Naomi Feil, Evelyn Sutton et al.: Trainingsprogramm Validation. Baustein 2
Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 12.03.2002

Naomi Feil, Evelyn Sutton, Francis Johnson: Trainingsprogramm Validation. Baustein 2. Ernst Reinhardt Verlag (München) 2001. 39 Seiten. ISBN 978-3-497-01559-7. 16,90 EUR. CH: 30,10 sFr.
Zur Thematik und Vorgeschichte des Buches
Siehe hierzu die Ausführungen in meiner Rezension "Naomi Feil: Validation: Ein Weg zum Verständnis alter Menschen." (vgl. die Rezension www.socialnet.de/rezensionen/260.php)
Inhalt
Der Baustein 2 des Trainingsprogramms hat die "Verbalen und nonverbalen Validationstechniken" zum Inhalt.
Vorab wird noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass es äußerst wichtig ist, die augenblickliche Aufarbeitungsphase des Verwirrten erkennen zu können, da sich einige Techniken nur für bestimmte Phasen eignen.
Die Validationstechniken, die jeweils mit einer rollenspielartigen Übung vertieft oder veranschaulicht werden, sind im einzelnen:
- Zentrieren
- Sachliche Fragen stellen
- Wiederholen
- Nach dem Extremen fragen (Polarität)
- Sich das Gegenteil vorstellen
- Erinnern
- Das bevorzugte Sinnesorgan erkennen und ansprechen
- Blickkontakt halten und mit teilnahmsvollem Ton sprechen
- Mit Gefühl ein Gefühl ausdrücken helfen
- Mehrdeutigkeit (mehrdeutige Ausdrücken verwenden)
- Spiegeln
- Das Verhalten mit einem unerfüllten Grundbedürfnis in Verbindung bringen
- Berühren
- Musik einsetzen
Auf Wahnvorstellungen wie z. B. ‚ein Mann unter dem Bett‘ gilt es mit der Validationstechnik "Sich das Gegenteil vorstellen" mit folgenden Fragen "Ist er immer da?
Gibt es bestimmte Zeiten, zu denen er nicht da ist?" zu reagieren.
Auf die Vorstellung, bestohlen worden zu sein, soll mit der Validationstechnik "Sachliche Fragen stellen" wie z. B. "Was fehlt von Ihren Sachen?" geantwortet werden, denn "auf einer tieferen Bewusstseinsebene weiß die alte Frau, dass sie ihren Schmuck versteckt hat, aber sie möchte sich dieses Wissen nicht bewusst machen." (Seite 19)
Kritische Würdigung
Wie bereits an anderer Stelle (vgl. die Rezension zu Baustein 1) ausgeführt, zeigt sich bei diesem Trainingsprogramm recht deutlich, dass mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen in ihrer Bedeutung als existentielle Bedrohung für die Betroffenen aufgrund des Konstruktes "Unbewusstes" fachlich nicht angemessen umgegangen wird, so dass hier aus der Sicht der psychogeriatrischen Pflege ein eklatantes Fehlverhalten vorliegt.
Des weiteren kann angeführt werden, dass es sich bei den "Validations-Techniken" um eine Reihe äußerst divergenter Kontakt- und Umgangsweisen handelt, die in ihrer Zusammen-stellung recht willkürlich und damit eklektizistisch wirken:
- überwiegend gesprächstherapeutisch orientierte Verbalisierungen
- Kommunikationsformen aus der psychogeriatrischen Pflege (Blickkontakt, Berühren)
- Ein Vorgehen aus dem Bereich des so genannten "Neurolinguistischen Programmieren" (das bevorzugte Sinnesorgan erkennen und ansprechen)
- psychoanalytisch orientiertes Vorgehen (mittels des "Symbolik"-Konzepts die "unerfüllten Grundbedürfnisse" ermitteln)
- milieutherapeutisches Vorgehen (Musik einsetzen)
Ein großes Manko ist auch die ständige Ermittlung der so genannten augenblicklichen "Aufarbeitungsphase" bei den Verwirrten, bevor man zur Anwendung der Validations-Techniken übergehen darf. Es gilt nicht nur zu bemängeln, dass es hierbei um ein bloßes Ideengebilde ohne realen Bezug handelt, sondern es ist gleichzeitig eine gravierende Barriere zwischen Pflegekraft und Demenzkranken, die kein spontanes und intuitives Agieren und Reagieren zulässt.
Fazit
Dieser Teil des Trainingsprogramms verdeutlicht, in welchem Ausmaß Validation die natürlichen zwischenmenschlichen Interaktionen, die intuitiv quasi "aus dem Bauch heraus" das Miteinander bestimmen, geradezu in ein enges Korsett aus weltfremden Regeln und Ritualen zwängt.
Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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