Matthias Wengenroth: Gib dich nicht auf, lass dich wieder ein!
Rezensiert von Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos, 21.10.2019

Matthias Wengenroth: Gib dich nicht auf, lass dich wieder ein! Depressionen mit der Akzeptanz– und Commitmenttherapie (ACT) überwinden. Hogrefe AG (Bern) 2019. 160 Seiten. ISBN 978-3-456-85885-2. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 26,90 sFr.
Thema
Das vorliegende Buch erscheint im Hogrefe-Verlag und beschäftigt sich mit einer Weiterentwicklung der (kognitiven) Verhaltenstherapie - der Akzeptanz-Commitment-Therapie (ACT) nach Hayes. Im Focus steht hierbei die Idee, Gefühle anzunehmen und nicht in der Abwehr von unangenehm empfundenen Emotionen Energie zu verschwenden, die dann letztlich zu konstruktiveren Veränderungsprozessen nicht verfügbar ist. Solche Veränderungsmöglichkeiten werden im vorliegenden Buch klientenorientiert vermittelt.
Autor
Matthias Wengenroth ist Psychologe, hat bereits zu ACT publiziert und praktiziert als Psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis in Solingen.
Entstehungshintergrund
Auf der Basis früherer Veröffentlichungen zum Thema (etwa 2008: „Das Leben annehmen“) unternimmt der Autor den Versuch, quasi ein Selbsthilfe-Buch für Menschen mit depressiven Störungen zu schreiben und diesen ein Kompendium zur Selbstveränderung insbesondere im Bereich destruktiver Gedanken, Emotionen und Handlungsblockaden zur Verfügung zu stellen.
Aufbau und Inhalt
Nach einem Vorwort mit kurzer Erläuterung der thematisierten Störung „Depression“ und der handlungsleitenden Methode Akzeptanz-Commitment-Therapie (ACT) folgt einleitend eine „ Gebrauchsanweisung“ zur Nutzung des Buches. Diese besteht aus einem „Übungsplan“ aus insgesamt 12 Schritten (siehe gerne auch das Inhaltsverzeichnis unter: https://www.hogrefe.ch/shop/gib-dich-nicht-auf-lass-dich-wieder-ein-89951.html).
Der Autor beginnt mit der Empfehlung, den Übungsplan nach Möglichkeit konsequent systematisch durchzuarbeiten und geht von einer Übungsdauer von etwa 12 Wochen aus und stellt die vorgeschlagene Übungsabfolge auch graphisch dar (S. 19 f). Die Übungen beginnen ganz i.S. der ACT- Therapie mit der Selbstan(teil)nahme: sich vom Strudel der Emotionen zu distanzieren und nicht-wertend zu beobachten, dabei eine wertschätzende Haltung einzunehmen, ist Inhalt und Ziel dieser Übungen, die dann vertieft werden durch meditative Praxis in Beobachtung (nicht Kontrolle!) des eigenen Atems. Der Selbstannahme sind die nächsten Veränderungsschritte gewidmet: die Eigenart im Umgang mit Gefühlen zu erkennen und Gefühle anzunehmen, stellt die Basis des „Akzeptierens“ (ACT) dar. Auf dieser Basis werden Kräfte frei, die dann zieleorientiert auf die Zukunft und Planung von konkreten Veränderungsschritten gerichtet werden: wie will ich (zukünftig) leben? Wie behindere ich mich typischerweise selbst bei bisherigen Veränderungsbemühungen und wie kann ich das verändern? Wie kann ich destruktiv-schwierige Gedanken (als Handlungsblockaden) erkennen und ihnen nicht mehr „auf dem Leim gehen“? Wie mich schließlich verantwortungsvoll (Commitment-ACT) auf mein Leben einlassen und es aktiv gestalten? Schließlich und als 12er Übungsschritt: Wie kann ich mich auf Rückschläge vorbereiten, mit ihnen umgehen und dadurch emotionale und kognitive Stabilität erreichen.
Literasturhinweise und Anmerkungen zum Autor schließen das Buch ab.
Diskussion
In dieser Buchbesprechung kann und soll keine Auseinandersetzung mit ACT grundsätzlicher Art erfolgen – dies ist im Übrigen auch nicht Ziel des vorliegenden Buches. Es handelt sich im besten Sinne um Ratgeber-Literatur, mit der Betroffenen konkrete Hilfestellung bei der Selbstveränderung gegeben wird- so wie sie in der Struktur auch in einer Psychotherapie verhaltenstherapeutischer Prägung durchgeführt würde. Der Autor begleitet den Klienten wohlwollend und wertschätzend-unterstützend; die Sprache ist bewusst einfach und frei von Theorielast. Die Betonung liegt auf der angeleiteten Erfahrung mit den eigenen Gedanken, Emotionen und Handlungen des Klienten- sich von alten zu emanzipieren und neue im Sinne eigener (erreichbarer) Ziele und Werte zu erproben, wird auch durch Arbeitsblätter unterstützt. Wesentliche Inhalte werden in Merkblättern auch graphisch verdeutlicht – diese sind zusätzlich online abrufbar. Natürlich bleibt auch bei der einladenden Gestaltung die Frage, ob die Motivation der Betroffenen reicht, den Weg der Selbstveränderung wirklich alleine zu gehen. Aber auch hier kann das Buch als Hinführung, Ergänzung und als „Hausaufgabe“ in einer Psychotherapie gut eingesetzt werden.
Fazit
Eine stringent entwickelte, didaktisch gut aufbereitete und als Selbsthilfebuch gedachte Umsetzung des verhaltenstherapeutischen Programms der Akzeptanz-Commitment-Therapie (ACT) gerade für Menschen mit depressiven Störungen. Das Buch will sicherlich Psychotherapie nicht ersetzen- kann diese aber effizient unterstützen und zur Selbstveränderung beitragen. Es wird deshalb für betroffenen Menschen empfohlen – aber auch für die, die in helfenden Berufen mit diesen Menschen zu tun haben und einen ersten, praktischen Zugang zu der Methode der ACT bekommen wollen.
Rezension von
Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos
Hochschullehrer Hochschule Fulda, Fachbereich Sozialwesen, seit 31.8.2011 pensioniert
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