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Christian Aldenhoff, Lukas Edeler et al. (Hrsg.): Digitalität und Privatheit

Rezensiert von Prof. Dr. Thomas Elkeles, 08.07.2020

Cover Christian Aldenhoff, Lukas Edeler et al. (Hrsg.): Digitalität und Privatheit ISBN 978-3-8376-4661-0

Christian Aldenhoff, Lukas Edeler, Martin Hennig, Jakob Kelsch, Lea Raabe et al. (Hrsg.): Digitalität und Privatheit. Kulturelle, politisch-rechtliche und soziale Perspektiven. transcript (Bielefeld) 2019. 403 Seiten. ISBN 978-3-8376-4661-0. D: 39,99 EUR, A: 39,99 EUR, CH: 48,70 sFr.
Reihe: Digitale Gesellschaft - Band 23.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

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Thema

Hintergrund und Thema des Bandes ist, inwieweit die zunehmende Durchdringung von Gesellschaften und Lebenswelten durch digitale Technologie zu einer Veränderung traditioneller Vorstellungen von Öffentlichkeit und Privatheit führt und wo Grenzverletzungen und teilweise massiven Verstößen gegen sog. konventionelle Privatheitsnormen Einhalt geboten werden kann. Eisbergphänomene sind eine Reihe von allseits bekannten Datenskandalen. Ihnen entsprechen einige aktuelle Narrative und Diskurse in Literatur, Film, Journalismus etc., die die drohende Ohnmacht von Individuen und die Gefahr eines nahezu vollständigen Verlusts von Privatheit, eine totalitäre Transparenz und omnipräsente Überwachung thematisieren. Deren Form ‚smarter Diktatur‘ (Harald Welzer) konnte sich George Orwell (1984) technisch noch nicht vorstellen.

HerausgeberInnen

Die Herausgeber waren zum Zeitpunkt der Erstellung des Bandes als Mitarbeiter(*in) am DFG-Graduiertenkolleg 1681/2 „Privatheit und Digitalisierung“ der Universität Passau in verschiedenen Fachbereichen beschäftigt, zwei im Fachbereich Rechtswissenschaften.

Entstehungshintergrund

Die Beiträge des Bandes spiegeln das Spektrum der im DFG-Graduiertenkolleg 1681/2 interdisziplinär behandelten Themen wieder. Über die Beiträge der Herausgeber(*in) hinaus beteiligten sich fünfzehn Autor*innen von anderen Institutionen, meist Universitäten, mit Beiträgen für diesen Band aus kultur-, sozial-, medien-, rechts- und politikwissenschaftlichen Perspektiven. Der Band geht in seiner grundlegenden Form auf die Tagung „Digitalität und Privatheit“ im Oktober 2017 an der Universität Passau zurück.

Aufbau

Der Band beginnt mit einer inhaltlichen Einleitung zum Gesamtband von Martin Hennig, Jakob Kelsch und Felix Sobala zu Diskursen der Digitalisierung unter der Überschrift „‚Smarte Diktatur‘ oder ‚egalitäre Netzgemeinschaft‘?“. Dem Ganzen ist ein Abkürzungsverzeichnis der verwendeten Gesetze vorangestellt. Die Beiträge des Bandes selbst sind zu drei Sektionen zusammengestellt:

  • Sektion 1: Politisch-rechtliche Diskurse (vier Beiträge),
  • Sektion 2: Zwischen Öffentlichkeit, Privatheit und Privatisierung – soziale Kollektive im Netz (vier Beiträge) und
  • Sektion 3: Mediale Formen und Verhandlungen von Privatheit in Zeiten der Digitalisierung (sechs Beiträge).

Diese Sektionen beginnen jeweils mit einer eigenen Einleitung, ebenfalls von Martin Hennig, Jakob Kelsch und Felix Sobala, in der die Beiträge einer Sektion vorgestellt und in diesen Kontext einordnet wird.

Inhalt

Die Selbstbeschreibung des DFG-Graduiertenkollegs 1681/2 trifft recht gut die Inhalte des Bandes. Es sei sein Ziel, den Stellenwert des Privaten unter den Bedingungen von Digitalisierung und zunehmender informationeller Fremdbestimmung zu justieren und die vorhandenen Privatheitskonzepte auf den Prüfstand zu stellen. Dies geschehe im Rahmen einer interdisziplinären Privatheitsforschung.

Es wird zwischen Digitalisierung als technischem Begriff und Digitalität auf der kulturellen Seite als kulturellem und sozialen Niederschlag der technischen Seite dieses Wandels unterschieden, welche „neue Handlungsroutinen, Kommunikationsnormen, soziale Strukturen, Identitätsmodelle, Raumvorstellungen etc. hervorbringt sowie politische, wirtschaftliche und kulturelle Effekte der Digitalisierung umfasst“ (S. 14). Bei allen gegebenen Limitierungen ergebe sich auf der einen Seite mit dem Auswählen aus verschiedenen Möglichkeiten immer auch ein Freiheits- und Machtversprechen, das ästhetisch ausgestellt werde, z.B. in Form der Ego-Perspektive im Computerspiel (S. 15). Mittlerweile werde dagegen im interdisziplinären und vermehrt kritischen Diskurs zu digitalen Medien stärker auf die dort vorhandenen Machtordnungen fokussiert. Allein der Unterhalt der Internetinfrastrukturen bedürfe einer immensen Finanzkraft, was mit immensen Machtungleichgewichten einhergehe. Signifikante Privatheitsverletzungen ergäben sich bevorzugt dort, wo voneinander getrennt geglaubte Kontexte zusammenfallen (S. 16 f.). Hier stellt sich stets die Frage, wie das Schutzbedürfnis des Nutzers eines informationstechnischen Systems im Sinne des Erhalts des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu gewährleisten ist, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Online-Durchsuchungs-Urteil nochmals thematisiert hat.

Der Untertitel „Wider eine Verlagerung von datenschutzrechtlichen Abwägungen in das Vertragsrecht“ bringt prägnant die Intention des Beitrags von Christian Aldenhoff „Legitimation von Datenverarbeitung via AGB“ zum Ausdruck. Bei der Umsetzung des nationalen Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG) könnte es zu einer Konkurrenz mit dem europäischen Regelungsregime der Verordnung (…) zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (…) (DS-GVO) kommen. Hier plädieren Louisa Specht-Riemenschneider und Dennis Jennessen in ihrem Beitrag „Persönlichkeitsschutz im digitalen Umfeld in Zeiten der Mehrebenenregulierung“ dafür, dezidiert datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht aus den Augen zu verlieren, wie das einer wirksamen Einwilligung möglicherweise zu widersprechen scheinende Kopplungsverbot. Dieses soll vermeiden, dass dem Betroffenen bei einem Vertragsschluss die Einwilligung in eine Datenverarbeitung oder Datenerhebung, die nicht für die Leistungserbringung notwendig ist, quasi nebenbei untergeschoben wird. Paula Helm und Johannes Eichenhofer konstatieren in ihrem Beitrag „Reflexionen zu einem social turn in den privacy studies“: „Privatheitsschutz zu fordern, bedeutet demnach den Versuch, grundlegende demokratische Werte wie Selbstbestimmung von Individuen und Gruppen sowie freie Kommunikation und Partizipation vor einer schleichenden Zersetzung zu bewahren“ (S. 160 f.). 

Fazit

Insgesamt zeigen die Beispiele zur kulturellen Prägung von Technologien und der verknüpften Diskurse, dass sich in den Debatten zur digitalen Gesellschaft dynamische kulturelle Deutungsmuster abbilden. „Diese verhandeln in Interaktion mit konkreten Technologien letztlich technikunabhängige kulturelle Werte und Normen“ (S. 21). 

Während die medien- und kulturwissenschaftlichen Beiträge „eher Grenz- und Bedeutungsverschiebungen als absolute Transformationen andeuten“ und damit eine integrale Verflechtung von Privatheit und Medien verdeutlichen (S. 261), zeigen die rechtwissenschaftlichen Beiträge eine Reihe von für Nicht-Jurist*innen nicht immer auf den ersten Blick zu erkennenden Grenzverletzungen auf. Ihnen allen ist Aufmerksamkeit zu schenken, worauf dieser Band facettenreich aufmerksam macht bzw. unterstreicht.

Rezension von
Prof. Dr. Thomas Elkeles
bis 2018 Hochschule Neubrandenburg, FB Gesundheit, Pflege, Management

Es gibt 28 Rezensionen von Thomas Elkeles.

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ISSN 2190-9245