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Lothar Beseler: Betriebliches Eingliederungsmanagement

Rezensiert von RA Joachim Schwede, 10.05.2019

Cover Lothar Beseler: Betriebliches Eingliederungsmanagement ISBN 978-3-945260-65-4

Lothar Beseler: Betriebliches Eingliederungsmanagement. Nach § 167 Abs. 2 SGB IX aus arbeitsrechtlicher Sicht. Rieder GmbH & Co. Verlag für Recht und Kommunikation KG (Münster) 2019. 8. Auflage. 244 Seiten. ISBN 978-3-945260-65-4. D: 19,50 EUR, A: 20,10 EUR.
Reihe: Gesundheit im Betrieb - Band 1.

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Thema

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) nach § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX hat in den letzten Jahren eine zunehmende Bedeutung erlangt. War es früher praktisch unbekannt und nur Gegenstand einer eher wissenschaftlich geprägten Diskussion dahingehend, ob dieses nur behinderten MitarbeiterInnnen zusteht oder nicht, so ist es heute aus der Unternehmenspraxis nicht mehr wegzudenken. Es hat sich bei vielen Unternehmen herumgesprochen, dass der Prozess des BEM durchaus dazu geeignet ist, längerfristig erkrankte oder häufiger kurzerkrankte MitarbeiterInnen ihren gesundheitlichen Fähigkeiten entsprechend in die Arbeitsprozesse zu reintegrieren und so Krankheitsausfälle zu vermindern. Das Hauptargument, das viele Unternehmen jedoch dazu bewegt, sich mit dem BEM aktiv zu beschäftigen, ist der Umstand, dass die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte seit einigen Jahren im Rahmen krankheitsbedingter Kündigungen stets nachforscht, ob und wie ein BEM durchgeführt wurde, und dieses durchaus als Kriterium dafür verwendet, die Verhältnismäßigkeit einer solchen Kündigung infrage zu stellen.

Da es „das BEM“ in seiner typischen Form nicht gibt, sondern bezogen auf das einzelne Unternehmen ein sinnvolles Verfahren gefunden und implementiert werden muss, ist der Praktiker um jede Handreichung dankbar, die es ihm ermöglicht, das möglichst optimal umzusetzen. Das hier zu besprechende Handbuch will ein solcher Helfer sein.

Autor

Rechtsanwalt Dr. Lothar Beseler, bis 2007 Richter in der Arbeitsgerichtsbarkeit, ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und Referent für Arbeitsrecht.

Aufbau

Das Handbuch hat einen Umfang von 244 Seiten und gliedert sich in 29 Kapitel und 7 Anlagen. Hinzu kommen ein umfangreiches Literatur- und ein recht knappes Stichwortverzeichnis.

Nach einer Einleitung und der Frage nach „Möglichkeiten und Grenzen des BEM“ werden Fragen des Geltungsbereiches, der betroffenen ArbeitnehmerInnen und der Voraussetzungen für die Durchführung des BEM erläutert. Anschließend wird auf knapp 60 Seiten die Durchführung des BEM beschrieben. Zwei Kapitel (17 und 18) erläutern, wie Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen sind. In den nachfolgenden Kapiteln finden sich u.a. Fragen zum Kündigungsrecht im Zusammenhang mit dem BEM, zu den Kosten des BEM-Verfahrens oder zum Schadensersatz der ArbeitnehmerInnen, wenn dieses Verfahren unterlassen wurde. Auch das Thema des BEM als Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements wird aufgegriffen.

Sieben Anlagen geben hilfreiche Muster, u.a. einen BEM-Leitfaden, Betriebs- und Dienstvereinbarungen sowie ein Ablaufdiagramm.

Ausgewählte Inhalte

Zwei Schwerpunkte hat der Rezensent herausgegriffen:

In der Praxis von hoher Bedeutung ist das Einwirken des BEM auf den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung. Sehr detailliert und mit vielen Belegen durch die aktuelle Rechtsprechung erläutert der Autor hier das für den betrieblichen Praktiker schwer nachzuvollziehende Konstrukt der Rechtsprechung, dass ein durchgeführtes BEM zwar keine Voraussetzung dafür ist, eine krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen, die Gerichte diese jedoch als unverhältnismäßig ansehen (können), wenn es nicht durchgeführt wurde. In diesem Zusammenhang untersucht der Autor auch, ob bei krankheitsbedingten Um- oder Versetzungen ein BEM zuvor erforderlich ist, wobei er auch hier der Linie der Rechtsprechung, die hier ebenfalls nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen urteilt, folgt.

Für den Unternehmenspraktiker ebenfalls von erheblicher Bedeutung ist die Beteiligung des Betriebsrats am BEM. Hier geht es bereits darum, wie dieser einzubeziehen ist, wenn das BEM-Verfahren als solches im Unternehmen integriert wird, vor allem aber auch um die Frage, wie er bei konkreten BEM-Prozessen zu beteiligen ist. Sehr fein differenziert der Autor – unter Auswertung der Fachliteratur wie auch der Rechtsprechung – nach den einzelnen Mitbestimmungsaspekten. Insgesamt kommt er, auch wegen des bestehenden Initiativrechts des Betriebsrats bei der Einführung des BEM zu dem Schluss, eine freiwillige Betriebsvereinbarung anzustreben, was letztlich unbedingt erforderlich ist, da die Rechtsprechung eine Verfahrensrichtlinie fordert, wenn es um die ordnungsgemäße Durchführung des BEM geht. Die hier zu findenden Ausführungen gelten selbstverständlich auch für Personalräte.

Diskussion

Das Handbuch besticht durch seine umfangreiche und detailreiche Analyse dieses wichtigen Verfahrens in der betrieblichen Praxis. Umfassend wird die Rechtsprechung ausgewertet und in die Ausführungen integriert, was richtig ist, weil letztlich die Gerichte entscheiden, ob alles ordnungsgemäß abgelaufen ist. Die Anlagen sind kenntnisreich und für die Praxis gut verwertbar aufbereitet. Diese Vielfalt und Tiefe macht das Buch für jeden juristischen Nutzer, der sich mit BEM und Fragen krankheitsbedingter Kündigung befasst, zu einem unersetzlichen Helfer, der zudem noch extrem preiswert ist.

Beim betrieblichen Praktiker als potenzielle Zielgruppe hat der Rezensent dagegen etwas „Bauchschmerzen“: Hier könnte die Vielzahl an Fakten etwas verwirrend wirken, sodass der geneigte Leser sich möglicherweise im Faktenwald verirrt. Wäre es möglicherweise sinnvoll, eine Art Leitfaden durch das Verfahren voranzustellen, diesen mit knappen Antworten auf offene Fragen zu versehen und die Detailprobleme einem „zweiten Teil“ zu überlassen?

Bedenkt man die Verwirrung, die die gesetzgeberisch vollkommen misslungene Umsetzung des neuen Datenschutzrechts (Stichwort „Datenschutzgrundverodnung“), die in der Praxis, auch der betrieblichen, wilde Blüten hervorgebracht hat, könnte im hier vorzustellenden Buch etwas mehr zum Datenschutz stehen, der ja im Rahmen des BEM vielfältig zu beachten ist.

Fazit

Für den arbeitsrechtlich tätigen Juristen (Anwalt, Richter, Jurist im Unternehmen oder Gewerkschaft) ist das Buch uneingeschränkt zu empfehlen. Für den Betriebspraktiker ist es dann von großem Wert, wenn erste grundsätzliche Strukturen bekannt sind, auf die mit dem vielfältigen Wissen dieses Handbuchs aufgebaut werden kann.

Unabhängig davon: Da bei der Rechtsprechung zu diesem Thema immer noch viel im Fluss ist, sollte stets die aktuellste Auflage genutzt werden.

Rezension von
RA Joachim Schwede

Es gibt 8 Rezensionen von Joachim Schwede.

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ISSN 2190-9245