Wolfgang Kühl, Erich Schäfer: Coaching und Co
Rezensiert von Anne Fanenbruck, 24.07.2019
Wolfgang Kühl, Erich Schäfer: Coaching und Co.. Ein Kompass für berufsbezogene Beratung.
Springer Science+Business Media GmbH & Co. KG
(Berlin) 2019.
48 Seiten.
ISBN 978-3-658-25848-1.
D: 14,99 EUR,
A: 15,41 EUR,
CH: 17,00 sFr.
Reihe: essentials.
Thema
Das vorgestellte Werk bietet eine Orientierungslandkarte der Beratungsformate für den beruflichen Kontext. Das Beratungsphänomen hat mit seinen unterschiedlichsten Formen Einzug gehalten in die Berufswelt – und dies schon vor geraumer Zeit. Und nun liefert der kurze Band eine prägnante wie auch notwendige Übersicht und bietet sich zugleich als Unterscheidungs- und Entscheidungshilfe an. Zudem werden den Beratungsformaten diverse Zukunftsperspektiven eröffnet.
Autoren
Dass die beiden Autoren über jahrelange sowohl wissenschaftliche als auch lehrende Auseinandersetzung mit den Themen Coaching und Beratung vorzuweisen haben, ist diesem auf den Punkt gebrachten Buch deutlich anzumerken. Die Einsicht zur Notwendigkeit eines Kompasses in der schier unendlichen Weite der Beratungsliteratur ist ihrer Professionalität zu verdanken und das diese zugleich der Professionalisierung der einzelnen Formate dient, ist zudem ein Qualitätsmerkmal dieses Buches. Den beiden Professoren Kühl und Schäfer scheint es ein Anliegen zur Aufklärung im Beratungsdschungel beizutragen.
Aufbau und Inhalt
Mit dem Blick auf die zunehmend herausfordernde Berufswelt beginnend „stellt sich die Frage, ob Arbeitsorganisationen noch mit traditionellen Vorstellungen von Leitung geführt werden können“ (vgl. S. 4). Die Einflüsse der Veränderungen sind ebenso auf individueller, gesellschaftlicher wie organisatorischer Ebene erlebbar. Mit der Zunahme der Handlungsoptionen, die auf den unterschiedlichen Ebenen den Menschen zur Verfügung stehen, wächst die Notwendigkeit zur Entscheidung. Unerschöpfliches Verfügungswissen bedarf Orientierungswissen, als ein Regulativ, „von dem man sagt, dass es in dieser Welt zunehmend fehlt“ (vgl. S. 3). Und so „bedarf es zunehmend der Bereitschaft, sich einzulassen auf die skizzierten individuellen, organisatorischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Dabei geht es darum, sich selbst zu transformieren und um Teilhabe sowie Mitgestaltung. Dies erfordert zunehmend begleitende und begleitete Reflexionsprozesse“ vgl. S. 4).
„Professionalität braucht Reflexion“ (vgl. S 5) ist die pointierte Erkenntnis aus den Anforderungen und Herausforderungen der sich veränderten Arbeitswelt und die steigenden Anforderungen an Individuen, Teams, Organisationen und Gesellschaft. Dieser Erkenntnis folgend dient Scharmers Feldstudie der Aufmerksamkeit (Scharmer 2009) dem Verständnis der Intervention, also auf welcher Ebene welches Beratungsformat ansetzt. Auf der ersten Ebene geht es um Rezepte zur Reparatur im Sinne einer Sozialtechnologie. Die zweite Ebene zeichnet sich durch Verhaltenstraining aus. Auf der dritten Ebene steht die Reflexion und auf der vierten Ebene die Selbsttransformation im Vordergrund. Die Beratungsformate des vorliegenden Buches konzentrieren sich auf die dritte und vierte Ebene. Dabei werden die Beratungsformate von den Autoren nicht als Lösungen, sondern als Formen helfender Begleitung in Veränderungsprozessen, die als gemeinsame Suchbewegung auf die Kraft der Selbstreflexion und -transformation setzten, offeriert.
Und vor diesem wichtigen Verständnishintergrund ist Coaching für die Führungskraft das erste vorgestellte Beratungsformat. Ausgehend von der Begriffsbestimmung des Wortes Coaching über dessen historische Entwicklung, werden die konzeptionellen Grundlagen und zentralen Merkmale aufgezeigt und anschließend werden Wirkungen beschrieben und Perspektiven dargestellt. Mit der empfohlenen Einführungsliteratur endet die Vorstellung des Beratungsformates. So ist Coaching in erster Linie eine Beziehungsarbeit, die durch die Art der Kommunikation bestimmt wird. Im stark wachsenden Coachingmarkt sehen die Autoren die Notwendigkeit Transparenz und Qualität sicher zu stellen.
Das zweite vorgestellte Format ist Coaching durch die Führungskraft. Damit ist nicht Führungsstil oder ein Führungsinstrument gemeint, es geht um „die Gestaltung eines auf Transformation ausgerichteten Prozesses durch alle daran Beteiligten“ (vgl. S. 12). Den historischen Ausgangspunkt bildet die Idee eines entwicklungsorientierten Führens durch Vorgesetzte. Im Kontext von Globalisierung, Digitalisierung und Flexibilisierung, die mit einer zunehmenden Partizipations- und Reflexionsorientierung von Führung einhergehen, gewinnt transformationale Führung an Bedeutung. Vor allem mit der Dimension der individuellen Beachtung, die Mitarbeiter in ihren Bedürfnissen, Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern. Da Coaching durch die Führungskraft derzeit in Deutschland über noch keine Standards zu Ausbildungsanforderungen verfügt, ist es umso dringender auf die Kompetenzen der Führungskraft hinzuweisen. Coaching durch die Führungskraft bedeutet, „Menschen darin zu begleiten, ihre Potenziale für die Organisation optimal zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass sie gute Entscheidungen für alle Lösungen treffen“ (vgl. S. 13).
Supervision ist das folgende vorgestellte Beratungsformat. In der gewohnten Weise geben die beiden Autoren eine Begriffsbestimmung und ordnen das Format Supervision in seine historische Entwicklung bis heute ein. Auf vier Reflexionsebenen beschreiben die Autoren die konzeptionellen Grundlagen und zentralen Merkmale: Kunden- und Klientenebene, die Selbstreflexionsebene, die Mitarbeitenden- und Teamebene und die Organisationsebene. Ebenso wie Coaching besteht für Supervision die Gefahr, auf die veränderten Strukturen und Kulturen der Arbeitswelt verkürzt zu reagieren. Den Ausweg sehen die Autoren in der Verpflichtung des zentralen Supervisionsanspruchs: „durch Reflexion, Verhandlung und Kommunikation Demokratie, praktische Fairness und darüber ein gutes Arbeitsklima und Qualität in Organisationen zu bringen“ (vgl. S. 20).
Mit der Intervision wird die Beratung unter Kollegen beschrieben. Mit dem Ausgangsblick auf die Freudsche Mittwochsgesellschaft, der Kollegialen Supervision in Therapieausbildungen und Fallstudien in der Sozialen Arbeit, Psychologie und Medizin, stellt die Intervision das Lernen von- und miteinander als einen effektiven und „pragmatisch orientierten Eklektizismus“ dar (vgl. S. 22). Für den Erfolg dieser kollegialen Beratungsform beschreiben Kühl und Schäfer neben der Rollengestaltung auch den Phasenverlauf. „Intervision bietet noch vielerorts ungenutzte Entwicklungspotenziale fachlicher Reflexion, des wechselseitigen Lernens und kollegialer Unterstützung. Die Kernkompetenz der Intervision liegt in der Vielfalt der neuen Sichtweisen und handlungsorientierten Anregungen“ (vgl. 24).
Es folgt die Mediation als Vermittlungsinstanz in Streitfällen mit dem Ziel „dass alle Beteiligten durch die Übereinkunft eine Verbesserung ihrer Situation erreichen“ (vgl. S. 25). Für die Autoren besitzt dieses Format ebensolche Entwicklungsperspektive wie die Intervision. Destruktive und kostenintensive Konflikteskalationen können so vermieden werden. Die rechtliche Verankerung der Mediation mache dies schon in Untersuchungen deutlich. Die beiden Autoren verweisen auf einen weiteren Gewinn von Mediation in Unternehmen hin. So kann Mediation zu „abgestimmten Konfliktbewältigungskultur in Organisationen und Unternehmen beizutragen“ (vgl. S. 29).
Last but not least wird Mentoring als Beratungsformat im beruflichen Kontext beschrieben. Mit seinem geschichtlichen Ursprung in der griechischen Mythologie über die Wiederentdeckung in den amerikanischen Personalabteilungen ist es als Führungskräfteentwicklung, Einarbeitung neuer Mitarbeiter oder in bestimmten Programmen und Netzwerken für bestimmte Zielgruppen als Instrument der Personalentwicklung zu finden. Grundlegend ist der dreifache Nutzen des Mentorings, für Mentee, Mentor und das Unternehmen. „Durch Mentoring kann es gelingen, eine generationsübergreifende Solidarität bei zunehmend diversifizierten Lebenslagen zu entwickeln. Ein verändertes Verständnis von Personalentwicklung, das mit seinen traditionellen Seminarangeboten an seine Grenzen stößt, kann mit einem Mentoringangebot dazu beitragen, das Lernverhalten der Mitarbeitenden nachhaltig verändern. Auch für die Führungskräfteentwicklung im oberen Management bietet es aufgrund der als Mentor gesammelten Erfahrungen hervorragende Chancen“ (vgl. S. 34).
Den vorgestellten Beratungsformaten schließen die Autoren den Zukunftsblick zu einer innovativen Reflexionskultur an. Dafür nutzen sie das von Kühl und Schäfer eingeführte Transflexing als Rahmenkonzept, welches den Zusammenhang zwischen Reflexion und Transformation deutlich macht. Es geht bei weitem um mehr als sich durch bestimmte Formate in der Berufswelt zurecht zu finden, es geht um „in einer dialogischen Beziehung und fokussiert auf eine Passung zwischen Person und Organisation im Prozess der kontinuierlichen professionellen Selbstreflexion und Selbsterneuerung auf den Ebenen von Individuum, Team und Organisation“ (vgl. S. 35). Die abschließenden Anregungen zum Start eines Beratungsprozesses sind eine einladende Aufforderung sich zu reflektieren und zu transformieren, um die Herausforderungen der komplexen Arbeitswelt adäquat meistern und gestalten zu können.
Diskussion
Wenn die Ausgangslage jene ist, mit welcher Arbeitsrealität wir heute und vor allem zukünftig konfrontiert sein werden, dann gilt es Handlungsoptionen und vor allem Orientierungswissen zu generieren, um gestalten und agieren zu können. Dabei sind lernende Organisationen hilfreich, die das Potenzial ihrer Mitarbeiter erkennen und fördern und sich so auf den Weg zu einer Reflexionskultur begeben. Für die ersten Schritte und den zu gestalteten Prozess ist dies der Kompass.
Fazit
Dieses Buch besticht durch seine Klarheit und Kürze. Die wiederkehrende Struktur mit denen die einzelnen Formate vorgestellt werden, ist eine hilfreiche Orientierung. Von den theoretischen Ausführungen ist dies die Einladung nun zur praktischen Umsetzung. Eine Empfehlung für alle, die in den praktischen ersten Schritt kommen wollen.
Rezension von
Anne Fanenbruck
Geschäftsführerin AESOP-Consulting GmbH Entwicklungsberatung,
Systemische Organisationsberaterin und Coach (DGfC)
Website
Mailformular
Es gibt 3 Rezensionen von Anne Fanenbruck.
Zitiervorschlag
Anne Fanenbruck. Rezension vom 24.07.2019 zu:
Wolfgang Kühl, Erich Schäfer: Coaching und Co.. Ein Kompass für berufsbezogene Beratung. Springer Science+Business Media GmbH & Co. KG
(Berlin) 2019.
ISBN 978-3-658-25848-1.
Reihe: essentials.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/25975.php, Datum des Zugriffs 10.11.2024.
Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt.
Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns.
Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen
für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.