Andreas Eickhorst, Jochen Schweitzer et al. (Hrsg.): Frühe Hilfen
Rezensiert von Prof. Dr. Ariane Schorn, 15.02.2021

Andreas Eickhorst, Jochen Schweitzer, Arist von Schlippe (Hrsg.): Frühe Hilfen. Früh im Leben und früh im Handeln.
Vandenhoeck & Ruprecht
(Göttingen) 2019.
85 Seiten.
ISBN 978-3-525-40493-5.
D: 10,00 EUR,
A: 11,00 EUR.
Reihe: Leben. Lieben. Arbeiten - systemisch beraten.
Hintergrund und Anliegen des Buches
Das vorliegende, 85 Seiten umfassende Buch gibt sich mit seinem Format von 12x18,5 cm handlich. Es zielt darauf ab, komprimiert und dennoch gut lesbar, einen Überblick über relevante Aspekte der Frühen Hilfen zu vermitteln.
Autor
Der Autor des Buches, Andreas Eickhorst, eignet sich hierzu in hervorragender Weise, da er als Leiter der Fachgruppe Nationales Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) und Koordinator des Frühe-Hilfen-Projektes „Keiner fällt durchs Netz“ am Universitätsklinikum Heidelberg ein prominenter Mitgestalter des sich entwickelnden Feldes Frühe Hilfen ist und über die hierzu notwendige Expertise verfügt.
Inhalt und Aufbau des Buches
Das vorliegende Buch umfasst insgesamt drei Kapitel:
- Kapitel I („Der Kontext“) beginnt mit einer Fallgeschichte, die anschaulich in das komplexe Thema der Frühen Hilfen einführt. Daran anschließend wird skizziert, was unter Frühen Hilfen zu verstehen ist und was Aufgaben und Ziele Früher Hilfen sind. Eingegangen wird ferner auf die Entstehungsgeschichte der Frühen Hilfen sowie auf Kernthemen und -begriffe Früher Hilfen: Prävention, Belastungs- und Schutzfaktoren für Kindeswohlgefährdung, Komm- und Gehstrukturen. Das Kapitel schließt mit Aspekten der Forschung zu Frühen Hilfen. Der Autor verweist darauf, dass es zur Wirksamkeit bzw. zu spezifischen Wirkfaktoren der Frühen Hilfen bislang zu wenig aussagekräftige Untersuchungen gebe, die ein belastbares Urteil erlauben würden. Vorgestellt werden dann drei ausgewählte Studien bzw. Forschungsfelder, die verschiedene Aspekte der komplexen Thematik beleuchten. Eingegangen werden auf die Möglichkeiten, aber eben auch Grenzen der kinderärztlichen Früherkennungsuntersuchungen, so wie sie aktuell verfasst sind, riskante Entwicklungen frühzeitig wahrzunehmen. Vorgestellt werden ferner die Befunde einer Studie, die sich mit Effekten des Einsatzes von Gesundheitsfachkräften befasste. Das Kapitel schließt damit, dass das bindungsorientierte präventive Interventionsprogramm STEEP skizziert wird. Skizziert werden weiter Evaluationsbefunde, die positive Effekte im Hinblick auf die Zielsetzung und damit deutliche Hinweise auf die Wirksamkeit der Maßnahme aufzeigen.
- Kapitel II ist überschrieben mit „Die systemische Beratung“. Eingegangen wird hier zunächst auf relevante Berufsgruppen in den Frühen Hilfen – insbesondere auf die Familienhebammen – sowie auf die spezifischen Anforderungen bezüglich der eigenen (fachlichen) Haltung in den Frühen Hilfen. Im darauffolgenden Unterkapitel wird das Frühe-Hilfen-Konzept „Keiner fällt durchs Netz“ als Beispiel eines Ansatzes zur Versorgung von kompletten Gebietsbürgerschaften mit Angeboten und Strukturen von Frühen Hilfen mit seinen drei zentralen Bausteinen vorgestellt: der aufsuchenden Hilfe, dem Elternkurs „Das Baby verstehen“ sowie dem Arbeitskreis „Netzwerk für Eltern“. Es folgt ein Unterkapitel, das auf Herausforderungen bei der Umsetzung der Frühen Hilfen eingeht. Hervorgehoben werden hier das Präventionsdilemma und das Spannungsfeld zwischen Frühen Hilfen und Kinderschutz. Eingegangen wird ferner auf die Problematik tendenziell vernachlässigter Zielgruppen der Frühen Hilfen (Väter) sowie den Umstand, dass Zugangswege und Angebote der Frühen Hilfen mitunter bestimmte Zielgruppen nicht hinreichend berücksichtigen. Plastisch wird dies anhand einer zweiten Fallgeschichte, die das Kapitel abschließt.
- Das Buch endet mit einem kurzen dritten Kapitel („Am Ende“). Hier erfolgt ein Ausblick; weiterhin werden dem Leser/der Leserin weiterführende Literatur und Internetlinks angeboten.
Diskussion
Das vorliegende Buch gibt einen guten Überblick über verschiedene Aspekte der Frühen Hilfen. Positiv hervorzuheben ist m.E. auch der Umstand, dass nicht nur auf den Status quo der sich entwickelnden und etablierenden Frühen Hilfe eingegangen wird, sondern eben auch auf offene Fragen, Spannungsfelder und Forschungslücken. Perspektivisch scheint mir hier das Verhältnis zwischen Frühen Hilfen und bzw. zum Kinderschutz von besonderer Relevanz zu sein.
Ein Umstand irritiert: Die Frühen Hilfen sind eine bunte Landschaft, deren Akteure nicht nur verschiedenen Disziplinen zuzuordnen sind, sondern die darüber hinaus auch Weiterbildungen und Identifikationen mitbringen, die auf unterschiedliche Beratungsschulen sowie auf verschiedene theoriebasierte Grundannahmen verweisen. Insbesondere bindungstheoretisch sowie tiefenpsychologisch fundierte Ansätze wie auch solche, die der humanistischen Psychologie zuzuordnen sind nehmen hier neben systemisch orientierten Ansätzen einen prominenten Platz ein. Idealerweise, aber nicht voraussetzungslos ist das ein Gewinn. Warum also dieses Buch in einer Reihe „systemisch beraten“ erscheint und weiter das zweite Kapitel mit „Die systemische Beratung“ überschrieben ist, erschließt sich nicht. Problematisch und der Sache wenig dienlich wäre, wenn es gelesen würde als Bemühen, den Ansatz Früher Hilfen der Systemischen Beratung zu subsumieren.
Fazit
Zu empfehlen ist das Buch Fachkräften der Frühen Hilfen, Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe sowie denjenigen, die an diesem Arbeits- und Wirkungsfeld interessiert sind. Da es gut verständlich geschrieben ist, kann es auch interessierten Laien empfohlen werden.
Rezension von
Prof. Dr. Ariane Schorn
Fachhochschule Kiel, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit
Entwicklungspsychologie, Qualitative Sozialforschung, Psychosoziale Beratung, Supervision
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Es gibt 20 Rezensionen von Ariane Schorn.