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Rudolf Bieker: Soziale Arbeit studieren

Rezensiert von Conny Martina Bredereck, 14.09.2020

Cover Rudolf Bieker: Soziale Arbeit studieren ISBN 978-3-17-036210-9

Rudolf Bieker: Soziale Arbeit studieren. Leitfaden für wissenschaftliches Arbeiten und Studienorganisation. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2019. 4., aktualisierte Auflage. 291 Seiten. ISBN 978-3-17-036210-9. D: 32,00 EUR, A: 32,90 EUR, CH: 38,40 sFr.
Reihe: Grundwissen soziale Arbeit - Band 1.

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Thema

Rudolf Bieker wendet sich mit seinem Buch an Studierende der Sozialen Arbeit und die, die es werden wollen, und liefert Informationen, Anregungen etc. um den Studieneinstieg sowie den Studienverlauf erfolgreich und proaktiv zu gestalten. Neben Tipps, Beispielen und Literaturhinweisen zur Vertiefung erhalten die Studierenden konkrete Arbeitsblätter und Vorlagen, die sie für sich nutzen oder entsprechend ihrer eigenen Anliegen passgenau modifizieren können.

AutorIn

Rudolf Bieker ist emeritierter Professor für „Theorie und Struktur Sozialer Dienste/​Sozialverwaltung“ und war 25 Jahre an der Hochschule Niederrhein im Fachbereich Sozialwesen tätig. In den 70er Jahren studierte er in Düsseldorf und Köln Erziehungswissenschaft, Soziologie und Psychologie, bevor er im Jahr 1989 im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften promovierte. Heute arbeitet er als freiberuflicher Lektor für Sozialwissenschaften.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist in sechs Abschnitte gegliedert, die jeweils für das Studium unterschiedlich relevante Themenkomplexe bearbeiten und vertiefen.

Abschnitt A – Soziale Arbeit studieren

Im ersten Abschnitt widmet sich Bieker der Organisation und dem Lernen im Studium. Im Gegensatz zur Schule haben Studierende an Hochschulen und Universitäten einen umfangreicheren Gestaltungsspielraum, aber auch ein höheres Maß an Eigenverantwortung. Er empfiehlt bereits mit Beginn des Studiums die Auseinandersetzung mit allen zur Verfügung stehenden Informationsmedien. Dazu gehören neben der Studien- und Prüfungsordnung auch Regelungen zu Praktika oder Modulhandbücher. Bieker spricht sich für eine strategische und priorisierte Zielsetzung während des Studiums aus, unter Berücksichtigung persönlicher Voraussetzungen und der zur Verfügung stehenden zeitlichen Ressourcen. So können individuelle Schwerpunkte, aber auch Auslandssemester konkreter und passgenauer geplant werden, sind weniger dem Zufall überlassen und führen nicht zu ’bösen’ Überraschungen am Ende des Studiums. In den Lehrveranstaltungen sollten Studierende aktiv zuhören und zentrale Aussagen mitschreiben, um sich am Seminargeschehen beteiligen und im Anschluss die Veranstaltung vor- und nachbereiten zu können. Für die adäquate Umsetzung des Lesepensums, sollen sich Studierende Leseziele setzen und Exzerpte anfertigen. Neben dem „lesenden Lernen“ (S. 36 ff.) versteht Bieker das Studium auch als „schreibendes Lernen“ (S. 39 ff.), d.h. über Mitschriften, (Roh-)Texte, (Lern-)Tagebücher, Studienleistungen etc. wird Gehörtes und Gelesenes zu Papier gebracht, gewichtet, erläutert und vertieft. Das Lernen in der Gruppe (S. 44 ff.) stellt für ihn eine besondere Form der Auseinandersetzung mit Lehrinhalten dar, aus der ein tieferes Verständnis, die Diskussion unterschiedlicher Perspektiven oder das Minimieren von Informationsverlusten folgen kann. In einem kurzen Kapitel widmet sich Bieker noch dem E-Learning, wobei er dieses als Ergänzung und nicht als Ersatz für das Lernen in und durch Präsenzveranstaltungen sieht.

Abschnitt B – Wissenschaftliches Arbeiten

In diesem Abschnitt erläutert Bieker das Grundverständnis der Wissenschaft, die auf begründete Art und Weise an überprüfbare und nachvollziehbare Erkenntnisse gelangt. Diese sollten gezielt gewonnen und kontrollierbar sein, sollten kritisch reflektiert und in präziser Sprache verfasst werden. Begründete Zweifel sieht er als „Motor des Erkenntnisfortschritts“ (S. 52). Bieker stellt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Alltagswissen und wissenschaftlichem Wissen dar und konstatiert einen kritisch prüfenden Umgang mit Wissen als eine entscheidende Grundhaltung wissenschaftlichen Arbeitens. Da die Sozialwissenschaften die soziale Wirklichkeit beschreiben, erklären, Entwicklungen prognostizieren und Handlungsoptionen aufzeigen sollen, erläutert er anschaulich unter Anwendung von Beispielen diese Begriffe. Es wird die Frage gestellt, was Wissenschaft und Wahrheit gemeinsam und welche Bedeutung Werturteile in der Wissenschaft haben. Die Einhaltung wissenschaftlicher Standards stellt für Bieker letztlich eine grundlegende Haltung wissenschaftlichen Arbeitens dar. In diesem nachvollziehbaren Prozess zeige sich, wie Schritt für Schritt Wissen erschlossen und neues Wissen geschaffen wird sowie kognitive und sprachlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten erweitert werden.

Abschnitt C – Schriftliche Arbeiten erstellen

„Eine wissenschaftliche Arbeit ist kein Billy-Regal. Es gibt zwar typische Arbeitsschritte, aber keine mechanisch abzuarbeitende Bauanleitung. Ihre geistige Kreativität ist gefragt.“ (S. 73). Mit diesen Worten leitet Bieker das umfangreichste Kapitel seines Buches ein. Im Folgenden werden die Studierenden in die verschiedenen Schritte eines Schreibprozesses mitgenommen, die ein eindrucksvolles Bild entstehen lassen, was in diesem Bereich beachtet werden muss. Er beschreibt das Entstehen einer wissenschaftlichen Arbeit als ein nacheinander, gleichzeitig, voranschreiten, zurückkehren und überlagern (S. 73). Damit macht er deutlich, dass dem wissenschaftlichen Arbeiten diffuse Momente eigen sind. Gleichzeitig entlastet er die Studierenden, denen diese Arbeitsweise oft neu ist und bietet im weiteren Verlauf ein strukturiertes Vorgehen an, um trotz der Widrigkeiten den Überblick behalten zu können. An dieser Stelle verweist er erneut auf die Notwendigkeit eines geplanten Vorgehens, damit wertvolle Zeit gespart werden kann und weniger unter Druck gearbeitet werden muss. Er gibt einen Überblick über die einzelnen Arbeitsschritte und unternimmt den Versuch, einen Zeitbedarf für diese einzelnen Schritte abzuschätzen. Für die Suche nach einem Thema und einer Fragestellung gibt er konstruktive Hinweise und Beispiele. Allerdings wird betont, dass Thema, Fragestellung, Vorgehensweise etc. unbedingt in einem engen Kontakt und unter klarer Benennung der Erwartungen mit der/dem BetreuerIn der jeweiligen Arbeit abgesprochen werden sollte. Ausführlich widmet sich Bieker dem Thema der Literaturrecherche, indem er beispielsweise geeignete Quellen benennt, auf nicht zitierwürdige Quellen verweist, Tipps für die Literatursuche gibt und die für die Soziale Arbeit wichtigsten Datenbanken vorstellt. Die auf diesem Weg recherchierte Literatur muss im nächsten Schritt beschafft und gesichtet werden. Anschließend folgt die Sortierung in relevante und nicht-relevante Literatur. Diesem Arbeitsschritt schließt sich die Auswertung der Literatur an. Unter Auswertung versteht Bieker die Erschließung, Aufbereitung und Auseinandersetzung mit dem Text. Um die ausgewerteten Quellen in einem Manuskript ordnen und abfassen zu können, wird eine Gliederung benötigt. Bieker benennt Schlüsselworte für diese, setzt sich mit Gliederungsebenen auseinander und erläutert die formale Struktur eine Gliederung. Anschließend folgen grundlegende Hinweise für das Formulieren des eigenen Textes. Dabei geht es in erster Linie um die Basics, also beispielsweise wie ist der Umgang mit Abbildungen und Tabellen, was für eine Sprache wird verwendet, wie werden Einleitung, Hauptteil und Schluss verfasst und wie wird ein Rohentwurf überarbeitet. Das Thema Zitieren wird ausführlicher von Bieker berücksichtigt, da die Gefahr eines Plagiatsvorwurfs besteht und es häufig zu Unsicherheiten seitens der Studierenden kommt. Es folgen dann viele Formalien des Zitierens, der Seitenzählung, des Literaturverzeichnisses etc. Dieser Abschnitt bietet einen breiten Überblick zu Arbeitsschritten und Verfahrensweisen hinsichtlich der Erstellung wissenschaftlicher Arbeiten. 

Abschnitt D – Seminarvorträge halten

Bieker erläutert einleitend die unterschiedlichen Ziele eines Seminarvortrags. Zum einen sollen Studierende lernen, sich einen Forschungsgegenstand systematisch zu erschließen. Zum anderen soll damit ein Lernzuwachs bei den Zuhörenden erzielt werden. Letztlich dient der Seminarvortrag häufig als Studien-oder Prüfungsleistung. Wie bereits in den vorhergehenden Kapiteln bietet Bieker ein planvolles und zielgerichtetes Vorgehen an. Im ersten Schritt stünden Vorüberlegungen zum Ziel des Seminarvortrages an, über die Zielgruppe, die Rahmenbedingungen wie Umfang, Dauer etc. Es folgt ein Verweis auf die Notwendigkeit der Recherche und Auswertung einschlägiger Literatur. Ausgehend von diesem entstandenen Basistext können im Anschluss ein Stichwortmanuskript und die Folien erstellt werden. Es folgt ein Leitfaden für die verschiedenen Elemente eines Seminarvortrages, wie bereits in den vorhergehenden Kapiteln untermalt durch verschiedene Beispiele und Empfehlungen. Für das Nachgespräch wird den Studierenden empfohlen, das empfangene Feedback als wohlwollend aufzunehmen, die Rückmeldungen konstruktiv für die Zukunft zu nutzen und nicht in Entschuldigungen und Rechtfertigungen zu verfallen. Diese Rückmeldungen sollen in der Regel einen Lernprozess begleiten und Anregungen für die nächste Arbeit geben. Darüber hinaus gibt Bieker hilfreiche Tipps für Studierende, die unter großem Lampenfieber und damit verbundener Sprechangst leiden.

Abschnitt E – Klausuren und mündliche Prüfungen bewältigen

Klausuren und mündliche Prüfungen gehören zu den zentralen Prüfungsformen des Studiums. Im folgenden Kapitel bietet Bieker einen Überblick zu unterschiedlichen Frageformen, typischen Aufgabenstellungen, Gestaltungsformen von mündlichen Prüfungen und einem möglichen Ablauf einer mündlichen Prüfung. Für die Vorbereitung auf Prüfungen gibt es diverse Tipps, die Studierende kontinuierlich und bereits im laufenden Semester nutzen können. Als ersten Schritt wird die aktive Beteiligung in den Seminaren benannt sowie die Vor- und Nachbereitung dieser und die Erstellung eigener Mitschriften, wie bereits im Abschnitt A näher erläutert. Durch diese mündliche und schriftliche Auseinandersetzung mit den Seminarinhalten solle ein tiefer durchdrungenes Wissen nachhaltig erworben werden, das dann in der Prüfungsvorbereitung leichter abgerufen werden kann. Erneut appelliert er an die Studierenden Lerngruppen zu bilden, um über die gemeinsamen Diskussionen und Auseinandersetzungen mit dem Prüfungsstoff das eigene Wissen zu erweitern und zu festigen.

Abschnitt F – Studieren mit Portfolios

Den letzten Abschnitt widmet Bieker dem Portfolio, aus seiner Sicht „… ein didaktischer Silberstreif am Hochschulhorizont“ (S. 251). Dieser Arbeitsmappe können pflicht- oder wahlweise im Laufe eines Semesters diverse Studienergebnisse beigelegt werden, die für die persönliche Lernerfahrung, als Studien- und Prüfungsleistung oder für die Dokumentation und Reflexion eigener Lernerfolge und -fortschritte genutzt werden können.

Diskussion

Das Buch bietet Studierenden der Sozialen Arbeit unabhängig von Semester und Qualifizierungsgrad (Bachelor oder Master) einen umfangreichen Überblick über das Studium und Wertvolles an Hintergrundwissen, Tipps, Beispielen, Vorlagen, Techniken etc. So können Studierende gezielt befähigt werden, ihr Studium bezogen auf Studienorganisation und -inhalte proaktiv zu gestalten. Bieker macht deutlich, dass das Studium als ein Prozess anzusehen ist, der für alle überschaubar und somit planbar gemacht werden kann. Grundsätzlich gibt der Leitfaden einen breiten Überblick und legt den Grundstein für das wissenschaftliche Arbeiten. Die Vertiefung einzelner Aspekte kann über zusätzliche Literatur, auf die Bieker konsequent verweist, erfolgen. Alle benannten Beispiele beziehen sich ausschließlich auf Themen innerhalb der Sozialen Arbeit, sodass Studierende zusätzlich einen Einblick in die Vielfalt der Arbeitsfelder und Perspektiven der Sozialen Arbeit erhalten und sich stärker mit der eigenen Profession identifizieren können. Es gelingt Bieker in außerordentlicher Weise den Mythos des wissenschaftlichen Arbeitens seitens der Studierenden aufzubrechen und auf einzelne, überschaubare Arbeitsschritte zu reduzieren. So können Studierende systematisch unter Anwendung des Leitfadens wissenschaftliche Arbeiten und Seminarvorträge erstellen und sich auf mündliche und schriftliche Prüfungen adäquat vorbereiten. Ein weiterer Appell an die Studierenden ist die Etablierung von Lerngruppen und somit das Teilen von Informationen und Wissen, um voneinander zu profitieren und das Erlernte zu vertiefen. Interessant in der heutigen Zeit ist auch der Fakt, dass Bieker digitale Lehre als Ergänzung zur Präsenz im Studium sieht. Damit greift er, ohne es zum Entstehungszeitpunkt des Buches geahnt zu haben, einen aktuell sehr kontrovers geführten Diskurs innerhalb der Lehre auf.

Als angemessene Ergänzung zu Bieker’s Leitfaden möchte ich das Buch „Uni-Angst und Uni-Bluff heute“ von Wolf Wagner mit seinem analysierenden und kritischen Blick hinter die Kulissen der Universitäten und Hochschulen empfehlen. Einige Diskussionen und Vorgehensweisen innerhalb der Hochschullandschaft könnten für Studierende nachvollziehbarer und verständlicher werden.

Fazit

Bieker hat mit seinem Leitfaden ein wertvolles Instrument für Studierende der Sozialen Arbeit geschaffen, das als Standardwerk im Bücherregal eines/​einer jeden Studierenden stehen sollte. Er unternimmt einen gelungenen Versuch, so wenig Fragen zur Studienorganisation und zum wissenschaftlichen Arbeiten wie möglich offen zu lassen und die Theorie mit der Praxis zu verzahnen. Seine Aussagen zum wissenschaftlichen Arbeiten werden durchweg mit Beispielen und wertvollen Tipps unterlegt. So werden die einzelnen Arbeitsschritte deutlich, handhabbar und verlieren Komplexität. Eine Vertiefung des Buches lohnt sich insofern, als dass immer wieder interessante Informationen preisgegeben werden. Mit diesem Leitfaden sind Studierenden gut gerüstet, um die unterschiedlichen Anforderungen des Studiums zu meistern.

Rezension von
Conny Martina Bredereck
Sozialarbeiterin/-pädagogin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humanistischen Hochschule Berlin (HHB), Schwerpunkte: Jugend- und Schulsozialarbeit, Traumapädagogik und Biografiearbeit, Freie Dozentin und Supervisorin (DGSv)
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Es gibt 6 Rezensionen von Conny Martina Bredereck.

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ISSN 2190-9245