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Nele McElvany, Wilfried Bos et al. (Hrsg.): Bedingungen und Effekte von Lehrerbildung, Lehrkraftkompetenzen und Lehrkrafthandeln

Rezensiert von Mag. Dr. Gabriele Schauer, 22.11.2019

Cover Nele McElvany, Wilfried Bos et al. (Hrsg.): Bedingungen und Effekte von Lehrerbildung, Lehrkraftkompetenzen und Lehrkrafthandeln ISBN 978-3-8309-3952-8

Nele McElvany, Wilfried Bos, Heinz Günter Holtappels, Annika Ohle-Peters (Hrsg.): Bedingungen und Effekte von Lehrerbildung, Lehrkraftkompetenzen und Lehrkrafthandeln. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2019. 164 Seiten. ISBN 978-3-8309-3952-8.

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Thema

In den letzten Jahren hat es sowohl in Deutschland als auch in Österreich weitreichende Veränderungen in der Lehrer*innenbildung gegeben. In Österreich wurde eine gemeinsame Lehramtsausbildung von Hochschulen und Universitäten in verschiedenen Clustern sowie ein Ausbau bis auf PHD-Niveau umgesetzt, sodass sich Rahmenbedingungen und Strukturen stark geändert haben. In Deutschland wurde eine Veränderung der Strukturen ebenfalls forciert. 2005 wurden „Standards“ in die Lehramtsausbildung implementiert und 2014 mit Blick auf Inklusion durch die Mitarbeit von Wissenschaftler*innen erweitert. 2013 wurde die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ ins Leben gerufen, um innovative Projekte der Lehrer*innenbildung in Deutschland zu fördern. So zeigt nicht nur die Wissenschaft durch diverse Projekte, sondern auch das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung durch die Bereitstellung von Geldern, dass die Entwicklung einer qualitätvollen Lehrer*innenbildung einen großen Stellenwert in der Bildungslandschaft einnimmt.

Herausgeber*innen und Entstehungshintergrund

Die Herausgeber*innen sind alle an der Universität Dortmund tätig, wo ihre Forschungsschwerpunkte im Bereich Lehrkraftkompetenz, Schul- und Schulentwicklungsforschung sowie im Bereich Qualitätssicherung im Bildungswesen bzw. in der Unterrichtsqualität liegen. Weiters sind diese unter anderem Initiator*innen des Symposiums „Dortmunder Symposium der Empirischen Bildungsforschung“, aus dem heraus dieses Werk entstanden ist.

In diesem vierten Band der Reihe „Dortmunder Symposium der Empirischen Bildungsforschung“ liegt der Fokus auf der Rolle von Lehrpersonen für gelingende Lern- und Bildungsprozesse. Es wird auf Lehrkräfte als Gestalter von Lernangeboten aus verschiedenen Perspektiven eingegangen. Diesem vorausgegangen sind drei weitere Symposien, aus denen ebenfalls Publikationen mit den Schwerpunkten „Bedingungen und Effekten guten Unterrichts“, „Bedingungen gelingender Lern- und Bildungsprozessen“ sowie „Bedingungen erfolgreicher Bildungsverläufe in gesellschaftlicher Heterogenität“ erschienen sind.

Aufbau

Das Buch ist in zwei Teile unterteilt und umfasst neun Artikel, deren Qualität durch ein Blind-Review-Verfahren begründet wurde. Der erste Teil dieses Herausgeberwerkes, der aus sechs Beiträgen besteht, zeigt „aktuelle Theorien und Befunde zu Lehrkraftkompetenzen, Lehrkraftbildung und erfolgreichem Lehrkrafthandeln aus unterschiedlichen Fachperspektiven“ (s. 7) auf. Die Bandbreite der Beiträge geht von der Ausbildung aus pädagogisch psychologischer Sicht, über die Rolle der Fachdidaktik in der Ausbildung zu erziehungswissenschaftlichen Ansätzen für die Lehrer*innenbildung, pädagogisches Wissen und Planungskompetenz, Kompetenzen für inklusive Settings sowie die Bedeutung der Praktikumsanteile in der Ausbildung für die Entwicklung professioneller Kompetenzen.

Drei Forschungsarbeiten junger Wissenschaftler*innen werden im zweiten Teil vorgestellt. Dabei geht es um professionelle Wahrnehmung von Klassenführung und Feedback, um Selbstreflexivität von Lehrpersonen und um Lehrkraftmotivation und dessen Auswirkung auf Autonomielernen.

Autoren: Die Autoren der neun Beiträge stammen alle aus dem deutschsprachigen Raum, wobei ein Autor in Österreich lehrt und alle anderen an deutschen Universitäten tätig sind. Die Forschungsschwerpunkte der Experten reichen von Lehrer*innenbildung und Schulentwicklungsforschung über Unterrichtsforschung, Professionsforschung bis hin zu Kompetenzforschung.

In den Ausführungen soll nun näher auf die einzelnen Beiträge eingegangen werden, indem drei Artikel exemplarisch vorgestellt werden. Dabei zeigt der erste Artikel von Spinath den Zugang zu diesem Thema aus psychologischer Perspektive, der Artikel von Gröschner bringt die Perspektive der Lehrer*innenbildungsforschung in Verbindung mit Praxisphasen ein und im dritten Artikel wird eine aktuelle Forschungsarbeit einer Nachwuchswissenschaftlerin im Bereich (Selbst-)Reflexivität dargestellt.

Inhalt

Birgit Spinath begründet ihre Auseinandersetzung mit der Lehrer*innenausbildung aus psychologischer Perspektive dahingehend, indem sie die Psychologie als die Wissenschaft des Erlebens und Verhaltens von Menschen beschreibt und den Fokus der Psychologie auf das Individuum hervorhebt. So wird in dieser Disziplin nicht nachgeprüft, ob die untersuchten Ziele die richtigen sind, sondern viel mehr, wie diese Vermittlungsprozesse (in der Schule) gelingen. Mittels drei exemplarischer Fragen versucht Spinath darzustellen, wie die Psychologie mit der Frage nach dem Wie des guten Lehrens und Lernens umgeht.

Die erste Frage, die gleichzeitig das zentralste Forschungsanliegen der Psychologie in der Lehrer*innenbildung ist, beschäftigt sich mit Erkenntnissen über Lehren und Lernen und deren Implementierung in der Lehrer*innenbildung. Dabei wird unter anderem auf die Hattie-Studie eingegangen. Beispielsweise wird darauf verwiesen, dass Sichtstrukturen (beobachtbare Aspekte des Unterrichts) in Bezug auf Leistungsunterschiede nur einen geringen Erklärungswert haben im Gegensatz zu Tiefenstrukturen (Lehr-Lernprozesse: z.B. kognitive Aktivierung, Classroom Management, konstruktive Unterstützung). Weiters wird auf das Ziel eines evidenzbasierten Denkens und Handelns verwiesen, um auf das Lehren und Lernen bezogene Mythen und Fehlkonzepte (wie etwa die Lernstile und Lerntypen) zu korrigieren.

In einer weiteren Frage wird auf die Überlegung eingegangen, welche Personen sich für ein Lehramtsstudium entscheiden und ob dies die Richtigen sind. Dabei werden vor allem die Vor- und Nachteile für eine Selektion von Lehramtsstudierenden diskutiert. In einer dritten Frage wird der Forschungsstand zur Kompetenzentwicklung in der Lehrer*innenbildung anhand der COACTIV-Referendariats-Studie (Kunter et. al.) sowie der BilWiss (Kunter et. al.) dargestellt. Abschließend betont Spinath die Bedeutung von Standards in der Lehrer*innenbildung als Rahmenbedingungen. Dadurch ist zum einen die Qualität gesichert, aber auch eine Qualitätsentwicklung möglich, indem diese Standards in Curricula implementiert und anschließend überprüft werden.

In der Ausarbeitung von Gröschner wird die Frage aufgeworfen, ob Praxisphasen den Anspruch einer theoretisch-konzeptuellen Analyse erfüllen, wobei die Begriffe „Praktikum“, „schulpädagogische Studien“ und „Praxisphasen“ synonym verwendet werden. Dabei betont er die Notwendigkeit einer guten Qualität der Praxisphasen anstatt einer Erhöhung der Praxisanteile, denn nur dadurch gelingt eine qualitativ bessere Lehrer*innenausbildung. Zusätzlich verweist er auf die unterschiedlichen Formen des Verhältnisses von Theorie (Ausbildungsanteilen an den Hochschulen) und Praxis und das dadurch gezeigte Rollenverständnis der Ausbildungsinstitutionen. Ebenso wird auf die unterschiedlichen Auffassungen von Praxis an sich eingegangen und auf Hauptüberlegungen zur Theoriebasierung in der Praxis (Standards als Orientierungsrahmen, lerntheoretische Ansätze als theoretischer Rahmen oder Beratungsmodelle). So ist die Praxis geprägt von verschiedenen Akteur*innen (Lehrpersonen, Schüler*innen, Dozierenden, andere Praktikant*innen, Studierende selbst). Gröschner geht hier auf das Angebots-Nutzen-Modell für das Praktikum von Hascher & Kittinger ein und thematisiert die Bedeutung der hochschulischen Begleitung während der Praxisphasen.

Insgesamt wird auf das sich stark bewegende Forschungsfeld hingewiesen und auf zu erwartende Ergebnisse momentaner Forschung gerade im Bereich der Wirksamkeit von Praxisphasen. Im Bereich Mentoring zeigt Gröschner Befunde entsprechend der Forschung bei der Interaktion von Studierenden und Praxislehrpersonen auf, indem er etwa auf die Bedeutung von Vorbesprechungen des Unterrichts verweist. Aber auch die Bedeutung der begleitenden Dozierenden an den Hochschulen wird angesprochen.

So kann zusammengefasst werden, dass Praktikumsphasen nicht per se wirksam sind, sondern auch der Fokus auf die Professionalisierungsverläufe und professionelle Begleitung gelegt werden muss.

Im Artikel von Edina Schneider werden Überlegungen zu verschiedenen Professionalisierungsmodellen aufgezeigt. Als Gemeinsamkeit dieser und unter Bezugnahme der Anforderungen an Lehrpersonen wird selbstkritische Reflexion des eigenen Handelns als ein Kriterium von Professionalität dargestellt. In der vorliegenden Forschung wird die Bereitschaft der Studierenden dazu untersucht, aber auch deren Entwicklung während des Studiums. Im Vorfeld wird die theoretische Grundlage von Selbstreflexion dargestellt und eine Definition bestimmt, wobei auf die Problematik verwiesen wird, dass selbstreflexive Fähigkeiten weder definiert sind, noch deren empirische Erfassung als auch die Möglichkeit diese zu lehren konkretisiert sind. Schneider führt die geplante Längsschnittstudie sowie deren Instrumente mit Verweis auf Zuhilfenahme bereits bestehender Skalen genauer aus. Als Ergebnis kann aufgezeigt werden, dass Lehramtsstudierende eine große Bereitschaft aufweisen, ihr Handeln reflexiv zu überprüfen. Unterschiede zeigen sich dabei in Bezug auf die Studiendauer sowie bei der Ausbildung bezogen auf Schulformen. Weiters wird nach ausführlicher Darstellung zweier Regressionsmodelle darauf verwiesen, dass die Selbstwirksamkeit der Studierenden bezogen auf den Umgang mit Heterogenität in höheren Fachsemestern abnimmt. Lehramtsstudierende von Förderschulen zeigen sich in ihrer Einschätzung im Umgang mit Heterogenität selbstwirksamer als Studierende anderer Schulformen. Als Kernaussage kann vernommen werden, dass sich Lehramtsstudierende in heterogenen Situationen selbstwirksamer einschätzen, wenn sie eine größere Bereitschaft zur Selbstreflexivität aufweisen. Abschließend werden die Ergebnisse unter Berücksichtigung ausbildungsrelevanter Aspekte diskutiert und auf weitere Befunde der in Durchführung befindlichen Längsschnittstudie verwiesen.

Diskussion und Fazit

Insgesamt wird im Herausgeberwerk versucht, einen Zugang über verschiedene Disziplinen zu dem Thema Lehrer*innenbildung und Lehrkraftkompetenz zu schaffen. Diese Bandbreite an unterschiedlichen Forschungsperspektiven und Forschungsschwerpunkten macht das Herausgeberwerk zu einem lesenswerten Buch. Trotzdem weist der Zugang zu diesem Thema auch Leerstellen auf und Fragen bleiben offen. So verspricht der Titel neben den Effekten auch die Darstellung von Bedingungen der Lehrer*innenbildung. Leider werden aber die Strukturen und Bedingungen von Lehrer*innenbildung wenig aufgezeigt. Ein Überblick über diese in Deutschland, aber auch im internationalen Vergleich wäre wünschenswert, um die Artikel in ihren Darstellungen besser verorten zu können. Auch die Bandbreite der Artikel insgesamt könnte mehr internationale Vielfalt aufzeigen, da der Titel des Herausgeberwerkes nicht auf die Einschränkung innerhalb Deutschlands verweist. So wird zwar im Artikel von Bellenberg und Korte auf Österreich und die Schweiz in einem Satz eingegangen, insgesamt werden die internationalen Bedingungen von Lehrer*innenbildung ausgespart. Im genannten Artikel wird auch auf Professionalisierung und aktuelle Kompetenzmodelle sowie Kompetenzüberprüfungen in der Lehramtsausbildung als Forschungsarbeit eingegangen, aber die aktuellen Strategien der Qualitätsoffensive Lehrerbildung, deren Förderrichtlinien 2014 veröffentlicht wurden, werden im Herausgeberband nur ansatzweise gezeigt.

Auf das Lehrkrafthandeln, wie im Titel angekündigt, wird insgesamt weniger eingegangen. Der Fokus der zwölf Artikel liegt eher bei der Lehrkraftkompetenz und der Lehrer*innenbildung. Dies zu integrieren würde wahrscheinlich das Format dieses Herausgeberwerkes sprengen, sodass diese Reduktion durchaus verständlich ist. Allerdings zeigt sich der Verweis im Titel daher als weniger passend.

Insgesamt beinhaltet dieser Sammelband aber spannende Beiträge und ist, mit den oben genannten Abstrichen aufgrund seiner unterschiedlichen Schwerpunktsetzung in den Artikeln sehr interessant, vielfältig und empfehlenswert.

Rezension von
Mag. Dr. Gabriele Schauer
tätig an der Universität Innsbruck am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung
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Es gibt 11 Rezensionen von Gabriele Schauer.

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ISSN 2190-9245