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Thomas Klie, Werner Schneider u.a.: Ehrenamtliche Hospizarbeit in der Mitte der Gesellschaft?

Rezensiert von Dr. rer. soc. Gudrun Silberzahn-Jandt, 14.01.2020

Cover Thomas Klie, Werner Schneider u.a.: Ehrenamtliche Hospizarbeit in der Mitte der Gesellschaft? ISBN 978-3-946527-28-2

Thomas Klie, Werner Schneider, Christine Moeller-Bruker, Kristina Greißl: Ehrenamtliche Hospizarbeit in der Mitte der Gesellschaft? Empirische Befunde zum zivilgesellschaftlichen Engagement in der Begleitung Sterbender. der hospiz verlag Caro & Cie. oHG (Esslingen) 2019. 299 Seiten. ISBN 978-3-946527-28-2. D: 39,90 EUR, A: 41,00 EUR.

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Thema

Wo steht die Hospizarbeit heute in der Gesellschaft und wie hat sie sich verändert. Welches sind die Herausforderungen der Zukunft für diese, Bürger*innen-Bewegung? Um sich diesen Fragen anzunähern wurde nach den Einstellungen und Erfahrungen in der Bevölkerung bezüglich der ehrenamtlichen Unterstützung Sterbender gefragt, Zentral war dabei die Thematik ob und wie die Hospizbewegung in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, oder ob eher davon gesprochen werden soll, dass ob sie dort verblieben, oder positiv konnotiert, fest verankert ist, und welche Entwicklungen getätigt werden sollten.

Autorinnen und Autoren

  • Prof. Dr. Thomas Klie Rechts- und Verwaltungswissenschaftler, Gerontologe, Professor an der Evangelischen Hochschule Freiburg.
  • Prof. Dr. Werner Schneider Soziologe Universität Augsburg
  • Kristina Greißl wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Soziologie an der Universität Augsburg.
  • Dr. Christine Moeller-Bruker, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Evangelischen Hochschule Freiburg

Entstehungshintergrund

Die Publikation ist das Teilergebnis eines vom Deutschen Hospiz- und PalliativVerband von Mai 2017 bis Juli 2018 geförderten Verbundprojekts mit dem Titel „Ehrenamtlichkeit und bürgerschaftliches Engagement in der Hospizarbeit – Merkmale, Entwicklungen und Zukunftsperspektiven“, das gemeinsam am zze, dem Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung, an der evangelischen Hochschule Freiburg und am ZIG, Zentrum für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung, der Universität Augsburg durchgeführt wurde.

Aufbau

Nach einem ersten Kapitel mit der Hinführung und dem Vorstellen der zentralen Forschungsfragen, werden in drei Kapiteln aus den jeweiligen mit unterschiedlichen empirischen Methoden durchgeführten Teilprojekten zentrale Ergebnisse präsentiert. Die erste Teilstudie widmete sich der Frage nach der Einstellung und den Erfahrungen zur ehrenamtlichen Unterstützung in der deutschen Bevölkerung, die zweite der Problematik der Zugangsgerechtigkeit und hier wurde fokussiert, inwieweit die diskursiv formulierte „Offenheit für alle“ der Realität entspricht. Die dritte Teilstudie beleuchtet die Sicht der Hausärzt*innen und Pflegekräfte auf die ehrenamtlichen Hospizhelfer*innen. Ausführlich werden in der Zusammenfassung die durchaus spannenden Ergebnisse breit diskutiert.

Inhalt

In der ersten Teilstudie, durchgeführt vom zze, an der Evangelischen Hochschule Freiburg unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Klie, wurden in einer bevölkerungsrepräsentativen Befragung im gesamten Gebiet der BRD 1271 Personen ab dem Alter von 16 Jahren zu ihren Einstellungen zum Sterben interviewt. Dies geschah im Rahmen einer vom Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführten Umfrage, in der die Interviewpartner*innen sich zu Wünschen für das Sterben bezüglich ihnen wichtige andere Personen äußern konnten. Ziel der Untersuchung war es, Voraussetzungen und die Bereitschaft der „deutschen Wohnbevölkerung“ zum eigenen Engagement in der Unterstützung Sterbender beschreiben zu können. Die Analyse der Daten zeigt, dass sich Westdeutsche, Frauen, kirchennahe Personen, und solche, die eher in einer ländlichen Region beheimatet sind, eher ein Engagement im Rahmen von Sterbebegleitungen vorstellen können.

In der sich anschließenden Teilstudie unter Leitung von Prof. Dr. Werner Schneider am zze und ZIG geht es um das Ehrenamt und die Zugangsgerechtigkeit. Hier wurden Daten generiert, die zeigten sollten inwiefern sich der Anspruch der Hospizbewegung, für alle Menschen da zu sein, empirisch belegen lässt, oder ob auch hier wie in anderen Ehrenämtern soziale Selektion- und Inklusions- und Exklusionsmechanismen wirksam sind. Dazu wurde eine bundesweite online-Befragung von Koordinator*innen ambulanter Hospizdienste durchgeführt und in Fokusgruppen mit Ehrenamtlichen in moderierten leitfadengestützten Diskussionsgruppen die Sicht der Hospizhelfer*innen erhoben. Ergebnisse sind: Es engagieren sich vor allem Frauen der „gesetzten Mittelschicht“ in der Hospizarbeit. Schüler*innen, Studierende, Arbeitslose oder solche, sind kaum unter den Ehrenamtlichen zu finden. Unter den Koordinator*innen sind diejenigen, die nicht Deutsch als ihre Muttersprache bezeichnen, nur marginal vertreten. Auch bei denjenigen, die begleitet werden und von dem Ehrenamt profitieren, ist es hauptsächlich die „gesellschaftliche Mitte“. Es finden zwar Begleitungen in Haushalten mit wenig ökonomischem Kapital statt, sie sind aber deutlich seltener und entsprechen nicht dem Verhältnis in der Bevölkerung. In gleicher Weise fehlt auch die Oberschicht als Adressatin. Eine wichtige Funktion hinsichtlich der Gestaltung der Zugangsgerechtigkeit, der Homogenität oder Heterogenität einer Hospizgruppe und der Entwicklung hin zu einer von Vielfalt geprägten Ehrenamtsarbeit nehmen die Koordinator*innen ein. Sie werden daher als „gatekeeper“ bezeichnet. Mit umfangreichen Darstellungen und Erzählungen aus den Fokusgruppen schließt das Autor*innenteam: „die hospizliche Sterbebegleitung in Deutschland „ ist “ein zwar deutlich zugangsungleiches gleichwohl aber letztverlässliches Angebot.“

Die letzte, ungleich knappere dritte Teilstudie, unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Klie untersucht die Sicht der Hausärzt*innen und Pflegekräfte auf die Hospizarbeit. Dazu wurden 13 leitfadengestützte Interviews telefonisch und in Form von Gruppengesprächen mit fünf Hausärzt*innen und acht Pflegekräften durchgeführt. Einer der Befunde ist, dass die Professionellen und die Ehrenamtlichen verschiedene Wahrnehmungen auf die Sterbenden haben, und zum Teil wenig Austausch darüber stattfindet. Sich ein praxisnahes Bild von der Arbeit des jeweils bilden zu können, wird daher als eine Empfehlung formuliert. Dies könne in regionalen Hospiz- und Palliativnetzwerken ermöglicht werden, die dann auch dazu dienen die Zugangsgerechtigkeit zu erhöhen.

Diskussion

Mit dieser Studie liegen erstmals empirische Daten zur Hospizarbeit, zur Bereitschaft der Mitarbeit im Ehrenamt und zur Binnen- und Außensicht des Engagements vor. Die Autor*innen legen die Finger auf kritische Befunde, wie dem der Selektivität der Ehrenamtlichen und der Begleitungen und setzen sich für eine Weiterentwicklung der Hospizarbeit ein. Auffallend ist, dass sowohl in den Erhebungen wie in der Analyse Menschen mit Migrationshintergrund als Ehrenamtliche kaum Beachtung finden. In der Erhebung der ersten Teilstudie wurde beschrieben, eine repräsentative Untersuchung unter der „deutschen Wohnbevölkerung“ durchgeführt zu haben. Heißt dies, dass Menschen anderer Nationalität nicht befragt wurden? Als Analysekriterium erscheint in der ersten Teilstudie zwar Alter, Geschlecht, Wohnort, Stadt versus Land, Ost und West, sozioökonomischer Status, nicht aber die Nationalität oder die Frage nach Migrationserfahrung. Dieses Forschungsdesiderat sollte in weiteren Studien aufgenommen werden.

Die qualitativen Interviews und ihre Darstellung eröffnen den Blick in die Innenwelt der Arbeit und ihrer Deutung von Hospizehrenamtlichen, ohne verklärend zu sein. Die Ergebnisse werden genutzt, um in wertschätzender Weise Empfehlungen für eine Zukunftsfähigkeit der Hospizarbeit und ihre Öffnung hin zu mehr Zugangsgerechtigkeit zu formulieren.

Fazit

Dieses Werk liefert vielfältige und differenzierte empirische Befunde zur Hospizarbeit und zeigt Entwicklungspotential zur zukünftigen Arbeit. Es ist für all diejenigen, die sich für diese Tätigkeit interessieren, eine spannende und gut zu lesende Studie und bietet für die dort Arbeitenden mit den aufgeworfenen Fragen Potential zur weiteren intensiven Beschäftigung und Veränderung.

Rezension von
Dr. rer. soc. Gudrun Silberzahn-Jandt
Referentin Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart e.V., freiberufliche Kulturwissenschaftlerin Esslingen, Lehrbeauftragte an Hochschulen und Universitäten
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Es gibt 16 Rezensionen von Gudrun Silberzahn-Jandt.

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Zitiervorschlag
Gudrun Silberzahn-Jandt. Rezension vom 14.01.2020 zu: Thomas Klie, Werner Schneider, Christine Moeller-Bruker, Kristina Greißl: Ehrenamtliche Hospizarbeit in der Mitte der Gesellschaft? Empirische Befunde zum zivilgesellschaftlichen Engagement in der Begleitung Sterbender. der hospiz verlag Caro & Cie. oHG (Esslingen) 2019. ISBN 978-3-946527-28-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26104.php, Datum des Zugriffs 27.03.2023.


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