Helle Becker, Andreas Thimmel: Die Zugangsstudie zum internationalen Jugendaustausch
Rezensiert von Dr. phil. Stefan Hoffmann, 18.12.2019

Helle Becker, Andreas Thimmel: Die Zugangsstudie zum internationalen Jugendaustausch. Zugänge und Barrieren.
Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2019.
222 Seiten.
ISBN 978-3-7344-0790-1.
D: 26,90 EUR,
A: 27,70 EUR.
Reihe: Wochenschau Wissenschaft.
Thema
Die Zugangsstudie zum internationalen Jugendaustausch will deutlich machen, welche Zugänge und Barrieren Jugendliche zu verschiedenen Formaten des internationalen Jugendaustauschs haben. Dabei wurden vier verschiedene Perspektiven und sozialwissenschaftliche Ansätze angewandt.
Fokus der Studie ist, individuelle und strukturelle Zugänge und Hindernisse zu internationalen Maßnahmen der Jugendlichen zu beforschen. Beforschte Gruppe sind Jugendliche (14-17Jahre) und junge Volljährige (18-26 Jahre), die in formalen und non-formalen Bildungsangeboten allein oder in Gruppen internationale Austauscherfahrungen gemacht haben, hierzu zählen:
- SchülerInnenaustausch
- Intenationale Jugendbegegnungen
- Workcamps
- Freiwilligendienst
- Praktika.
Herausgebende
- Thimmel, Andreas, Dr. phil, Professor für Wissenschaft der Sozialen Arbeit an der TH Köln, Schwerpunkte: Jugendarbeit, internationale und interkulturelle Jugendarbeit, Europäische Jugendpolitik, Politische Bildung
- Becker, Helle, Dr. phil., Leiterin von „Expertise & Kommunikation für Bildung“ und Geschäftsführerin von „Transfer für Bildung e.V.“, Lehrbeauftragte der Hochschule Osnabrück
Entstehungshintergrund
Internationale Jugendaustausche und deren Effekte werden seit mehreren Jahrzehnten beforscht. Die hier vorliegende Studie will eine Lücke schließen, indem sie Zugänge zu den gewählten Austauschformaten aufzeigt und die Motivation und Hinderungsgründe derer in den Fokus stellt, die nicht an diesen Begegnungsformaten teilnehmen.
Aufbau
Das Buch hat 222 Seiten und ist in 3 Abschnitten aufgeteilt: „Einführung“, Darstellung der „Einzelstudien“ und die „Zusammenfassung“ mit Diskussion und Bewertung der Ergebnisse. Die einzelnen Kapitel des Abschnitts „Einzelstudien“ wurden jeweils von den für den Forschungsauftrag Verantwortlichen der einzelnen Institute und Forschungspartner erstellt, die Einführung/​Zusammenfassung der Ergebnisse von den Herausgebenden.
Inhalt
Im Abschnitt „Einführung“ wird zunächst dargestellt, wie es zur Beauftragung einer weiteren Studie im Bereich der internationalen Jugendarbeit kommt und welche forschungspraktischen Notwendigkeiten aus Theorie und Praxis an diese Studie gelegt werden. Dieses Kapitel wird mit einem weiteren Kapitel zur detaillierten Übersicht über Aufbau, Ziel, Zielgruppen und Methoden der Forschungsarbeit ergänzt.
Den umfangreichsten Abschnitt des Buches bildet die Darstellung der Einzelstudien und ihre jeweiligen Ergebnisse. Der Fokus des multiperspektivischen Ansatzes ist hierbei, in einzelnen Kapiteln deutlich zu machen, warum Jugendliche nicht an verschiedensten Maßnahmen des internationalen Jugendaustausches teilnehmen. Die Datengrundlage bildet dabei ein Mix von solchen Jugendlichen, die bereits an internationalen Maßnahmen teilgenommen haben und solchen, die noch nicht teilgenommen haben.
Der Blick der Jugendlichen der verschiedenen Altersgruppen wird durch den Blick von ExpertInnen ergänzt, die in persönlichen oder telefonischen Interviews leitfadengestützt interviewt wurden.
In den einzelnen Kapiteln wird der forschungstheoretische Hintergrund und Aufbau des jeweiligen Analyse- und Interpretationsverfahrens erläutert, diese kommen aus folgenden sozialwissenschaftlichen Bereichen (in Klammern werden die beteiligten Institute genannt):
- Interkulturelle Psychologie (Institut für Kooperationsmanagement)
- Milieu- und Jugendforschung (SINUS Institut)
- Forschungsverbund Freizeitenevaluation (EH Ludwigsburg/TH Köln)
- Jugendarbeitsforschung (TH Köln)
Es kommen beim Anlegen dieser verschiedenen Perspektiven sowohl quantitative als auch qualitative Forschungsmethoden zum Tragen, die von den oben genannten Trägern folgenden Beitrag liefern:
- Literaturanalyse und Interviews mit 49 Jugendlichen
- Repräsentativbefragung mit 2380 Jugendlichen
- Sonderauswertung bestehenden Datenmaterials
- ExpertInneninterviews (40)
Die einzelnen Kapitel dieses Abschnitts stellen dabei eine systematische Dokumentation des Zustandekommens der jeweiligen Ergebnisse der verschiedenen Forschungsschritte dar, die in einer Zusammenfassung am Ende des jeweiligen Abschnitts dann Grundlage für den dritten Abschnitt bieten.
Im dritten Abschnitt werden im ersten Kapitel die Ergebnisse der Studie zusammengefasst und diskutiert. Hier ist als zentrales Ergebnis hervorzuheben, dass milieuübergreifend bei vielen Jugendlichen eine hohe Bereitschaft signalisiert wird, an internationalen Begegnungen teilzunehmen, aber es neben individuellen sowohl strukturelle als auch diskursive Hürden für die Jugendlichen gibt. Im zweiten Kapitel des Abschnitts werden Impulse und Folgerungen für die Praxis internationaler Jugendaustausche gegeben – unter anderem auf den Ebenen der Professionellen, der Förderung oder der Angebotsvarianten.
Diskussion
Die Studie bietet einen fundierten Zugang zu den Motivationen und Barrieren der Teilnahme an internationalen Austauschprogrammen. Es ist ein gut lesbarer Impuls für PraktikerInnen und ForscherInnen aus dem Bereich der (internationalen) Jugendarbeit. Die Ergebnisse sind eine wichtige Basis für weitere Diskussionen, Forschungen und Entwicklungen – sei es wie vorgeschlagen in den Bereichen Förderung, Programmentwicklung oder Fortbildung von Professionellen in diesem Bereich oder aber auch in den Bereichen Ehrenamtsentwicklung, internationale Kooperationen von (Bildungs)einrichtungen oder politischen Dialogforen. Dabei sind die dargestellten Interessenslagen und individuellen, diskursiven und strukturellen Hinderungsebenen der Jugendlichen eine wertvolle Diskussionsgrundlage und Argumentationshilfe.
Mein Kritikpunkt an der Studie ist, dass sich das, was eine offensichtliche Stärke der Studie ist – Methodenmix, Multidisziplinarischer Blick, formale und non formale Angebote – auch zur Schwäche entwickelt. Die Stärke der Studie ist die Synopsis von vier Einzelstudien, die mit einer harmonisierten Fragestellung eine Antwort suchen. Die Schwäche ist, dass sich die Ergebnisse im Forschungsprozess nicht aufeinander beziehen können und somit die Chance der Weiterentwicklung des Untersuchungsgegenstandes im Sinne einer tieferen Qualifizierung und Differenzierung (und im Vorfeld der stärkeren Ein- und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes) nur bedingt gegeben ist. Dies lässt sich aber forschungspraktisch erklären und ist für die Validität der gefundenen Ergebnisse kein Abbruch, sondern stellt sie im Gegenteil auf eine breitere Basis.
Fazit
Die Studie bietet fundierte und valide Aussagen zu Motivationen und Barrieren Jugendlicher unterschiedlicher Milieus bei Maßnahmen des internationalen Jugendaustausches. Für PraktikerInnen und TheoretikerInnen aus dem Feld der (internationalen) Jugendarbeit bietet sie eine gut lesbare Analyse mit aufgearbeiteten Impulsen und Themenfeldern zur Weiterarbeit in Gremien, Diskussionsforen oder Dialoggruppen.
Rezension von
Dr. phil. Stefan Hoffmann
Landesjugendreferent im EJW-Weltdienst Schwerpunkt: internationale und nachhaltige Jugendarbeit und Jugendpartizipation. Lehrbeauftragter an der EH Ludwigsburg, DHBW und IHL.
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