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Martin Bohus: Borderline-Störung

Rezensiert von Dipl.-Päd. Petra Steinborn, 20.02.2020

Cover Martin Bohus: Borderline-Störung ISBN 978-3-8017-2853-3

Martin Bohus: Borderline-Störung. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2019. 2., vollständig überarbeitete Auflage. 120 Seiten. ISBN 978-3-8017-2853-3. 19,95 EUR. CH: 26,90 sFr.
Reihe: Fortschritte der Psychotherapie - Band 14.

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Thema

Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) handelt es sich um eine komplexe, schwerwiegende und nicht selten chronisch verlaufende Störung. Sie führt betroffene Menschen selbst und deren soziales Umfeld nicht selten an Grenzen der emotionalen Belastbarkeit. Lange Zeit galt Borderline als unheilbar. Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) von Marsha Linehan kann Borderline evidenzbasiert behandelt. Im Buch werden grundlegende Behandlungsprinzipien der DBT aufgezeigt und die entsprechenden Behandlungsmodule vorgestellt. Beschrieben wird auch das Vorgehen in den verschiedenen Therapiestadien. 

Autor

Martin Bohus ist Professor und ärztlicher Direktor der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim. Er gilt als einer der führenden Experten für Borderline.

Entstehungshintergrund

Das Buch ist als Band 14 in der Reihe „Fortschritte der Psychotherapie“ erschienen. Die Reihe bietet Fachmenschen z.B. ärztliche Psychotherapeuten, klinischen Psychologen oder Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie Wissen für die praxisorientierte Weiterbildung. Alle Bände sind gleich aufgebaut, sodass eine schnelle Orientierung möglich ist. Im Mittelpunkt stehen Informationen, die Therapeut*innen in der alltäglichen Praxis benötigt.

Aufbau und Inhalt

Das vorgelegte Buch ist im DIN A 5 Softcoverformat aufgelegt und hat einen Umfang von 120 Seiten, die sich in 10 Kapiteln gliedern. Am Seitenrand finden sich zur besseren Orientierung Schlagworte aus dem Fließtext. Zahlreiche Tabellen und Schaubilder erklären und wirken auflockernd. Grau hinterlegte Textboxen enthalten Übungen, Merksätze oder Zusammenfassungen.

  1. Beschreibung der Störung
  2. Störungsmodell
  3. Diagnostik und Indikation
  4. Behandlung der BPS mit Dialektisch Behavioraler Therapie (DBT)
  5. Alternative und andere evidenzbasierte Behandlungen
  6. Pharmakotherapie
  7. Fallbeispiel
  8. Weiterführende Literatur
  9. Literatur
  10. Anhang

Einführend im ersten Kapitel „Beschreibung der Störung“ beleuchtet der Autor die Geschichte des Störungsbegriffs, die Definition der Störung und die diagnostischen Kriterien nach DSM-5 und ICD-11. Er betrachtet auch die klinische Symptomatik und die Epidemiologie. Vertiefend wird auf die Borderline-Diagnose bei Jugendlichen, deren Verlauf und Prognose sowie der Differenzialdiagnose und Komorbidität eingegangen.

Psychosoziale Komponenten des Störungsmodells und das sog. biopsychosoziale Entstehungsmodell sind Gegenstand des zweiten Kapitels. Es gibt viele gesicherte psychosoziale Komponenten, die als Risikofaktoren gelten. Der Autor fügt eine weitere Komponente, die sog. „Unerwiderte Beziehungserwartung (traumatisch erlebt Invalidierung)“ (S. 15) hinzu, weist aber darauf hin, dass diese noch nicht empirisch hinterlegt ist. Im Anhang findet sich zu diesem Modell auf S. 119 ein Schaubild.

Das dritte Kapitel nimmt Diagnostik und Indikation in den Blick. Für die operative Diagnostik gilt das IPDE Instrument als Mittel der Wahl (S. 18).

Umfassend wird im vierten Kapitel die „Behandlung“ der BPS mit der sog. „Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT)“ erklärt. Vorgestellt werden DBT-Behandlungsmodule, grundlegende Prinzipien der DBT und therapeutische Grundannahmen.

Besprochen werden zudem die Gestaltung von Beziehungen und Behandlungsstadien. Diese beginnen mit dem Stadium der Orientierung, darauf folgen die Phasen der Vorbereitung in den Therapiestadien (I bis III).

Das Therapiestadium I beleuchtet krisenerzeugendes Verhalten und den Aufbau von Verhaltenskontrolle bei schwerwiegenden Verhaltensproblemen. Das Therapiestadium ll teilt sich in

  • schwerwiegende komorbide psychische Störungen und
  • Probleme mit emotionalem Erleben und dem negativen Selbstkonzept und sozialer Kooperation.

Das Therapiestadium III ist mit dem Titel „Das Leben entfalten“ überschrieben und leitet möglichst kleinschrittige alltagsrelevante Schritte ein.

Im Anschluss an der Beschreibung der Stadien werden therapeutische Strategien und Methoden erklärt: die Analyse des Verhaltens, der Umgang mit drängenden Suizidgedanken, der Umgang mit therapiegefährdendem Verhalten und der Umgang mit Dissoziation. Reflektiert werden auch dialektische Strategien, die Validierung und das sog. Kontingenzmanagement.

Hier schließen sich Ausführungen zum Skill-Training in der Gruppe an. Erheblichen Wert wird auf die Rahmenbedingungen und den Aufbau der Sitzungen gelegt, hinzukommen wichtige Elemente wie Achtsamkeit, Stresstoleranz, der Umgang mit Gefühlen, zwischenmenschliche Fertigkeiten und das Thema Selbstwert. Neben diesen Fertigkeits-Trainings-Gruppen ist eine Konsultationsgruppe für Therapeut*innen notwendig. In diesem Kapitel werden zudem die Nutzung von digitalen Medien und Telefonberatung, die stationäre Behandlung nach DBT (stationäre Krisenintervention, elektive stationäre DBT, die Arbeit mit Partner*innen und Angehörigen sowie die sog. DBT-Peer-Coaches) näher beleuchtet.

Alternative und andere evidenzbasierte Behandlungen stehen im Mittelpunkt des fünften Kapitels. Der Autor beginnt mit der Datenlage, es folgt die Erklärung der mentalisierungsbasierten Therapie (MBT) nach Bateman und Fonagy und die Schematherapie für Borderline-Störung nach Young. Auch die Pharmakotherapie ist erwähnt.

Den inhaltlichen Abschluss bildet ein Fallbeispiel.

Das Buch endet mit Literaturangaben und einem umfangreichen Anhang, der ein Therapieverlaufs-Wochenprotokoll, eine Vorlage zur Verhaltensanalyse für Problemverhalten, eine Vorlage zur Spannungskurve und eine Vorlage für das traumatische Invalidierung – Modell sowie ein Wochenprotokoll enthält. In einer Tasche auf dem hinteren Buchdeckel finden sich schon vorgefertigte Karten in verschiedenen Farben: eine Checkliste für das Behandlungsstadium 0, einem Interview zu schwerwiegenden Störungen der Verhaltenskontrolle (SBDI) und die Checkliste DBT-Behandlungsplanung.

Diskussion

Der hier vorgelegte Band 14 „Borderline“ in der Reihe „Fortschritte der Psychotherapie“ des Hogrefe Verlags ist in der zweiten vollständig überarbeiteten Auflage erschienen. Zwischen dieser Auflage und der ersten Auflage liegen nach Aussage des Autors 18 Jahre. In dieser Zeit hat sich das Verständnis der Borderline-Störung verändert. Einfluss hatten beispielsweise Erkenntnisse der Neurobiologie, experimentellen Psychologie und die Therapieforschung.

Das hier vorgelegte Buch (im DIN A 5 Softcoverformat) hat einen Umfang von 120 Seiten, die sich in 10 Kapiteln und zahlreichen Zwischenüberschriften gliedern. Schlagworte am Seitenrand lassen eine gezielte Suche zu und unterstützen die Orientierung. Zahlreiche Tabellen und Schaubilder erklären und wirken auflockernd.

Das Buch gibt einen guten Überblick und fasst zusammen, was im 2017 im Schattauer Verlag erschienenen Therapie-Manual (mit einem Umfang von 409 Seiten) ausgeführt wurde. Zur praktischen Anwendung sollte auf das umfassende Werk zugegriffen werden.

Bemerkenswert beginnt das Vorwort mit einem Statement einer ehemaligen Patientin. Sie beschreibt, wie es ihr ergangen ist und was sie als hilfreich empfand z.B. Therapeut*innen, die ohne ‚Wenn und Aber‘ zur Seite standen und dabei unterstützt haben, dass sie als Patientin die Verantwortung für Veränderungen und Entscheidungen tragen konnte.

Im Fließtext finden sich zahlreiche grau hinterlegte Textboxen mit Zusammenfassungen, Grafiken, Merkposten und Aussagen aus der Praxis, die sich als hilfreich erwiesen haben wie z.B. „Was hindert Sie derzeit daran, diese Ihre Ziele umzusetzen?“ (S. 45- Klärung der Behandlungsziele). Diese Hinweise zeigen sehr konkret, dass der Autor über viel Wissen und Erfahrung mit der Zielgruppe verfügt und er dieses Wissen praktisch konkret weiter geben möchte.

Im Abschnitt 4.7. Fertigkeiten-Training (S. 68–78) finden sich witzige Comics, die sich gut kopieren lassen und auflockernd wirken. Visualisiert werden die Module Achtsamkeit, Stresstoleranz, der Umgang mit Gefühlen, zwischenmenschliche Fähigkeiten und das Modul Selbstwert. Dazu gibt es weiteres Material, dass schon vorgefertigt ist. Einmal im Anhang zahlreichen Kopiervorlagen und dazu in einer aufgeklebten Lasche drei Karten mit Fragestellungen in verschiedenen Farben: eine Checkliste für das Behandlungsstadium 0, einem Interview zu schwerwiegenden Störungen der Verhaltenskontrolle (SBDI) und die Checkliste DBT-Behandlungsplanung.

Fazit

Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung handelt es sich um eine komplexe, schwerwiegende und nicht selten chronisch verlaufende Störung. Sie führt betroffene Menschen selbst und deren soziales Umfeld nicht selten an Grenzen der emotionalen Belastbarkeit. Die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) von Marsha Linehan kann Borderline evidenzbasiert behandelt. Im Buch werden grundlegende Behandlungsprinzipien der DBT aufgezeigt und die entsprechenden Behandlungsmodule vorgestellt. Beschrieben wird auch das Vorgehen in den verschiedenen Therapiestadien.

Das Buch ist prall gefüllt mit Content und macht die hohe Fachlichkeit und das umfangreiche Erfahrungswissen in der Arbeit mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung deutlich, die lange Zeit als unheilbar galt. Die Patientin im Vorwort beschreibt, dass sie geheilt ist und macht damit Mut, mit therapeutischer Unterstützung Verantwortung für sich und eigene Entscheidungen und Veränderungen zu übernehmen.

Die hier vorgelegte Neubearbeitung hat zum Ziel, einen Leitfaden für die ambulante und stationäre Behandlung zu liefern.

Verbesserungswürdig wäre die Schrift, es wurde ein kleine Schriftgröße gewählt, die das Lesen anstrengend macht.

Rezension von
Dipl.-Päd. Petra Steinborn
Tätig im Personal- und Qualitätsmanagement in einer großen Ev. Stiftung in Hamburg-Horn. Freiberuflich in eigener Praxis (Heilpraktikerin für Psychotherapie). Leitung von ABC Autismus (Akademie-Beratung-Coaching), Schwerpunkte: Autismus, TEACCH, herausforderndes Verhalten, Strategien der Deeskalation (systemisch), erworbene Hirnschädigungen
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Es gibt 315 Rezensionen von Petra Steinborn.

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ISSN 2190-9245