Hanna Gaspard, Ulrich Trautwein et al.: Diagnostik und Förderung von Motivation und Volition
Rezensiert von Mathias Dehne, 29.04.2020

Hanna Gaspard, Ulrich Trautwein, Marcus Hasselhorn: Diagnostik und Förderung von Motivation und Volition.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2019.
211 Seiten.
ISBN 978-3-8017-3001-7.
39,95 EUR.
CH: 48,50 sFr.
Reihe: Tests und Trends in der pädagogisch-psychologischen Diagnostik - 17.
Thema
Die Motivationsforschung erfährt fortwährende Zuwächse hinsichtlich neuentwickelter Skalen, wobei ein Kompendium in deutscher Sprache für die überhäufig in englischer Sprache publizierten Instrumente (wenngleich auch hier eine Beteiligung deutschsprachiger Wissenschaftler/​-innen punktuell vorliegt) bisweilen noch nicht verfügbar war. Passenderweise im Hogrefe Verlag wurde im Rahmen der Reihe Tests und Trends in der pädagogisch-psychologischen Diagnostik nun ein entsprechender Band herausgegeben. Mit Hanna Gaspard und Ulrich Trautwein waren herausgebend zwei Autor/​-innen beteiligt, die ihre Forschung auf dem Gebiet der Motivationsförderung (Gaspard, Dicke, Flunger, Brisson, et al., 2015; Gaspard, Dicke, Flunger, Schreier, et al., 2015) und ihre Erfahrungen um Entwicklung, Erprobung und Evaluation von Skalen sowie junger Ansätze innerhalb international renommierter Journals platzieren konnten. Überdies konnten sie so maßgeblich dazu beitragen, dass großangelegte Nützlichkeitsintervention (sog. wise interventions) erstmalig in Deutschland durchgeführt wurden. Neben diesen Beiträgen, die durch die Tübinger/​-innen geprägt worden sind, bietet das Buch eine überblicksartige Zusammenschau einer Vielzahl relevanter Instrumente und erster hiermit korrespondierender Befunde, z.B. dem bekannten Grit-Instrumentarium, zum Selbstkonzept oder zum selbstregulierten Lernen.
Herausgeber/​-innen
Dr. rer nat. Hanna Gaspard ist als Nachwuchsgruppenleiterin und Post-Doktorandin am Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung der Eberhard Karls Universität Tübingen tätig.
Am selben Institut forscht auch Prof. Dr. Ulrich Trautwein als Professor für Empirische Bildungsforschung. Zwischen 2009 und 2014 war er hinsichtlich der Anzahl an Publikationen viertproduktivster Forscher in renommierten Fachzeitschriften der Pädagogischen Psychologie.
Prof. Dr. Marcus Hasselhorn ist Leiter des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt/Main. Seine langjährige Forschungstätigkeit wurde u.a. auf der bekannten entwicklungspsychologischen/pädagogisch-psychologischen Fachgruppentagung PAEPSY 2017 in Münster mit einem eigenen Symposium geehrt.
Aufbau und Inhalt
Die folgenden Beiträge werden im Band behandelt:
- Motivation und Volition im Schulalter: Einführung und Überblick
- Standards der Diagnostik von Motivation im Schulalltag
- Diagnostische Kompetenz von Lehrpersonen hinsichtlich motivationaler Merkmale von Schülerinnen und Schülern
- Diagnostik des Fähigkeitsselbstkonzepts mit den Skalen zur Erfassung des schulischen Selbstkonzepts (SESSKO)
- Diagnostik schulfachspezifischer Selbstkonzepte: Differentielles Schulisches Selbstkonzept-Gitter (DISK-Gitter)
- Erfassung von Wertüberzeugungen
- Diagnostik von Zielorientierungen: SELLMO
- Gewissenhaftigkeit: Definition, Erfassung und Relevanz im Schulkontext
- Grit: Beharrlichkeit und beständiges Interesse bei der Verfolgung von langfristigen Zielen
- Grundlagen der Förderung von Motivation
- Förderung von Wertüberzeugungen durch Nützlichkeitsinterventionen
- Interventionen zur Förderung selbstregulierten Lernens
- Wenn-Dann-Pläne und Mentale Kontrastierung als Strategien zur Förderung der Selbstregulation
Die Beiträge greifen eine Bandbreite motivational-relevanter Einflussfaktoren auf Lehr-/​Lernprozesse und zugehörige junge Forschungsbefunde auf. Hierbei wird ebenso auf relevante Kompetenzfacetten von Lehrkräften Bezug genommen. Zudem wird einerseits auf die eingangs genannten Tübinger Skalen als auch die gezielte Förderung bestimmter Konstrukte im Rahmen von Nützlichkeitsinterventionen rekurriert und zudem Konzepte dargelegt, die wie Grit beispielsweise ebenso eine erhöhte populärwissenschaftliche Betrachtung erfahren haben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der erste Teil des Buches auf die „bloße Erfassung“ von Motivation fokussiert ist und im zweiten Teil ebenso ein Ausblick gewagt, wie erfasste Konstrukte konkret – d.h. qua Interventionen – gefördert werden können.
Diskussion
Das Buch bietet einen bislang in dieser Form deutschsprachig nicht vorliegenden Fundus an Instrumenten, die in motivationalen Studien eingesetzt werden oder gegebenenfalls für die eigenen disziplinären Grenzen adaptiert werden können. Über den Verweis auf Nützlichkeitsinterventionen wird so ein ganzer Bereich inklusive der zugrundeliegenden expectancy-value theory (Wigfield & Eccles, 2000) für deutschsprachige Lesende zugänglich gemacht, was einen großen Vorteil des Werkes ausmacht. Ein gewisser Neuigkeitsanspruch, der auf Basis der weitgehend international geführten Diskurse um Förderung von Nützlichkeitsüberzeugungen nun auch im Hogrefe Verlag vorliegt. Würde man diesen Aspekt weiterdenken, stünden – bezogen auf die expectancy-value theory – demnächst neuere Errungenschaften, d.h. Interventionsansätze, um die attainment values (beigemessene Bedeutung bei Aufgabenerledigung) oder costs bevor (Kosten, die beispielsweise durch Ausführung einer und Vernachlässigung einer anderen Aufgabe entstehen). Es wäre wünschenswert, wenn die Forschung über Motivation in diesem Werk peu à peu im Rahmen neuer Auflagen „aufgefrischt“ wird.
Fazit
Der vorliegenden Band bietet einen raschen Überblick über die Erfassung zentraler motivationaler Bereiche sowie zum Teil deren Förderung und eröffnet gleichzeitig den Tellerrand für jüngere Publikationen aus der englischsprachigen Forschung. Für Forschende auf der Suche nach einer deutschen Zusammenfassung oder einer Übersetzung bestimmter Instrumente ist dies zukünftig eine der ersten Anlaufstellen.
Literatur
Gaspard, H., Dicke, A.-L., Flunger, B., Brisson, B. M., Häfner, I., Nagengast, B., & Trautwein, U. (2015). Fostering adolescents' value beliefs for mathematics with a relevance intervention in the classroom. Developmental Psychology, 51(9), 1226–1240.
Gaspard, H., Dicke, A.-L., Flunger, B., Schreier, B., Häfner, I., Trautwein, U., & Nagengast, B. (2015). More value through greater differentiation: Gender differences in value beliefs about math. Journal of Educational Psychology, 107(3), 663–677.
Wigfield, A., & Eccles, J. S. (2000). Expectancy-value theory of achievement motivation. Contemporary Educational Psychology, 25(1), 68–81.
Rezension von
Mathias Dehne
M.A., Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Schulpädagogik und Unterrichtsforschung, Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er forscht zur motivationalen Entwicklung und Förderung angehender Lehrkräfte im Kontext seiner Dissertation.
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