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Wolfgang Buchberger, Philipp Mittnik (Hrsg.): Herausforderung Populismus

Rezensiert von Julia Besche, 20.03.2020

Cover Wolfgang Buchberger, Philipp Mittnik (Hrsg.): Herausforderung Populismus ISBN 978-3-7344-0840-3

Wolfgang Buchberger, Philipp Mittnik (Hrsg.): Herausforderung Populismus. Multidisziplinäre Zugänge für die Politische Bildung. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2019. 160 Seiten. ISBN 978-3-7344-0840-3. D: 22,90 EUR, A: 23,60 EUR.
Reihe: Wochenschau Wissenschaft.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Thema

Bei der vorliegenden Veröffentlichung handelt es sich um einen Tagungsband, welcher dem Versuch Rechnung tragen soll, interdisziplinäre Zugänge und somit vielfältige Perspektiven auf das Phänomen des Populismus im Kontext (schulischer) Politischer Bildung nutzbar zu machen. Dieser Versuch bildet sich in der Breite der Herkunftsdisziplinen der Autor*innen der einzelnen Beiträge ab (Buchberger/​Mittnik 2019,150 f.):

Herausgeber

Prof. Mag. Wolfgang Buchberger ist Hochschulprofessor für Geschichts- und Politikdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Salzburg und Leiter des „Bundeszentrums für Gesellschaftliches Lernen“ (BZGL). Seine Forschungsschwerpunkte liegen u.a. in der Theorie und Didaktik der Geschichte und der Politischen Bildung, insbesondere Pragmatik des Unterrichts und quantitative und qualitative Erhebungsmethoden der Fachdidaktik.

Philipp Mittnik, Hochschulprofessor für Geschichts- und Politikdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Wien und Leiter des dort angesiedelten Zentrums für Politische Bildung. Lehrender an den Universitäten Wien und Salzburg. Forschungsschwerpunkte: Kompetenzorientiertes Lernen im Bereich Geschichte und Politische Bildung, Politikdidaktik, Schulbuchforschung, Historisches und politisches Lernen im Sachunterricht, Geschichte des Nationalsozialismus und schulische Politische Bildung.

Entstehungshintergrund

Bei der vorliegenden Veröffentlichung handelt es sich um einen Sammelband, welcher im Kontext einer internationalen und multidisziplinären Tagung mit dem Titel „Wahres Volk vs. korrupte Elite? Herausforderung Populismus- multidisziplinäre Zugänge für die Politische Bildung“ im Mai 2018 in Kooperation des Bundeszentrums für Gesellschaftliches Lernen der Pädagogischen Hochschule Salzburg und dem Zentrum für Politische Bildung in Wien stattgefunden hat. Das Ziel dieser Tagung ist dem Vorwort zu entnehmen und bestand im interdisziplinären Austausch sowie der Sichtbarmachung der Bandbreite von Konzepten und Weiterentwicklung von Möglichkeiten der schulischen Politischen Bildung im Umgang mit dem Phänomen Populismus unter Berücksichtigung von Erkenntnissen verschiedener Bereiche, im Vorwort beispielhaft benannt als Politik- & Kommunikationswissenschaft, Wahlforschung sowie Journalismus.

Aufbau

Die vorliegende Veröffentlichung besteht aus sieben Beiträgen unterschiedlichster Fachrichtungen, auf 149 Seiten:

  1. Wolfgang Buchberger: Herausforderung Populismus. Zur Einführung
  2. Thomas Hellmuth: Vergesst den „Popuismus“ Ein Essay über die Problematik eines diffusen Begriffs
  3. Phillip Mittnik: Rechtspopulistisch und/oder rechtsextrem? Die Ideologie der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ)
  4. Christoph Bramann & Christopher Kühberger: Populismus in politischen Reden. Warum man Konzepte des historischen und politischen Lernens ernst nehmen sollte
  5. Stefan Schmid-Heher: Populismus als Herausforderung für die Politische Bildung an Berufsschulen. Demokratie- und Politikvorstellungen von BerufsschullehrerInnen im Brennpunkt
  6. Eva Zeglovtis & Stefan Friesenbichler: Populismus und Meinungsforschung
  7. Uta Russmann: Social Media- neue Räume für Populismus

Inhalt

Die Herausgeber Wolfgang Buchberger und Philipp Mittnik beginnen im Vorwort mit einer Vorstellung der Tagungsidee und dem Hintergrund der Veröffentlichung. Dieser Kontext ist hilfreich um die unterschiedlichen thematischen Schwerpunkte einzuordnen und in einen gemeinsamen Kontext zu bringen.

Buchberger, Wolfgang: Herausforderung Populismus. Zur Einführung

Der erste Beitrag des Bandes beschäftigt sich mit einer Gegenstandsbestimmung des recht weitverbreiteten, jedoch oft undifferenziert verwendeten Begriffs des Populismus entlang verschiedener Fragestellungen: Was versteht man unter Populismus? Handelt es sich um eine Krise der demokratischen Repräsentativität? Populismus als Bedrohung oder nützliches Korrektiv für die (liberale) Demokratie, Wie gestaltet sich das Verhältnis von Medien und Populismus? Im Kontext dieser Fragestellungen entfaltet der Autor zunächst einen vielschichtigen Überblick über die aktuellen Diskurse, um im Zuge der letzten behandelten Fragestellung „Möglichkeiten des Umgangs in der Politischen Bildung?“ vier ausgewählte Begegnungszonen zwischen (schulischer) Politischer Bildung und dem Phänomen des Populismus näher zu beschreiben.

Hellmuth, Thomas: Vergesst den „Populismus!“ Ein Essay über die Problematik eines diffusen Begriffs

Der zweite Beitrag des Bandes baut auf den von Buchberger beschriebenen Merkmalen von Populismen (in diesem Beitrag im Plural verwendet) auf und widmet sich Parallelen, aber vor allem Verschiedenheiten als links- oder rechtspopulistisch bezeichneter Politik. Vor diesem Hintergrund beschreibt der Autor die ideologische Grundlage der Neuen Rechten und kritisiert die undifferenzierte Gleichsetzung unterschiedlicher Ideologien und politischer Ziele unter dem Containerbegriff des Populismus. Hinsichtlich des Begriffs als analytische Kategorie kommt er zu weiteren Ergebnissen, welche zum Beispiel in der Forderung Ausdruck finden, es müsse vielmehr eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ideologien und politischen Zielen der als „populistisch“ bezeichneten Bewegungen und Politiker*innen gehen und meint damit insbesondere die Neue Rechte. Als Anforderung an die Politische Bildung formuliert er den Anspruch, einen kritischen Blick hinsichtlich dieser Entwicklungen zu schulen und auch Neurechte Bewegungen und deren Streben nach kultureller Hegemonie einer kritischen Analyse zu unterziehen.

Mittnik, Philipp: Rechtspopulistisch und/oder rechtsextrem?

Der dritte Beitrag des Bandes hat wiederum den Schwerpunkt Rechtspopulismus und thematisiert die schwierige Abgrenzung zum Begriff des Rechtsextremismus, indem Merkmale beider Begriffe herausgearbeitet und Schnittstellen herausgestellt werden. Diese werden exemplarisch am Beispiel der historischen Entwicklung der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ausgeführt. Auf der Grundlage von Veröffentlichungen der Partei und Aussagen ihrer RepräsentatInnen nimmt der Autor eine Verortung im demokratischen Spektrum vor und weist sowohl rechtspopulistische als auch rechtsextreme Merkmale nach. Der Bezug zur Politischen Bildung wird in diesem Beitrag über den Verweis hergeleitet, dass insbesondere bildungsferne Schichten vermehrt in den Fokus der Partei genommen werden, verbunden mit der Aufforderung, zentrale liberaldemokratische Konzepte innerhalb des Unterrichts zu stärken. Insgesamt zeigt dieser Beitrag jedoch wenig inhaltliche Bezüge zur Politischen Bildung, sofern er nicht als „Muster“ einer möglichen Auseinandersetzung im Unterricht gesehen werden soll, hinsichtlich möglicher Reflektions- sowie Ebenen der Nachweisbarkeit.

Bramann, Christoph/Kühberger, Christoph: Populismus in politischen Reden. Warum man Konzepte des historischen und politischen Lernens ernst nehmen sollte

Dieser Beitrag ist stärker politikdidaktisch geprägt und beschäftigt sich, ausgehend von verschiedenen Strukturprinzipien von Populismus mit politischen Reden als Gegenstand des Unterrichts. Dabei plädieren die Autoren für ein Hinterfragen der politischen Nutzungsanwendung des Begriffs in der politischen Öffentlichkeit und der Annäherung als gesellschaftswissenschaftlichen Analysebegriff. Bramann und Kühberger betonen in diesem Kontext, dass die Auseinandersetzung mit dem Phänomen eine Chance zur fundierten und kritischen Auseinandersetzung mit politischen Inhalten, z.B. auch in den neuen Medien darstellen kann. Daran schließen sich Überlegungen zu analytischen Annäherung im Unterricht an, wobei verschiedene methodische Ansätze zu Reden im Geschichts- und Politikunterricht diskutiert werden. Neben der Vorstellung gängiger bestehender unterrichtspraktischer Ansätze zur Interpretation historischer und aktueller politischer Reden stellen die Autoren eine zusammenfassende Analysematrix vor, welche die verschiedenen geschichts- und politikdidaktische Ansätze systematisch miteinander in Bezug setzt. Diese Analysematrix wird anhand eines Anwendungsbeispiels nachvollziehbar ergänzt.

Schmid-Heher, Stefan: Populismus als Herausforderung für die Politische Bildung an Berufsschulen. Demokratie- und Politikvorstellungen von BerufsschullehrerInnen im Brennpunkt

Dieser Beitrag widmet sich in einem ersten Abschnitt den Populismusbegriffen für die Politische Bildung an Berufsschulen, die sich keinesfalls in einem Antipopulismus erschöpfen dürften, um daran anschließend entlang von Studienergebnissen die Politik- und Demokratie-vorstellungen von Berufsschüler*innen und Lehramtsstudierenden dazustellen. Dabei identifiziert der Autor Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen, zum Beispiel die Wahrnehmung von Berufsschüler*innen als Problemgruppe, aufgrund der Zuschreibung einer besonderen Neigung zum Populismus. Diese Neigung wird anhand des Wahlverhaltens der entsprechenden Zielgruppe nachvollzogen. Darüber hinaus findet eine Einordnung dieser Wahrnehmung über eine Befragung Wiener Lehrlinge zu demokratischen und autoritären Potenzialen statt. Diese wird im Anschluss durch eine Erhebung von Lehramtsstudierenden der Pädagogischen Hochschule Wien ergänzt, welche mit weitgehend gleichen Fragen konfrontiert wurden. Weiterhin wurde die Politik- und Demokatievorstellungen von Berufsschullehrer*innen anhand von drei metaphorischen Konzepten mittels einer Metaphernanalyse nachvollzogen, welche jedoch nur beispielhaft in ihren Grundzügen als Analysemöglichkeit von Lehrer*innenvorstellung vorgestellt werden. Aus den Ergebnissen der genannten Studien zieht der Autor das Fazit, dass Lehrlinge im Kontext der dualen Ausbildung anderen Herausforderung gegenüberstehen als Vollzeitschüler*innen im selben Alter, da demokratische Partizipation, Reflexion und Kritik am Arbeitsplatz einen geringeren Stellenwert einnehmen, als dies in der schulischen Ausbildung der Fall sei. Auf der Ebene der Lehrkräfte fordert Schmid-Heher ein hohes Maß an Selbstreflexion, um diese reflexive Haltung auch im Unterricht weitergeben zu können. Die Ausbildung eben dieser Haltung sieht der Autor als Herausforderung des berufsbegleitenden Studiums an Pädagogischen Hochschulen, welche die Professionalisierung der Lehrenden Rechnung tragen soll.

Zeglovits, Eva/Frisenbichler, Stefan: Populismus und Meinungsforschung

In diesem, recht kurzen Beitrag, werden Ergebnisse der Meinungsforschung präsentiert, welche Aufschluss darüber geben sollen, wie stark die Ausprägung derjenigen Gruppe von Menschen in Österreich ist, welche für populistische Angebote empfänglich sind. Dabei werden Einstellungen von Befragten erhoben, die wiederum den Strukturmerkmalen von Populismus zugeordnet werden. Die Autor*innen reflektieren die Umfrageergebnisse ebenso wie die Bedeutung der Meinungsforschung in Politik und Wissenschaft, auch aus Sicht Vertreter*innen rechtspopulistischer Gruppierungen und Parteien.

Russmann, Uta: Social Media- neue Räume für Populismus

Aus der Perspektive der Kommunikationswissenschaft beschreibt die Autorin die zentrale Rolle von Social Media als intensiv genutztes Instrument der Politik einerseits und populistischer Politiker*innen als Medium der Verbreitung von Ideen andererseits, insbesondere jedoch die Nutzung von Jugendlichen, bei welchen Social-Media- Kommunikation einen zentralen Stellenwert beim politischen Wissenserwerb einnimmt. Dazu wird ein kommunikationszentrierter (in Abgrenzung zu einem akteurszentrierten bzw. ideologischen) Ansatz zur Untersuchung populistischer Kommunikationsphänome in sozialen Medien angewandt, wobei u.a. nach Wirkungen populistischer Kommunikationsstile auf junge Menschen gefragt wird. Weiterhin untersucht Russmann die Hintergründe für eine erfolgreiche Nutzung dieser im Gegensatz zu klassischen journalistischen Medien und erläutert manipulierende Einfussfaktoren wie Filterblasen, Echokammern, Algorithmen, Fake News sowie Social Bots und stellt einen Zusammenhang zwischen diesen Faktoren her. Vor diesem Hintergrund plädiert die Autorin für die Vermittlung eines reflektierten Umgangs mit sozialen Medien und skizziert Eckpunkte desselbigen.

Diskussion

Der vorliegende Tagungsband bildet eine interessante Zusammenstellung sehr unterschiedlicher Perspektiven auf das Thema Populismus ab. Aus diesen Perspektiven entwickeln sich in der Gesamtschau vielfältige Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit dem Phänomen Populismus in der (schulischen) Politischen Bildung.

Weiterhin wäre es sicherlich interessant verschiedene phäomenbezogene Impulse weiter zu diskutieren, zum Beispiel die von Thomas Hellmuth aufgestellten Thesen, zur Abgrenzung von Rechts- und Linkspopulismus, die von Philipp Mittnik diskutierte Abgrenzung rechtspopulistischer und rechtsextremer Positionen innerhalb einer Partei bzw. der beispielhaften Entwicklung selbiger.

Fazit

Entsprechend dem Anspruch der zugrundeliegenden Tagung liefert der Tagungsband „Herausforderung Populismus. Multidisziplinäre Zugänge für die Politische Bildung“ einen Einblick in unterschiedliche Perspektiven verschiedener Fachrichtungen in Bezug auf das Phänomen des Populismus im Kontext (schulischer) Politischer Bildung und zeichnet Konfliktfelder bzw. Möglichkeiten zur Thematisierung im Unterricht nach. Dabei bietet er eine übersichtliche Darstellung zum aktuellen Diskurs um das Phänomen des Populismus. Die Frage, wie den formulierten Herausforderungen konkret begegnet werden sollte, wird nach Lektüre der Beiträge jedoch nicht beantwortet. Praktiker*innen, welche ein vertieftes Interesse an diesem Thema haben und einen Blick über den „pädagogischen Tellerrand“ wagen wollen, werden mit der vorliegenden Veröffentlichung sicherlich interessante neue Diskursstränge und Ideen für den Unterricht aufgreifen können. Besteht das Ziel jedoch in Ideen zur konkreten Gestaltung des Unterrichts, so werden diese Hoffnungen nicht erfüllt. Dazu bleiben die behandelten Fragestellungen und Diskursstränge zu unverbunden und unkonkret. Eher sind hier Handlungsaufforderungen und Ansprüche an eine Politische Bildung formuliert, wie sie angesichts der kommenden und mitunter bereits bestehenden Herausforderungen im Kontext von Populismus zu stellen sind.

Rezension von
Julia Besche
Verwalterin der Professur für Normative Rahmungen der Sozialen Arbeit an der HAWK Holzminden
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Es gibt 6 Rezensionen von Julia Besche.

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ISSN 2190-9245