Haltungen verändern: In diesem Abschnitt findet man auch Werbung für Fortbildungsveranstaltungen der Autorin

Es schließen sich ein mehrseitiges Literaturverzeichnis sowie Quellenverzeichnisse an.

Inhalt

Die Überschriften und der Klappentext machen neugierig. Die Autorin regt Fachkräfte im Bildungsbereich zur radikalen Eigenverantwortung an und betont, dass das Gefühlstraining das Herzstück ihres Ansatzes ist, das ganz besonders in der Kommunikation und Interaktionen für ein friedliches Miteinander gebraucht wird. Im weiteren Verlauf unterscheidet sie Wohlfühlgefühle, stimmige Diskrepanzgefühle und unstimmige Diskrepanzgefühle. Mit letzteren meint sie Pseudogefühle, die im Kopf aus Interpretationen des anderen entstehen. Sie führt eine vom NLP geprägte Empathie -Leiter ein, welche sie in ihren Seminaren verwendet: Diese besteht aus acht Räumen

  1. Wahrnehmung – subjektive Wahrheit und Beobachtung der Situation
  2. Inklusion der Reaktionsmuster, der Vorurteile und Interpretationsgefühle
  3. Reframing/ Glaubenssatzsysteme; Kooperation zwischen Denken und Gefühl
  4. Stimmig-authentische Gefühle
  5. Werte/Bedürfnisse/Motive
  6. Selfcommitments/ Bitten
  7. Erkenntnisse/Meta-Ebene
  8. Ziele

Es folgen einige Übungsmöglichkeiten zur Empathieleiter und zu der von ihr entwickelten Kraftblume, die jedoch nicht so ausführlich beschrieben werden, dass sie von Übungsleitern ohne Weiteres durchgeführt werden könnten. Die im ganzen Buch immer wieder eingestreuten Übungselemente und Fragen können vermutlich in der Vor- und Nachbereitung der von ihr angeleiteten Seminare von den Teilnehmern verwendet werden, eignen sich jedoch weder für Fachkräfte noch für Übungsleiter isoliert als Material: Für die Selbstreflexion der Fachkräfte finden sich zu viele Fragen und Fragelisten, die dann wenig weiter verfolgt werden; und Übungsleiter bräuchten detailliertere Konzeptionen.

Recht ausführlich wird der pädagogische Ansatz von Janusz Korczak dargestellt. Der Autorin geht es darum, die von ihm formulierten Kinderrechte für die Arbeit in KiTas transparent zu machen:

  • Das Recht des Kindes auf Achtung.
  • Das Recht des Kindes auf den Tod (hiermit ist gemeint, die Selbsterfahrung des Kindes nicht durch übertriebene Ängste und eigene Unsicherheiten zu beschneiden; wie dies allerdings mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und Haftungsregelungen in Einklang gebracht werden kann, bleibt offen).
  • Das Recht des Kindes auf den heutigen Tag.
  • Das Recht des Kindes, das zu sein, was es ist.

Diese Hervorhebung der Kinderrechte und -bedürfnisse wird durch ein engagiertes Hinterfragen der Machtausübung Erwachsener vorbereitet.

„Kinder werden nicht erst Menschen, sie sind es bereits, ja sie sind Menschen und keine Puppen; man kann an ihren Verstand appellieren, sie antworten uns, sprechen wir zu ihren Herzen, fühlen sie uns.“

Diskussion

Der Klappentext verspricht, dass Antworten aus dem wissenschaftlichen Kontext vorgestellt und mit einer Fülle von wirkungsvollen Übungen und leicht umsetzbaren Anregungen auf die Alltagspraxis übertragen werden können. Allerdings befindet sich die Wissenschaftsbasierung – trotz des umfangreichen Literaturverzeichnisses -eher auf wissenschaftsjournalistischem Niveau. Besonders einflussreiche Wurzeln der dargestellten Inhalte stammen aus dem NLP, von einigen systemischen Autorinnen (z.B. Virginia Satir), von Janusz Korczak und aus der gewaltfreien Kommunikation. Andere wiederholt zitierte AutorInnen wie z.B. Tanja Singer oder Niklas Luhmann werden auf sehr oberflächlichem Niveau wiedergegeben. Die Autorin scheint der akademischen Bildung ohnehin recht skeptisch gegenüber zu stehen, wie die Formulierung „Je akademischer Menschen sind, desto weiter sind diese von ihrer nahezu vollständig ausgeblendeten Bedürfnislandschaft entfernt.“ (S. 64) deutlich macht.

Tatsächlich finden sich im Buch sehr viele Anregungen, um diese jedoch umfänglich in die Alltagspraxis zu übertragen, eignet sich das Buch alleine nicht. Ob dies im Zusammenwirken mit ihren Seminaren gelingt, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls macht die Autorin deutlich auf ihre Seminare aufmerksam und motiviert zur Selbstentwicklung.

Fazit

In diesem engagierten und bunt aufgemachten Buch finden sich eine Fülle an Anregungen für die Weiterentwicklung einer selbstempathischen Haltung und einer von Anerkennung und Empathie geprägten Begegnung mit Kindern. Die Machtausübung von Erwachsenen gegenüber Kindern wird insbesondere im KiTa Kontext hinterfragt. Die theoretische Fundierung des Buches könnte solider sein, und die praktischen Anleitungen könnten genauer, kleinteiliger und konzeptionell besser auf die unterschiedlichen Zielgruppen (KiTa ErzieherInnen versus Leitungskräfte und ÜbungsleiterInnen) ausgerichtet werden.

Rezension von
Prof. Dr. Annemarie Jost
Professorin für Sozialpsychiatrie an der Fakultät 4 der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg
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Es gibt 143 Rezensionen von Annemarie Jost.

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Zitiervorschlag
Annemarie Jost. Rezension vom 02.05.2019 zu: Theresia Friesinger: Mehr Empathie durch Selbstempathie. Der selbstempathische Ansatz in Bildungseinrichtungen im Kontext einer Inklusiven Kommunikation. Verlag modernes lernen Borgmann GmbH & Co. KG. (Dortmund) 2018. ISBN 978-3-8080-0827-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/25564.php, Datum des Zugriffs 12.10.2024.


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