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Thomas Knaus: Forschungswerkstatt Medienpädagogik

Rezensiert von Michael Christopher, 31.01.2020

Cover Thomas Knaus: Forschungswerkstatt Medienpädagogik ISBN 978-3-86736-520-8

Thomas Knaus: Forschungswerkstatt Medienpädagogik. Projekt – Theorie – Methode [Band 3]. kopaed verlagsgmbh (München) 2019. 405 Seiten. ISBN 978-3-86736-520-8. D: 19,80 EUR, A: 20,40 EUR.

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Thema

Die Medienpädagogik ist eine zwar nicht mehr junge Wissenschaft, die jedoch im Wissenschaftskanon eine lange Zeit lediglich eine marginalisierte Rolle spielte. Dennoch werden die Aufgaben der Medienpädagogik heutzutage immer stärker gesellschaftlich diskutiert, besonders auch in Bezug auf die Stärkung der Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen. Heute hat sie sich in der Wissenschaft etabliert und in den Sozialwissenschaften als Untergebiet der Erziehungswissenschaften verankert. Im Ansinnen der eigenen Legitimation suchen die Sozialwissenschaften stets nach überprüfbaren Ergebnissen, die sich aus Methoden und Untersuchungssettings speisen. Thomas Knaus versucht für den deutschsprachigen Raum verschiedene medienpädagogische Methoden zu sammeln und den Forschenden gebündelt zur Verfügung zu stellen.

Autoren

Ursprünglich Sozialpädagoge, ist der Herausgeber Thomas Knaus seit 2018 Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg sowie darüber hinaus seit 2015 Wissenschaftlicher Direktor des Frankfurter Technologiezentrum [:Medien] – FTzM. Für sein Projekt hat er in drei Bänden viele Autoren aus dem Bereich der Medienpädagogik versammeln können, sowohl Professorinnen und Professoren als auch Promovierende, die ihre Methoden vorstellen. Im vorliegenden Band 3 sind das Ralf Bohnsack mit Alexander Geimer, Ralf Vollbrecht, Marion Weise, Joachim Betz mit Jan-René Schluchter, Stephan Münte-Goussar mit Nina Grünberger, Christine Dallmann, Christoph Eisemann, Eik-Henning Tappe, Rebecca Klose sowie Silke Schworn mit Lisa Holzer-Schulz. Weitere Bände sind in Planung.

Aufbau

Die drei Bände sind einheitlich aufgebaut. Zwar folgen sie keiner thematischen Struktur – um der vom Autor anvisierten Pluralität der Ansätze und Zugänge gerecht zu werden – aber die Texte wurden anhand einer inneren Struktur vereinheitlicht. Voran gestellt sind sowohl eine deutsche als auch eine englischsprachige Zusammenfassung wie auch sogenannte Tags, also Schlagworte. Das erste Kapitel soll das Forschungsprojekt umreißen, während das zweite Kapitel den theoretischen Zugang darlegen soll. Kapitel 3 und 4 stellen die Methode vor, diskutieren diese und versuchen sie innerhalb ihrer Anwendungsmöglichkeit zu präsentieren. Zu Ende des Textes sollte die vorgestellte Methode reflektiert werden.

Der Sammelband versteht sich als Werkstattbuch. Die einzelnen Artikel sind auch kostenlos auf der Seite des Projekts zu finden.

Inhalt

Thomas Knaus führt zu Anfang mit einem kurzen Text in den dritten Sammelband ein. Ralf Bohnsack und Alexander Geimer stellen darauf folgend den von Bohnsack entwickelten Ansatz der Dokumentarischen Medienanalyse vor und grenzen diesen in Bezug auf die Medien-/​Bildanalyse vehement von Ansätzen der Cultural Studies ab. Durch den Neofokus über das Was (zu sehen ist) auf das Wie, sehen die Autoren einen empirischen Zugang zum Modus Operandi.

Ralf Vollbrecht stellt sich die Frage nach dem Anteil und der Relevanz der Medien in der Bildung von Biografien, bzw. wie sich Medien dort abbilden. Dabei versteht er Biografie nicht als lineare Konstante, sondern als sich etwas veränderndes. Auch wirft er einen Blick auf die Rolle der Medien in der Alltagszeit.

Marion Weise stellt die Möglichkeiten und Schwierigkeiten von Puppet-Interviews mit Kindern als Methodik heraus. Besonders problematisch sei die mögliche Bias durch das gewollte Nicht-Neutral-Sein-Könnens des Interviewers in der Arbeit mit Kindern.

Joachim Betz und Jan-René Schluchter beschreiben anhand der gemeinsamen Forschungsarbeit mit und über Menschen mit Behinderungen die Arbeit der Partizipativen Forschung.

Stephan Münte-Goussar und Nina Grünberger konzentrieren sich auf das Forschungsdesign einer Studie zur Medienbildung mit dem Titel MediaMatters!, welches einen praxistheoretischen Zugang an Schulen in Schleswig-Holstein bot.

Christine Dallmann untersucht medienpädagogische Deutungsmuster von Lehrerinnen und Lehrern im Rahmen eines Grounded Theory-Ansatzes und spricht die Problematik der zeitlichen Begrenzung von Qualifizierungsarbeiten an.

Christoph Eisemann erforscht anhand von Interviews die C-Walk Szene auf Youtube und modifiziert Methoden zu einer von ihm genannten online-ethnografischen Grounded-Theory-Untersuchung.

Eik-Henning Tappe fragt sich, weswegen Lehrerinnen und Lehrer, trotz einer gewissen Medienaffinität, nur selten didaktisch Medien im Unterricht einsetzen. Dabei stellt er Kriterien für eine Untersuchung der Akzeptanz von Medien an Schulen auf.

Rebecca Klose stellt die Erstellung von Audio-Podcasts zur Untersuchung mathematischer Begriffsbildungsprozesse im bilingualen Kontext an einer vierten Grundschulklasse vor.

Silke Schworm und Lisa Holzer-Schulz betrachten den möglichen Einsatz von spielorientierten E-Learning Angeboten an Hochschulen.

Diskussion

Der von Thomas Knaus herausgegebene Sammelband lädt allein durch seine Intention zu Diskussionen ein. Diese würden jedoch auf einer sozialwissenschaftlich sachlichen Ebene zu den vorgestellten Methoden geführt werden müssen. Aus einer medienwissenschaftlichen Sicht ist es sicherlich nicht klug in dieses Becken springen zu wollen. Die hier vorgestellte Medienpädagogik richtet sich in aller erster Linie an Erziehungswissenschaftler, teilweise an Soziologen. Die Pädagogik steht im Mittelpunkt, besonders in Form der Didaktik. Das Medium an sich wirkt hier teilweise nur wie ein Mittel zum Zweck.

Ralf Vollbrecht sprach zumindest in seiner Biografieforschung die Relevanz des Mediums an sich an. Denn die Medien gehören nach ihm nicht nur zur Lebenswelt von Jugendlichen sondern von uns allen. Sie geben nicht nur ihren Teil zur Erinnerungskultur, sie strukturieren den Tag, die Woche, das Jahr, sind teilweise allseits präsent wie das u.a. das Smartphone.

Mehr Bezug zum Wesen des Mediums hätte dem sehr verklausuliert geschriebenen Artikel zu der dokumentarischen Medienanalyse von Bohnsack und Geimer gut getan. Der Fokus der beiden Autoren liegt hier auf einen Zugang über das Medium zum Modus Operandi, auf das in der Performation erkennende Wissen/​Habitus der Akteure. Was hier ausgeblendet scheint, ist das Wissen des Mediums selbst, seine Referenzialität. Denn hier liegen Muster zum Verständnis für das Wie mit verborgen.

Rebecca Kloses Studie zu Audiopodcasts wirkt in einer idealtypischen Modelllandschaft eingebettet zu sein. Was hier auffällt, ist das problematische Setting: eine bilinguale Schule (d.h. wohl eher eine priviligierte Schule) statt eine Problemschule und die Lehrerinnen und Lehrer suchten sich geeignete Teilnehmer aus. Wie hätte das Ergebnis in einer vierten Klasse in Duisburg-Rheinort oder Offenbach ausgesehen? Um ein Konzept zu testen, ist ein einfaches Setting vielleicht angemessen, doch sollte es eben in anderen Einrichtung überprüft werden, weil es ansonsten falsche Vorstellungen zum Möglichen macht, bzw. die bipolare Störung der Schule (in gute Grundschulen und Problemschulen) weiter füttert.

Was seltsam erscheint, ist das Mittel der professoralen Würdigung einiger Artikel (Münte-Goussar/Grünberger, Eisemann sowie Klose). Und, weshalb benötigt ein wissenschaftlicher Artikel die abgedruckte Laudatio zu einem Preisgewinn (Eisemann)? Entweder kann ein Text durch Argumentation bestechen oder nicht. Eine Salvation eines wissenschaftliche hierarchisch Höherstehenden bei Veröffentlichungen deutet auf ein merkwürdiges Wissenschaftsverständnis hin. Sicherlich ist es gut gemeint, aber am Ende sollte mit der Promotion die Fähigkeit, alleine für seine Veröffentlichungen verantwortlich zu sein, stehen.

Der Ansatz des Kompendiums ist mit Sicherheit ein richtiger Schritt zur richtigen Zeit. Während grundlegende Gedanken zur Medienpädagogik in Handbüchern bereits gefasst sind (u.a. Sander et al 2008), findet sich die Methodenfassung in der Medienpädogogik aktuell nicht in einem Kanon gesammelt wieder. Die Form des Werkstattbuches ermöglicht, unfertige Gedanken und Fragestellungen einer breiteren Fachöffentlichkeit zur Diskussion bereit zu stellen. Aber hier liegt natürlich auch ein Problem, das mit diesem Buch einhergeht. Durch den Werkstattcharakter und der fluiden Gedankensammlung ist es wissenschaftlich nicht zitierfähig, obwohl viele Studierende ob der Form der Veröffentlichung diese Sammlung mit Sicherheit nutzen werden. Es ist kein Theorie- und Methodenhandbuch oder ähnliches, sondern eine Diskussionsgrundlage. Dafür ist die parallele Veröffentlichung der Texte auf der Internetseite eine löbliche Serviceleistung. Denn Gedanken sollten verbreitet werden, abseits von den engen Fachgegebenheiten in spezifischen Publikationen mit kleinen Auflagen. Dafür steht auch die Kurzfassung der jeweiligen Artikel auf Englisch, denn was auffällt, ist die ausschließlich deutschsprachige Diskussion, der jede Internationalität fehlt.

Was auch Schade ist, dass teilweise der direkte Praxisbezug in den Texten meist ausgeblendet ist, besonders, da viele Methoden in der Praxis durch die jeweiligen Autorinnen und Autoren entwickelt worden sind. Dafür steht aber am Ende der Literaturliste ein Verweis auf weitere Methoden-Werke, die für vertiefende Studien besorgt werden können.

Fazit

Auf einer weiteren Seite bleibt die Frage, inwiefern ein solches Spektrum an kleinsten methodischen Ansätzen für jedes individuelle Problem zu einem generalisierten Erkenntnisgewinn führen kann. Mit jeder neuen angepassten Methode führt sich die Medienpädagogik auf eine Micro-Ebene, die stets mit neuen, vermutlich besseren, Methoden abgesteckt wird. Inwieweit dies Zielführend ist bleibt offen und ob am Ende eine Macro-Theorie alle kleinen Methoden wieder einsammeln muss wahrscheinlich.

Bei aller Methodendiskussion fasst Eik-Henning Tappe (1023) die Problematik zum Ende seines Artikels treffend zusammen: »Manchmal bringt hier ein Miterleben des schulischen Alltags mehr Erkenntnis als jede Studie.«, wobei er daraus schlussfolgernd für die Trias aus quantitativen sowie qualitativen Daten und einem Praxisabgleich plädiert.

Die Sammelbände der Forschungswerkstatt Medienpädagogik richten sich an fortgeschrittene Studierende und wissenschaftliche Fachkräfte der Medienpädagogik um für eigene Forschungsvorhaben Anreize in der Methodenwahl zu geben.

Rezension von
Michael Christopher
Filmwissenschaftler, Theaterwissenschaftler und Mitherausgeber der Zeitschrift manycinemas
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Es gibt 35 Rezensionen von Michael Christopher.

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ISSN 2190-9245