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Meinolf Peters, Reinhard Lindner: Psychodynamische Psychotherapie im Alter

Rezensiert von Prof. Dr. habil. Gisela Thiele, 11.12.2019

Cover Meinolf Peters, Reinhard Lindner: Psychodynamische Psychotherapie im Alter ISBN 978-3-17-030603-5

Meinolf Peters, Reinhard Lindner: Psychodynamische Psychotherapie im Alter. Grundlagen, Störungsbilder und Behandlungsformen. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2019. 272 Seiten. ISBN 978-3-17-030603-5.
Reihe: Psychoanalyse im 21 Jahrhundert.

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Thema

Die Psychodynamische Psychotherapie Älterer hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutsamen klinischen Feld entwickelt. Ziel des Buches ist es, die empirischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen zu dieser Behandlungsform zusammenzufassen. Ausgehend von den gesellschaftlichen, entwicklungspsychologischen und körperlichen Grundlagen des Alterns setzen sich die Autoren mit der derzeitige Versorgungslage und den wichtigsten Krankheitsbildern und deren Behandlung auseinander. Auch die Hochaltrigen sollten mehr in das psychotherapeutische Versorgungsnetz einbezogen werden.

Autoren

Autoren sind Dr. phil., Diplom-Psychologe Meinolf Peters, psychologischer Psychotherapeut, Psychoanalytiker (DPG, DGPT), Honorarprofessor an der Universität Marburg, niedergelassen in eigener Praxis, leitender Psychologe im Funktionsbereich Gerontopsychosomatik in der Klinik am Hainberg in Bad Hersfeld, Mitinhaber und Geschäftsführer des Instituts für Alternspsychotherapie und Angewandte Gerontologie.

PD Dr. med. Reinhard Lindner, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Oberarzt für Gerontopsychosomatik und Alterspsychotherapie.

Aufbau und Inhalt

Das Buch ist neben zwei Geleitworten und einem Vorwort in sechs Kapitel unterschiedlicher Länge gegliedert.

Im „Geleitwort“ wird betont, dass im ‚fünften Dezennium‘ Psychotherapie als Kontraindikation galt und heute diese für über 60-jährige möglich, sinnvoll und langfristig wäre.

Dieses Thema wird im „Vorwort“ wieder aufgegriffen, indem das vergangene Jahrhundert vom therapeutischen Nihilismus Freuds überschattet gewesen sei.

Das erste Kapitel „Grundlagen“ setzt sich mit den Besonderheiten der Lebensphase des Alters, der Veränderung der Altersbilder und den neuen Kohorten Älterer auseinander. Letztere hätten den Umgang mit Leid, Grenzen und Verlusten seltener erfahren als die noch Älteren, wodurch es ihnen schwerer fallen könnte, das Alter zu akzeptieren und mit ihm zu leben. In den weiteren Ausführungen werden biologische Grundlagen des Alters, die zunehmende Verletzlichkeit und bio-psycho-soziale Entwicklungsprozesse diskutiert. Ältere griffen auf ein erlebtes und geprägtes Set von Reaktionsweisen zurück, mit denen sie auf die Veränderungen des alternden Körpers antworten (S. 41). Auch die psychodynamische Sichtweise hätte sich verändert. Ältere Patienten gelten als psychosexuell und psychosozial erfahrene Erwachsene, die ebenso mit ihren inneren Konflikten ringen und mit ihnen leiden sowie mit ihnen wachsen würden.

Der Titel des zweiten Kapitels ist überschrieben mit „Ältere und Psychotherapie – Zwei Fremde nähern sich an“. Sowohl die Einstellung der Therapeuten als auch der älteren Menschen habe sich insofern verändert, als die Bereitschaft, sich einer Psychotherapie zu unterziehen, auf beiden Seiten gestiegen sei.

Das dritte Kapitel ist den „Psychische(n) Störungen im Alter“ gewidmet. Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Depression die häufigste psychische Störung im Alter sei, wobei schon früh in der psychodynamischen Therapie ein Selbstwertkonflikt thematisiert wurde. Angststörungen seien aber vermutlich noch häufiger, die zunehmend in Form von generalisierter Angst, Phobien und Demenzangst auftreten würden. Weitere Störungsbilder seien Traumata, Psychosen, Persönlichkeitsstörungen und Demenz. Fallvignetten über jedes der Krankheitsbilder und deren Behandlungsformen vollenden das Kapitel (S. 81 ff).

„Konzepte und Haltungen“ ist der Titel des folgenden Kapitels. Hier geht es insbesondere um die Übertragungs-Gegenübertragungsbeziehung zwischen älteren Patienten und Therapeuten.

Kapitel fünf setzt sich mit den „Formen der Psychotherapie“ auseinander. Im klinischen Setting nehme die Fokaltherapie als eine Form der Kurzzeittherapie gerade bei älteren Patienten einen breiten Raum ein. Ein Fokus beschreibe ein therapeutisches Thema, was sich zu Beginn heraus kristallisiere und damit eine orientierende und strukturierende Funktion habe. Eine weitere Form ist die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, wobei die Behandlung auf Konflikten und Entwicklungsstörungen in der aktuellen Lebenssituation des Patienten läge. Die psychoanalytische Langzeittherapie bei der frühkindlichen Konflikte in freier Assoziation reflektiert werden sollen, wird für Ältere nur in geringem Maße angewendet. Neuere Ansätze wie die mentalisierungsbasierte und die strukturbezogene Psychotherapie oder auch die imaginative Traumatherapie werden auch in späteren Lebensjahren eingesetzt, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg.

„Die Zukunft des Alters“ wird im letzten und damit sechsten Kapitel diskutiert. Der Traum vieler Menschen, unsterblich zu sein, wenigstens aber länger als 120 Jahre zu leben, würde eine fundamentale Gerechtigkeitsfrage aufwerfen, weil sich das nur einige wenige leisten könnten. Was aber klar ist, es sei ein Trend der Relativierung von Altersgrenzen zu beobachten und die Diversität der Altenbevölkerung werde weiter zunehmen.

Fazit

Ein Fachbuch und dazu noch zu einem speziellen Thema zur psychodynamischen Psychotherapie im Alter dürfte für viele Leser eine Herausforderung sein, zumal viele Begriffe akademisch fachspezifisch besetzt sind. Das Versprechen im Geleitwort, dass in der Reihe „Psychoanalyse im 21. Jahrhundert“, in dem diese Publikation erschienen ist, besonderer Wert auf einen allgemein verständlichen Stil gelegt werde, wurde vollumfänglich eingelöst. Es ist ein Fachbuch, das einen Überblick über Konzepte, Methoden und Anwendung der modernen Psychoanalyse gibt und für den psychotherapeutischen Praktiker sowie für sozial- und kulturwissenschaftliche interessierende Leser sehr gewinnbringend sein dürfte.

Rezension von
Prof. Dr. habil. Gisela Thiele
Hochschule Zittau/Görlitz (FH)
Berufungsgebiete Soziologie, Empirische Sozialforschung und Gerontologie
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Es gibt 203 Rezensionen von Gisela Thiele.

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ISSN 2190-9245