Olaf Dörner, Carola Iller et al. (Hrsg.): Beratung im Kontext des lebenslangen Lernens
Rezensiert von Prof. Dr. Werner Sauter, 11.06.2020

Olaf Dörner, Carola Iller, Ingeborg Schüßler, Cornelia Maier-Gutheil, Christiane Schiersmann (Hrsg.): Beratung im Kontext des lebenslangen Lernens. Konzepte, Organisation, Politik, Spannungsfelder.
Verlag Barbara Budrich GmbH
(Opladen, Berlin, Toronto) 2019.
318 Seiten.
ISBN 978-3-8474-2204-4.
D: 38,00 EUR,
A: 39,10 EUR.
Schriftenreihe der Sektion Erwachsenenbildung in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE).
Thema
Die vielbeschworene Vision des Lebenslangen Lernens baut darauf auf, dass die Menschen die Motivation und die Kompetenz erwerben, eigenständig fast über ihre gesamte Lebensspanne hinweg zu lernen. Sie umfasst damit alle Gelegenheiten zum Lernen, im Alltag, in der Arbeit, in sozialen Netzwerken, in Projekten, in Seminaren, im E-Learning, im Blended Learning oder im Social Learning bis hin zum Workplace Learning, bei dem Lernen selbstorganisiert m Prozess der Arbeit erfolgt. Lebenslanges Lernen ist damit nicht nur auf die Länge des Lebens, sondern auf seine vielfältige Weite bezogen.
Die Politik hat diesen Bedarf in ihren Vorhaben, z.B. Fördermaßnahmen, aufgegriffen. So beschrieb die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung die Entwicklungsschwerpunkte dieser Strategie als Einbeziehung informellen Lernens mit Selbststeuerung, Kompetenzentwicklung, Vernetzung, Modularisierung, Lernberatung, Neue Lernkultur sowie Popularisierung des Lernens und chancengerechter Zugang.
Lebenslanges und lebensweites Lernen durchbricht damit die Grenzen vorhandener Lern- und Bildungssysteme. Es bedeutet zudem die Aufgabe liebgewonnener und vordergründig erfolgreicher Lehrkonzepte und jahrzehntelang entwickelter Lernmaterialien, einen grundlegenden Kulturwandel im Lernbereich und eine fundamental veränderte Rolle der Bildungsverantwortlichen zum Lernbegleiter und der Lerner, die nunmehr für ihre Lernprozesse selbst verantwortlich sind.
Lebenslanges Lernen erfolgt selbstorganisiert bei der Bewältigung realer Herausforderungen. Das wichtigste Instrument zur Förderung des Lebenslangen Lernens ist die professionelle Beratung. Diese Form des Coaching ist eine Hilfe zur Selbsthilfe und macht verdeckte Ressourcen sichtbar und nutzbar. Sie ist eine besondere Form der arbeitsbezogenen Selbstreflexion und unterstützt einen Perspektivenwandel und eine Wahrnehmungserweiterung, insbesondere in Bezug auf das individuelle Selbstmanagement. Letztendlich soll sie dazu beitragen, Potenziale zu entfalten und die Performanz zu steigern. Damit gehört Beraten zu den zentralen Formen pädagogischen Handelns im Kontext Lebenslangen Lernens.
Herausgeber*innen und Autor*innen
Die Herausgeberinnen und Herausgeber sowie die insgesamt 34 Autorinnen und Autoren kommen alle aus den pädagogischen bzw. erziehungswissenschaftlichen Bereichen verschiedener deutscher Hochschulen.
Entstehungshintergrund
2017 fand in Heidelberg eine Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften (DGfE) statt, auf der die wechselseitigen Bezüge der Themen Beratung, Organisation und Politik im Kontext der Erwachsenenbildung im Mittelpunkt standen. Dabei wurde das Feld Beratung in der Erwachsenenbildung aus den unterschiedlichen, zum Teil widersprüchlichen disziplinären, institutionellen (organisationalen), gesellschaftlichen und bildungspolitischen Perspektiven und den damit verbundenen Spannungsfeldern beleuchtet.
Diese verschiedenen Blickwinkel werden in diesem Band in 22 Beiträgen aus dieser Tagung beleuchtet. Das Ziel ist, die Bandbreite der Beratungsforschung in der Erwachsenenbildung aufzuzeigen. Es geht vor allem um die Fragen nach der Professionalisierung, der Institutionalisierung und der Zielgruppenorientierung, aber auch um neue Zugänge und forschungsmethodische Ansätze. Weiterhin sollen Bezüge und Schnittstellen zwischen verschiedenen Praxisfeldern der Begleitung und Beratung von Bildungsprozessen im Erwachsenenalter untersucht und verdeutlicht werden.
Aufbau und Inhalt
Der Sammelband beleuchtet zunächst die theoretischen Zugänge. In zwei Beiträgen wird untersucht, wie sich die Beschleunigungen sowie die zunehmende Wettbewerbsorientierung auswirken und welche Sinnkonstruktionen der Lernberatung aus systemischer Sicht in sachlicher, sozialer und zeitlicher Dimensionalität zugrunde liegen.
Danach werden die besonderen Aspekte medial vermittelter Beratungsformate am Beispiel von E-Mail-Weiterbildungsformaten mit der Methode der qualitativen Korrespondenzanalyse und in unterschiedlichen zeitlichen Kontexten untersucht.
Im nächsten Kapitel steht die wissenschaftliche Weiterbildung im Mittelpunkt. Es werden Beratungskonzepte und die erforderlichen Rahmenbedingungen vorgestellt, die Anrechnung und Anerkennung von außerhochschulischen Leistungen beleuchtet sowie Angebote zum Thema Durchlässigkeit beschrieben.
Größeren Raum nimmt der Themenkomplex Beratungskompetenz und Professionalisierung ein. Dabei werden folgende Fragen erörtert: Mit welchen Instrumenten können Kompetenzen angemessen erfasst und analysiert werden, wie kann die subjektorientierte Professionalisierung der Beratung erfolgen, welche pädagogischen Arbeitsfelder sind von Bedeutung und wie können aus den Beratungen strukturelle Defizite und Hindernisse zu systemrelevanten Fällen identifiziert werden?
Danach werden in vier Beiträgen unterschiedliche Lebensphasen mit ihren spezifischen Beratungsbedarfen im betrieblichen Kontext, in der außerschulischen Jugendbildung, beim Übergang in die Arbeitswelt sowie im Hochschulkontext betrachtet.
Im sechsten Kapitel werden reale Beratungsinteraktionen anhand gesprächsanalytischer Zugänge am Beispiel der Entscheidungsgenerierung sowie beim Coaching von Führungskräften erläutert. Zuletzt wird die Beratung in unterschiedlichen organisationalen Kontexten aus organisationspädagogischer Perspektive betrachtet. Hierbei geht es um das Verhältnis von Organisationsberatung und organisationalem Lernen, um Interventionsprojekte mit dem Ziel der Umsetzung verbesserter Diversity und Gleichstellung, der Prozesse der Fremd- und Selbststeuerung im Kontext Hochschule sowie um ein Bildungs- und Karriereprogramm für Jugendliche.
Fazit
Das Ziel dieses Tagungsbandes ist es, einen Beitrag zur Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Diskurses, aber auch des Praxisfeldes der Beratung im Kontext des Lebenslangen Lernens zu leisten. Während das erste Ziel erreicht wird, sind die konkreten Anregungen für Bildungspraxis sehr begrenzt. Dieses Fachbuch ist damit in erster Linie für die theoretische Auseinandersetzung mit Beratungsaspekten im Rahmen der Hochschule geeignet. Bildungsberater und -verantwortliche in der Praxis werden eher wenig Anregungen für ihre Beratungspraxis finden.
Rezension von
Prof. Dr. Werner Sauter
Blended Solutions GmbH
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