Sabine Kühnert, Helene Ignatzi: Soziale Gerontologie
Rezensiert von Alisa Hemberger, Dr. Christian Heidl, 30.01.2020

Sabine Kühnert, Helene Ignatzi: Soziale Gerontologie. Grundlagen und Anwendungsfelder.
Verlag W. Kohlhammer
(Stuttgart) 2019.
284 Seiten.
ISBN 978-3-17-030815-2.
36,00 EUR.
Reihe: Grundwissen soziale Arbeit - Band 31.
Autoren
- Sabine Kühnert ist Leiterin des Studiengangs Gesundheits- und Pflegemanagement an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe und Professorin für Pflegewissenschaft
- Helene Ignatzi, Dipl. Sozialarbeiterin und Dipl. Sozialgerontologin, ist Professorin für Handlungslehre und Methoden der sozialen Arbeit an der Evangelischen Hochschule Nürnberg
Zielgruppe
Dieses Lehrbuch wendet sich gleichermaßen an drei Zielgruppen. Zunächst werden Studierende der Sozialen Arbeit angesprochen, für die insbesondere die Praxisbeispiele auf Grundlage der Arbeitsfelder sozialer Arbeit interessant sind. Studierende verwandter Wissenschaften, wie Gesundheit oder Pflege, profitieren von der Vermittlung gerontologischen Grundlagenwissens und Praktiker können durch die Verzahnung von Theorie und Praxis ihr Wissen erweitern oder vertiefen.
Aufbau
Nach einer kurzen Einführung ist das Lehrbuch, das insgesamt 15 Kapitel umfasst, in einen Grundlagen- und einen anwendungsbezogenen Teil untergliedert. In der Einführung werden Gesellschaftstrends aufgezeigt und welche Herausforderungen sich in diesem Zusammenhang für die Soziale Arbeit ergeben. Im Grundlagenteil werden zentrale gerontologische Fragestellungen behandelt, wohingegen die anwendungsbezogenen Themen einen Praxisbezug herstellen. Jedes Thema beginnt mit einer Auflistung von Fragen, die der Leser am Ende des jeweiligen Kapitels in der Lage sein sollte zu beantworten
I. Soziale Arbeit in Bezug auf Alter
1. Aktuelle und zukünftige soziodemografische Veränderungen
2. Konsequenzen der soziodemografischen Veränderungen für die Praxis der sozialen Arbeit
II. Gerontologische Grundlagen
3. Gerontologie als Wissenschaft
4. Entwicklung im Alter
5. Alternstheorien
6. Altersbilder
7. Kognitive Entwicklung im Alter
8. Lebensqualität und Wohlbefinden im Alter
9. Lebenslagen und Lebenslagenansatz
III. Anwendungsbereiche
10. Soziale Beziehungen im Alter
11. Wohnen und Umweltgestaltung im Alter
12. Bildung im Alter
13. Gesundheit, Krankheit und Pflegebedürftigkeit
14. Migration und Alter
15. Gerontologie in der Praxis der Sozialen Arbeit
Inhalt
Im ersten Teil werden zunächst demografische Trends angerissen, die die Lebensbedingungen älterer Menschen beeinflussen. Darauf aufbauend werden die Auswirkungen der soziodemografischen Entwicklung auf die Handlungsfelder der sozialen Arbeit beschrieben. Eine Tabelle visualisiert dabei einen voraussichtlichen erheblichen oder teilweisen Änderungsbedarf aus Sicht der Autorinnen.
Die sieben Kapitel des zweiten Teils „Gerontologische Grundlagen“ vermitteln theoretische Grundlagen, die als Basis für die Planung und Umsetzung von Interventionen dienen können. Nach einer Darstellung der Wissenschaftsdisziplin Gerontologie wird auf die Entwicklung(sprozesse) und Dimensionen im Alter eingegangen. Aufgeführte Alternstheorien umfassen lebenslauforientierte Theorien (Entwicklungskrisen und -aufgaben), Theorien mit Betonung der sozialen Kontextabhängigkeit von Alternsprozessen (Disengagementtheorie), Theorien mit Fokus auf individuelle Bewältigungsprozesse (kognitive Theorie des Alterns, SOK-Modell) sowie ökologische Alternstheorien (Anforderungs-Kompetenz-Modell). Das Kapitel „Altersbilder“ untersucht deren Erscheinungsformen, Entstehung und Auswirkungen auf individueller Ebene. Kognitive Entwicklungen und Prozesse werden anhand des Mehr-Speicher-Gedächtnismodells dargestellt, ebenso wie Möglichkeiten zur Erhaltung oder Verbesserung der Leistungsfähigkeit. Das vorletzte Kapitel des Grundlagenteils befasst sich mit der Lebensqualität und dem Wohlbefinden im Alter, in welchem nach Begriffsklärungen und -abgrenzungen Ergebnisse empirischer Forschung mit Instrumenten, wie beispielsweise H.I.L.DE, NLQ oder INSEL, vorgestellt werden. Anschließend erfolgt die Begriffsbestimmung von Lebenslage und Handlungsspielraum, die geschichtliche Entwicklung von sowie die Anwendungsbereiche des Lebenslagenkonzepts werden beschrieben.
Ausgehend vom Lebenslagenansatz werden im dritten Teil die Lebenslagebereiche Soziale Beziehung im Alter, Wohnen und Umweltgestaltung, Bildung und Berufstätigkeit im Alter, Gesundheit, Krankheit und Pflegebedürftigkeit sowie Migration und Alter behandelt. So wird beispielsweise im Bereich des Wohnens und der Umweltgestaltung auf die Wohnsituation, -bedürfnisse und -wünsche älterer Menschen eingegangen, die meist trotz steigendem Hilfebedarf weiterhin selbstständig wohnen möchten. Schwerpunkte im Bereich Bildung liegen in der Geragogik, Bildungstypen und -beteiligung im Alter oder Qualitätsstandards in der Altersbildung. Durch die soziale Differenzierung in der Gesellschaft ist Migration ebenfalls ein wichtiges Handlungsfeld der sozialen Arbeit, sodass Migrationstypen und -formen, Lebenslagendimensionen sowie kulturelle Identität vorgestellt werden. Das letzte Kapitel widmet sich den Anwendungsbereichen der Gerontologie im Kontext der Sozialen Arbeit mit Schnittstellen, Praxisfeldern und Aufgabenbereichen.
Diskussion
Der demografische Wandel zeigt sich in Deutschland in einer Alterung der Bevölkerung. Dabei altern die Menschen allerdings anders, als dies in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Dies bedeutet auch für die Disziplin der Sozialen Arbeit neue Herausforderungen, die es in ihren Handlungsfeldern zu bewältigen gilt. Infolgedessen differenziert und spezialisiert sie sich zunehmend und entwickelt sich zu einer Querschnittsaufgabe, die viele Bereiche berührt. So wird beispielsweise der Bedarf in der Sozialen Arbeit mit demenziell erkrankten Menschen und deren Angehörigen steigen, was wiederum den Bereich der Gesundheitsförderung umfasst. Um auf diese Entwicklungen adäquat reagieren zu können, ist es wichtig, gerontologisches Wissen an der Hand zu haben und gleichzeitig auch Beispiele kennenzulernen, wie sich diese Theorie in der Praxis beweisen kann.
Fazit
Studierende aber auch Praktiker werden im Umgang mit der Wissenschaftsdisziplin Gerontologie sowie mit den Bedürfnissen und Anforderungen der älteren Generation sensibilisiert. Gleichermaßen erhalten sie fundiertes Grundlagenwissen, das sie mithilfe der dargestellten anwendungsbezogenen Fälle leichter in die Praxis integrieren können. Dieses Lehrbuch fördert zudem einen Austausch zwischen den einzelnen Disziplinen, beispielsweise zwischen der Sozialen Arbeit und Pflege oder Gesundheitsförderung. Es ist didaktisch sehr gut aufbereitet, da wichtige Begriffe in Kästen hervorgehoben sind, zahlreiche Grafiken und Tabellen zur Visualisierung eingesetzt werden und Fallbeispiele den Transfer in die Praxis ermöglichen. Die in den einzelnen Kapiteln genannten Quellen werden am Ende des Buches in einem Literaturverzeichnis zusammengefasst, sodass Aussagen überprüft und Inhalte vertieft werden können. Hilfreich sind ebenfalls die zu Beginn jedes Kapitels aufgestellten Fragen, da sie einen Hinweis auf den Schwerpunkt des einzelnen Themenbereichs geben. Der Preis in Höhe von 36 Euro ist somit angemessen.
Rezension von
Alisa Hemberger
M. Sc. Gesundheitsförderung
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Dr. Christian Heidl
Diplom-Pflegewirt (FH), MSc Dozent und Wissenschaftlicher Mitarbeiter SRH Wilhelm Löhe Hochschule für angewandte Wissenschaften Fürth, Forschungsinstitut IDC
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Zitiervorschlag
Alisa Hemberger, Christian Heidl. Rezension vom 30.01.2020 zu:
Sabine Kühnert, Helene Ignatzi: Soziale Gerontologie. Grundlagen und Anwendungsfelder. Verlag W. Kohlhammer
(Stuttgart) 2019.
ISBN 978-3-17-030815-2.
Reihe: Grundwissen soziale Arbeit - Band 31.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26051.php, Datum des Zugriffs 09.12.2023.
Urheberrecht
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