Persson Perry Baumgartinger: Die staatliche Regulierung von Trans
Rezensiert von Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß, 06.03.2020

Persson Perry Baumgartinger: Die staatliche Regulierung von Trans. Der Transsexuellen-Erlass in Österreich (1980-2010), eine Dispositivgeschichte.
transcript
(Bielefeld) 2019.
347 Seiten.
ISBN 978-3-8376-4854-6.
D: 34,99 EUR,
A: 34,99 EUR,
CH: 42,70 sFr.
Reihe: Gender Studies.
Thema
Der vorliegende Band wendet sich historisch reflektierend, orientiert an einer Diskursanalyse, den juristischen Regulierungen und gesellschaftlichen Diskussionen um Trans* in Österreich zu.
Autor und Herausgeber
Persson Perry Baumgartinger ist Sprachwissenschaftler, lehrt an verschiedenen Universitäten und wurde mit der vorliegenden Arbeit an der Universität Wien promoviert.
Aufbau
Einer Dissertation angemessen folgen auf eine theoretische Einführung und Erläuterungen zur Methodologie vertiefende thematische Betrachtungen und Ableitungen zum „Transsexuellen-Erlass“ in Österreich.
Inhalt
Baumgartinger geht das gewählte Thema sehr grundsätzlich an und baut seine Detailuntersuchungen der „staatliche[n] Regulierung von Trans“ in Österreich im Zeitraum von 1980 bis 2010 auf Betrachtungen der Regierungsweisen in modernen westlichen Gesellschaften auf. Dabei schließt er an Michel Foucaults Analysen zur Gouvernementalität an, bezieht sie auf Geschlecht und spezifisch Trans* und wendet sich – knapp – dem aktuellen wissenschaftlichen Reflexionsstand zur Geschlechterordnung in den modernen europäischen Gesellschaften zu, fokussiert auf das 19. und 20. Jahrhundert.
Der spezifischen österreichischen Situation von Trans* widmet sich Baumgartinger über eine Vielzahl von Quellen – juristischen und institutionellen sowie solchen aus Selbstorganisationen und breiteren Debatten. Interviews mit zentralen Protagonist*innen wurden geführt, um das vorliegende Material besser kontextualisieren zu können.
Auf diese Weise wird einerseits die spezifische österreichische Situation erläutert: Mit Erlass des Innenministeriums von 1980 sollten alle Anträge zur Personenstandsänderung ministeriell behandelt werden. Dort werden auch Fragen zum Umgang mit Trans* diskutiert, die 1983 in einen Transsexuellen-Erlass münden. Nach mehreren Revisionen des Erlasses – jeweils nach Klagen Betroffener – in den Jahren 1985, 1996, 2007, 2009 und 2010 wird der Transsexuellen-Erlass seit 2010 nicht mehr angewendet. Das Datum fiel in den Prozess der Bearbeitung der Dissertation, sodass Veränderungen notwendig wurden und die Arbeit einen eher historisch-rückblickenden Charakter erhielt.
Als Ergebnis der diskursanalytischen Untersuchung zeigt sich, dass und wie in den österreichischen Aushandlungen um Trans* ein pathologisierendes Verständnis prägend war und ist. Es kennzeichnet den Erlass aus dem Jahr 1983 und wirkt bis heute. So würden auch die aktuellen (zaghaften) Veränderungen zur „wertschätzenden“ Anerkennung gegenüber Trans* eine Bestandssicherung der „alten“ zweigeschlechtlichen Ordnung bedeuten: Sie werde „(…) ‚repariert‘ und binäre, heteronormative Werte [würden] ‚konserviert‘“ (S. 7). Damit sei kein Weg in Richtung einer „vielgeschlechtlichen“ Geschlechterordnung erkennbar.
Diskussion
Mit der vorliegenden detaillierten Untersuchung wird die spezifische österreichische Situation von Trans* im Zeitraum 1980 bis 2010 erhellt. Baumgartinger führt dabei schlüssig aus, wie die staatliche Verhandlung von Trans* eine regulatorische Funktion erfüllt und der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Zweigeschlechterordnung dient. Die allgemeineren Hinleitungen zur spezifischen Situation in Österreich hätten etwas ausführlicher sein können; durch die entsprechenden Literaturhinweise erhält die*der Lesende aber ausreichend Hinweise für ausführlichere Betrachtungen.
Fazit
Insgesamt stellt die Dissertation Baumgartingers einen wichtigen Lückenschluss im Themenfeld Trans* dar!
Rezension von
Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß
Professur Sexualwissenschaft und sexuelle Bildung
Hochschule Merseburg
FB Soziale Arbeit. Medien. Kultur
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