Thomas Rauschenbach, Thomas Mühlmann et al.: Kinder- und Jugendhilfereport 2018
Rezensiert von Prof. Dr. Eckart Riehle, 12.02.2020
Thomas Rauschenbach, Thomas Mühlmann, Matthias Schilling, Jens Pothmann, Christiane Meiner- Teubner et al.: Kinder- und Jugendhilfereport 2018. Eine kennzahlenbasierte Analyse. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2019. 220 Seiten. ISBN 978-3-8474-2240-2. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.
Thema
Die Kinder- und Jugendhilfe im Spiegel der Kinder- und Jugendhilfestatistik
Die Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik im Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/TU Dortmund hat es sich zur Aufgabe gemacht, anhand der erhobenen Daten die wesentlichen Entwicklungen der Kinder- und Jugendhilfe darzustellen. Dies geschah seit 2001 in drei Jugendhilfereporten, der Kinder- und Jugendhilfereport 2018 ist jetzt der vierte Report. Er ist ein gemeinschaftliches Werk der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik. Der Report versucht, auf der Grundlage eines systematischen Kennzahlensystems, einen Überblick über die zentralen Arbeitsfelder und Aufgabengebiete der Kinder- und Jugendhilfe zu ermöglichen, ein „Kompass durch eine zuletzt ausgesprochen dynamische“ und in Teilen auch unübersichtlich gewordene Kinder- und Jugendhilfe (7).
Autorinnen und Autoren
Die insgesamt 11 Autorinnen und Autoren, sind teilweise Mitarbeiter/​Mitarbeiterinnen im Forschungsverbund DJI/TU -Dortmund, in der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik oder angesiedelt in sozialpädagogischen Arbeitsbereichen der Hochschulen. Gleichwohl ist der Report ein gemeinschaftliches Werk der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (8)
Hintergrundinformationen
Die Kennzahlen des Reports basieren im Wesentlichen auf den Ergebnissen der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik. Die Kennzeichen ermöglichen damit in weiten Teilen eine vergleichbare und vergleichende Darstellung der verschiedenen Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe.
Das Schema der Kennzahlen des Reports, enthält Kennzahlen zu den Adressat(innen)en des jeweiligen Arbeitsfeldes, zu ihrem sozialen oder familiären Status, Befunde zu ausgewählten Strukturkomponenten, zum Personal und Kennzahlen zu den finanziellen Aufwendungen. Bei dem betrachteten Zeitraum handelt es sich im Wesentlichen um die Zeit von 2006 – 2016.
Aufbau
Der Report ist in 6 Teile untergliedert
- Teil A: Rahmenbedingungen der Kinder und Jugendhilfe, Kapitel 1 und 2 stellt die Rahmenbedingungen des Aufwachsens von Kinder und Jugendlichen dar, als Kontext für die nachfolgenden Kapitel (9-38)
- Teil B: In Kapitel 3–7 werden Ergebnisse zu den zentralen Arbeitsfeldern Kindertagesbetreuung, Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen, Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit (39- 134) aufbereitet.
- Teil C: enthält in den Kapiteln 8–11 weitere Aufgabenbereiche der Kinder und Jugendhilfe, wie die Gefährdungseinschätzung und die Inobhutnahme(135 – 170).
- Teil D: Kapitel 12 – 13 behandelt die Kommunalen Jugendämter und den Allgemeinen Sozialen Dienst (S. 171 – 186) als zentrale Schaltstellen für die Praxis.
- Teil E: Kapitel 14 befasst sich mit den schutz- und asylsuchenden jungen Menschen, bzw. Minderjährigen Flüchtlingen (187- 210).
- Der Anhang (211 bis 218) enthält ein Literaturverzeichnis. Dem schließt sich ein Verzeichnis der verwendeten Statistiken und der Autorinnen und Autoren an.
Inhalt
Angesichts der Fülle der Kennzeichen und statistischen Zahlen für die einzelnen Felder der Kinder- und Jugendhilfe, beschränkt sich der Rezensent auf eine selektive Auswahl, mit dem Anspruch, damit Entwicklungen in einem Arbeitsfeld und die Bedeutung dieses Arbeitsfeldes kenntlich zu machen.
Zentrale Daten zu dem Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen in Deutschland werden in Kapitel 1 wiedergegeben. Nach einem Rückgang der Anzahl der Kinder und Jugendlichen in den vergangenen Jahren, wird die Anzahl der unter 18 jährigen, so die Prognose, künftig wieder steigen, wobei sich der Bevölkerungsanstieg auf die Städte konzentriert.
Die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen lebt in Paarhaushalten, der Anteil der Kinder bei Alleinerziehenden ist aber in den letzten Jahren gestiegen, stärker im Osten als im Westen. Dabei ist der Anteil an Schüler(innen) mit sonderpädagogischer Förderung in den vergangenen 10 Jahren stark gestiegen.
Die Gesamtbetrachtung des Kapitel 2, Kinder und Jugendhilfe im Überblick, präsentiert die Kennziffern zu den Adressatinnen der Kinder- und Jugendhilfe, für die Kinder und Jugendarbeit ebenso für die Hilfen zur Erziehung und zu den Trägern der Kinder- und Jugendarbeit, zu ihrem Personal und zu den Ausgaben. Kapitel 1 und 2 machen deutlich, in welchem Maße ein Aufwachsen von Kinder und Jugendlichen in öffentlicher Verantwortung stattfindet.
Kapitel 3 stellt die Entwicklung der Kindertagesbetreuung dar, welche im Erfassungszeitraum besonders in Bewegung und Entwicklung war. In den Blick geraten dabei nicht nur die Vermehrung der Plätze für die Kindertagesbetreuung von 2007 bis 2017 um mehr als eine halbe Million; sondern insbesondere auch der Betreuungsumfang.
Mehr als die Hälfte der U3 Kinder nahmen 2017 einen Ganztagsplatz in Anspruch, 29 % einen erweiterten Halbtagsplatz (25 Stunden die Woche) und 17,2 % einen Halbtagsplatz. Der Betreuungsumfang hat sich in Ost und West verlängert, aber deutlich länger im Osten. Noch stärker ausgeweitet wurde der Betreuungsumfang bei den Ü3 Kinder; 2017 wurde für die Hälfte der Kinder über 3 Jahren ein Ganztagsplatz vertraglich vereinbart. Auch hier nahm der Betreuungsumfang besonders im Osten. zu.
Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund ist dabei im vergangenen Jahrzehnt deutlich gestiegen. Vor allem der Anteil der Kinder, welche zu Hause nicht Deutsch sprechen.
Mit Blick auf den geplanten Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz im Grundschulalter, ist auch ein weiterer Ausbau der Hortangebote zu erwarten (47). Kindertageseinrichtungen öffnen im Osten häufig früher als in Westen und schließen auch später (53). Wenig erfolgreich war dagegen das Bemühen, die Anzahl des männlichen Personals in Kitas zu erhöhen.
Das pädagogische Personal in den Kitas verfügt in aller Regel über einen einschlägigen Fachschulabschluss, auch in der Kindertagespflege, welche in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, 9 von 10 Tagespflegepersonen verfügen über einen mindestens 160 Wochenstunden umfassenden Qualifikationskurs und/oder eine fachpädagogische Ausbildung (59).
Gestiegen ist auch die Anzahl der Kinder welche statistisch gesehen von einer Tagespflegeperson betreut werden 2017 3,7 Kinder; gegenüber 2,2 Kinder 10 Jahre zuvor. Dem entspricht, wie der Rezensent anfügt, eine Diskussion über die Zulässigkeit und Bedingungen von Kindertagespflegestellen, welche kleinen Kitas entsprechend.
Bemerkenswert ist ein hoher regionaler Unterschied bei den Kosten, welche die Eltern zur tragen haben, was auf landesrechtliche Zuständigkeiten zurückzuführen ist. Im Kitajahr 2018/19 bestand in 8 Ländern für die Eltern Beitragsfreiheit, von einer kompletten Elternbeitragsbefreiung in Berlin, bis zu Beitragsbefreiungen im letzten Kita Jahr wie in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen.
Kapitel 4 behandelt die Hilfen zur Erziehung, also ein Herzstück der Kinder- und Jugendhilfe. Belegt wird, dass die Zahl der in Anspruch genommen H.z.E seit Jahren steigt: Über eine Million junge Menschen und deren Familien erhalten Unterstützung durch Hilfe zur Erziehung (72). Von 2008 -2016 entspricht dies einem Anstieg von 20 % (65). Fast die Hälfte der Leistungen entfällt dabei auf die Erziehungsberatung mit 448.693. Ambulante Hilfen wurden in 398.073 Fällen erbracht, stationäre in 236. 411 (66).
Die erzieherischen Hilfen haben in diesem Jahrtausend „kontinuierlich“ zugenommen, sowohl im ambulanten, wie im stationären Bereich. Im stationären Bereich haben die Hilfen zwischen 2008 und 2016 um 30 % zugenommen. Der Anstieg bei den stationären Hilfen ist dem Anstieg der Heimerziehung nach § 34 SGB VIII geschuldet, ein wichtiger Faktor ist dabei die Zahl der Heimerziehung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Als zentrales Ergebnis wird verbucht, dass H.z.E eher von Familien in prekären Lebenslagen in Anspruch genommen wird, vor allem bei alleinerziehenden Personen und bei Familien mit Migrationshintergrund.
Betrachtet wird auch der Hilfeverlauf. Erziehungsberatung und ambulante Hilfen werden überwiegend planmäßig beendet, das gilt für etwa zwei Drittel aller H.z.E.
Unplanmäßig endet dagegen die Heimerziehung. lm Vergleich zu 2008 ergeben sich 2016 „keine nennenswerte Veränderungen bei der Verteilung der Beendigungsgründe“ (77).
Der Blick auf das Personal der H.z.E. ergibt, dass ein gutes Drittel in diesem Arbeitsfeld über eine fachlich einschlägige akademische Ausbildung also mindestens einen B.A verfügt. Dabei sind die Personalressourcen seit 2006 erheblich ausgebaut worden. So hat die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich 2016 einen Höchststand von 102.537 Personen erreicht (77).
Im ambulanten Bereich und in der Erziehungsberatung arbeiten dabei mehr Fachkräfte mit einer einschlägig akademischen Ausbildung als in der Heimerziehung. Etwa drei Viertel der Beschäftigten in diesem Bereich sind weiblich (81). Ein Blick auf die Ausgaben zeigt, dass mehr als jeder zweite Euro für Leistungen der Heimerziehung und betreuter Wohnformen ausgegeben wird (83).
Kapitel 5 präsentiert die Ergebnisse zur Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII.
2016 erhielten fast 90.000 junge Menschen Eingliederungshilfe nach § 35 a. Die Fallzahlen sind deutlicher gestiegen als bei den H.z.E., sie haben sich seit 2008 verdoppelt. Dabei sind erhebliche regionale Unterschiede bei der Gewährung und Ausgestaltung der Leistungen und ihrer Inanspruchnahme festzustellen (90). Dabei sind es drei große Bereiche der Eingliederungshilfe: Heilpädagogische Leistungen, Unterbringung in einer Wohneinrichtung, vor allem Hilfen zur angemessenen Schulbildung (35.000 in Einrichtungen, 36000 außerhalb von Einrichtungen, bezogen auf 2016 [99]). Dem entspricht die Zunahme der Ausgaben für in diesem Bereich.
Bei den Hilfen nach § 35 a handelt es sich mit 80 % um ambulante Hilfe, welche oft im Zusammenhang mit der Schule geleistet werden. Adressaten sind hauptsächlich 10 bis 14 jährige männliche Kinder und Jugendliche beim Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule. Nach dem Mikrozensus 2016 handelt es sich bei Alleinerziehenden Familien um 20 % aller Familien, dagegen lebten zum Zeitpunkt der Hilfegewährung nach § 35 a 31 % der Leistungsempfänger/-innen in Alleinerziehenden Familien, bei stationären Hilfen mit 40 % ist dieser Unterschied noch auffallender (91).
Insgesamt zeigt sich ein Trend zu längeren und intensiveren ambulanten Eingliederungshilfen (96). Während für ambulante Hilfen gilt, dass sie nach Plan beendet werden, gilt das für die Mehrzahl der stationären Eingliederungshilfen nicht.
Hingewiesen wird mehrmals auf die Debatte um die Große Lösung für diesen Bereich, also die Absicht, die Eingliederungshilfe für minderjährige mit Behinderung, welche jetzt zwischen der Kinder- und Jugendhilfe (seelische Behinderung) und der Sozialhilfe (körperliche und geistige Behinderung) aufgeteilt ist, unter dem Dach des Jugendamtes zusammenzufassen.
Kapitel 6 Behandelt die Kinder und Jugendarbeit (§ 11 ff. SGB VIII). Fasst man die Ergebnisse knapp zusammen, zeigt sich, dass Jugendliche nur einen Teil der Nutzer der Jugendarbeit bilden (110), von 16815 einrichtungsbezogenen offenen Angeboten finden rund 40 % in einem „Jugendklub/​Jugendtreff/​Stadtteiltreff statt, ein weiteres großes Angebot sind 4.600 Jugendzentren. Angemerkt wird nach der KJH Statistik, dass vor allem die einrichtungsbezogenen Angebote eine knappe Ressource sind, 'die sich viele junge Menschen teilen müssen'“ (115). In diesem Angebotsbereich, ist ein hoher Anteil von Ehrenamtlichen festzustellen. Insgesamt ist die Zahl der hier tätigen Personen seit Mitte der 2000er Jahre aber zurückgegangen.
Die Ausgaben für diesen Bereich sind von 2006 -15 nominal und real gestiegen, aber geringer als für andere Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe.
Das 7. Kapitel beschäftigt sich mit der Jugendsozialarbeit, d.h. mit der ausbildungsbezogenen Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit, der Eingliederungshilfe für junge Migranten in der Jugendsozialarbeit, (131), und der unterkunftsbezogenen Jugendsozialarbeit. Dabei wird angeführt, dass in praktisch allen Bereichen der Jugendsozialarbeit Überschneidungen mit und zu anderen Rechtskreisen bzw. Leistungsbereichen bestehen. Diese Situation der Jugendsozialarbeit findet ihren Ausdruck auch darin, dass die Ausgaben für die Jugendsozialarbeit mit einem Anteil von 1,3 % an den Ausgaben der Kinder und Jugendhilfe relational oder auffallend gering ist (134).
Die Gefährdungseinschätzung nach § 8a SGB VIII behandelt Kapitel 8, die Inobhutnahme Kapitel 9. Die Anzahl der Verfahren nach § 8a SGB VIII ist von ca. 115.000 in 2013 auf ca. 137.000 in 2016 angestiegen (136). Dabei betrifft dies nicht nur Kinder und Jugendliche, welche bereits Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe erhalten, das gilt für etwa die Hälfte der Kinder in diesen Verfahren (144).
Festzustellen ist, dass die Gesamtfallzahl der Inobhutnahmen zwischen 2010 und 2016 deutlich gestiegen ist, von 36.343 auf 84.230. Mehr als die Hälfte der Inobhutnahmen waren zwischen 2015/16 den unbegleiteten ausländischen Minderjährigen (UMA) zuzuordnen (146).
Die Zahl der Inobhutnahmen ist dabei -ohne Berücksichtigung der UMA-, zwischen 2015 bis 16 erneut um 3.600 angestiegen. Der Report verbindet dies mit der These, dass dies besonders männliche Jugendliche betreffe, die bereits früher eingereist waren und aus anderen Gründen als der Einreise wieder in Obhut genommen wurden (147).
Kapitel 10 behandelt als andere Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, die Amtsvormundschaft, die Amtspflegschaft und die Beistandschaft, Kapitel 11 die Adoptionen.
Die Beistandschaft umfasst mit 538.300 Fallzahle gegenüber 69.700 Amtsvormundschaften, sie ist in diesem Bereich das größte Arbeitsfeld.
Die quantitative Bedeutung der Adoption ist sehr gering. Dabei wird angemerkt, dass die Anzahl des Personals, bedenkt man die „Einhaltung eines Vier Augenprinzips“ deutlich zu gering (170) ist.
Kapitel 12 bringt Kennzahlen zu den Jugendämtern, Kapitel 13 zum ASD. Das Personal der Jugendämter zeigt von 2006 bis 2016 einen erheblichen Anstieg. Das gilt sowohl für die Zahl der im JA tätigen Personen von 33.552 auf 51.451, wie für die VZÄ (full time Äquivalent), von 28.158 auf 43.765 (178). Dabei verfügt die Mehrheit des Jugendamtspersonals über einen sozialpädagogischen akademischen Abschluss, knapp ein Drittel des Personals 32,7 % ist den Verwaltungsberufen zuzuordnen. Betrachtet man das Leitungspersonal der Jugendämter, so verfügen 60 % über einen sozialpädagogischen akademischen Abschluss, 30 % über einen verwaltungsbezogenen Abschluss.
Der ASD, der regional ganz unterschiedlich bezeichnet wird, gehört dabei, Kapitel 13, zu dem Arbeitsfeld mit dem höchsten Anteil von Personal, das über eine fachlich einschlägige akademische Ausbildung verfügt. Dabei wurden die Unterschiede zwischen Ost- und West immer geringer (185). Die Bedeutung des ASD wird auch dadurch deutlich das die Kommunen die Personalressourcen des ASD 2016 gegenüber 2006 fast verdoppelt haben (186).
Als Schwerpunktthema ist Kapitel 14 den schutz- und asylsuchen jung en Menschen gewidmet, die bereits zuvor in verschiedenen Aufgabenfelder unterschiedliche Aufmerksamkeit erhalten hatten.
Als zentrale Ergebnisse werden dabei festgehalten: Ende 2016 lebten mehr als 400.000 Kinder und Jugendliche aus schutz- und asylsuchenden Familien in Deutschland. In Obhut hielten sich knapp 9.500 auf. Die Kinder und Jugendlichen kamen dabei aus ganz unterschiedlichen Herkunftsländern, am häufigsten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak (199). Jeder vierte war dabei 2016 unter 18 Jahre alt.
Schutz und asylsuchende Jugendliche und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, welche 2016 Inobhut genommen wurden, lebten zu 84 % in einer Einrichtung oft in einer betreuten Wohnform, das gilt auch für die Zeit im Anschluss an die Inobhutnahme.
Diskussion
Der Report ermöglicht, die Kinder und Jugendhilfe als Ganzes in den Blick zu nehmen, d.h. als ein eigenes soziales Leistungssystem für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige. Dieser Blick kann differenziert werden unter verschiedenen Aspekten, nach deren Familiensituation und Bildungsbeteiligung, nach dem Personal und seiner Qualifikation, und nach der Finanzierung der „Teile“ des Ganzen. Die Möglichkeiten der Darstellung oder Abbildung als Ganzes, ist dabei, je nach der statistischen Erfassung eines Arbeitsfeldes unterschiedlich. Am besten wohl bei den erzieherischen Hilfen, oder bei der Kindertagesbetreuung, am wenigsten genau bei der Jugendsozialarbeit.
Dies ändert nichts daran, dass der Report deutlich macht, dass es sich bei der Kinder- und Jugendhilfe um ein basales soziales, genauer sozialpädagogisches Leistungssystem für das Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen in Deutschland handelt. Genauer gesagt, was der Report vielleicht schwerpunktmäßig hervorheben sollte, um ein soziales Leistungssystem für Kinder in Familien mit prekären Arbeitsverhältnissen oder hohen Transferleistungen, für Kinder in Familien mit Alleinerziehenden und für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Dabei werden die Diskurse, welche in den letzten Jahren um die Entwicklung der Kinder und Jugendhilfe geführt wurden, manchmal erwähnt, etwa bei der Frage der großen Lösung für die Eingliederungshilfe, aber auch dies geschieht eher zurückhaltend. Hier wäre mehr wünschenswert gewesen.
Fazit
Auch wenn statistische Zahlen nicht nur wegen möglicher Dunkelziffern, wie etwa bei dem Thema Kindeswohlgefährdung kontextsensibel zur Kenntnis zu nehmen sind, bietet der Report einen Rahmen, in dem jedes Arbeitsfeld der Kinder und Jugendhilfe in seinem Beitrag zu diesem Leistungssystem eingeordnet, beobachtet und wertgeschätzt werden kann. Der Report ist also für jeden hilfreich und informativ, der in diesem System arbeitet oder aus welchen Gründen auch immer, den Blick von außen auf das System zu werfen hat.
Rezension von
Prof. Dr. Eckart Riehle
em. Professor für öffentliches Recht und Sozialrecht an der Fachhochschule Erfurt. Rechtsanwalt, Karlsruhe
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Es gibt 55 Rezensionen von Eckart Riehle.
Zitiervorschlag
Eckart Riehle. Rezension vom 12.02.2020 zu:
Thomas Rauschenbach, Thomas Mühlmann, Matthias Schilling, Jens Pothmann, Christiane Meiner- Teubner et al.: Kinder- und Jugendhilfereport 2018. Eine kennzahlenbasierte Analyse. Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2019.
ISBN 978-3-8474-2240-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/25654.php, Datum des Zugriffs 14.09.2024.
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