Frank Jebe: Kulturelle Bildung durch Künstlerinnen und Künstler in der Schule
Rezensiert von Prof. Dr. Birgit Dorner, 17.03.2020

Frank Jebe: Kulturelle Bildung durch Künstlerinnen und Künstler in der Schule. Eine empirische Untersuchung zu den künstlerischen Angeboten im offenen Ganztagsbereich von Grundschulen.
Athena-Verlag e.K.
(Oberhausen) 2019.
241 Seiten.
ISBN 978-3-7455-1069-0.
24,50 EUR.
Reihe: Pädagogik: Perspektiven und Theorien - Band 31.
Thema
Mit dem Ausbau von Ganztagsschulen und des offenen Ganztagesbereich an Schulen haben eine Vielzahl von Angebote der künstlerisch-kulturellen Bildung Einzug in die Schule gehalten. In kultur- und bildungspolitischen Diskursen wird der künstlerisch-kulturellen Bildung zudem ein hoher Wert für die Gesellschaft zugesprochen. Wie sich allerdings die Implementierung von Angeboten der künstlerisch-kulturellen Bildung in der Praxis am Beispiel der Stadt Düsseldorf gestaltet, ist Thema dieses Buches.
Autor
Frank Jebe ist Professor für Kunst- und Kulturvermittlung an der Hochschule Niederrhein, zudem ist er als wissenschaftlicher Referent der Geschäftsstelle des Rats für Kulturelle Bildung zuständig für die dortigen Publikationen. Vor seinem Ruf an die Hochschule war er als freiberuflicher Projektmanager des Kulturamtes Düsseldorf für kulturelle Bildungsangebote in Kindertagesstätten, Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen verantwortlich.
Entstehungshintergrund
Bei dem Buch handelt es sich um die Veröffentlichung der Dissertation von Frank Jebe an der Kunstakademie Düsseldorf.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich in sechs Kapitel, von denen die ersten beiden ganz heterogene Aspekte kultureller Bildung beleuchten wie Begriffsklärung, AkteurInnen und Rahmenbedingungen kultureller Bildung, das dritte und vierte die Zusammenarbeit von KünstlerInnen und Schulen betrachten, sowohl allgemein als auch mit dem spezifischen Blick auf die Situation in Düsseldorf, abschließend folgt in Kapitel fünf und sechs die Darstellung der empirischen Studie zur Zusammenarbeit von KünstlerInnen und Grundschulen im Rahmen des Düsseldorfer Modell an Grundschulen im offenen Ganztagesbereich sowie ein Fazit und Ausblick.
Zunächst wird im ersten Kapitel die durchaus komplexe Begriffsbestimmung kultureller Bildung ausführlich dargestellt, da der Fokus der Diskurse der Kulturellen Bildung zu den unterschiedlichen Bildungsbereichen, der informellen, non-formalen und formellen Bildung ebenso wie die Akteure in diesen Bereichen erheblich variieren. So muss der Begriff der kulturellen Bildung laut Jebe als dynamischer und fluider Sammelbegriff für Prozesse und Aktivitäten in unterschiedlichen Kultursparten gesehen werden, „der auf einem zeitabhängigen Konstrukt fußt und sich in sozial-interaktiven Verständigungen konstituiert“ (S. 87).
Nachfolgend werden die Angebote kultureller Bildung in den Bereichen der informellen, non-formalen und formellen Bildung beleuchtet mit einem besonderen Fokus auf die Ganztagsschule. Hier zeigt der Autor die Kluft zwischen Konzeptionen und Umsetzungen auf. Gerade die Personalgewinnung und die Finanzierung bereiten Schulen bei der Umsetzung erhebliche Schwierigkeiten. Bei dem Versuch, die vielfältigen AkteurInnen der kulturellen Bildung in Deutschland mit ihren unterschiedlichen Interessen zu kategorisieren, orientiert sich der Autor an dem Strukturierungsvorschlag von Susanne Keuchel und unterscheidet folgende AkteurInnen, die er auch jeweils kurz beschreibt: Akteure auf Bundes-, Landes, und kommunaler Ebene, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Stiftungen, Unternehmen, Vereine und Verbände, Kirchen und Religionsgemeinschaften, öffentlich-rechtliche Medienanstalten, Akteure aus der Wissenschaft, KünstlerInnen sowie AkteurInnen in der Familie.
Im Anschluss zeigt Jebe die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen kultureller Bildung auf. Hier weist der Autor darauf hin, dass „eine ausführliche Bestandaufnahme zur Finanzierung kultureller Bildung bisher nicht existiert, da kaum aussagekräftige Statistiken zu diesem Bereich vorliegen“ (S. 79). Er gibt einen Überblick über mehrere Komplexitätsfaktoren, die es so schwierig machen, solide Zahlen und Daten zur Finanzierung kultureller Bildung zu erheben. Dennoch ist eine Bestandaufnahme nötig und wichtig, da die Finanzierung und die finanzielle Situation kultureller Bildung in Zusammenhang und bisweilen auch in Widersprich zu kultur- und bildungspolitischen Diskursen steht. So leben viele KünstlerInnen, die als AkteurInnen der kulturellen Bildung tätig sind, trotz der politischen Beteuerung der Bedeutung der kulturellen Bildung in prekären Einkommensverhältnissen.
Im zweiten Kapitel des Buches wird eine umfassende Übersicht über diejenigen Diskurse der kulturellen Bildung gegeben, die bei der Implementierung künstlerischer Angebote in den offenen Ganztagesbereich an Grundschulen der Stadt Düsseldorf relevant waren und die untrennbar mit unterschiedlichen kultur- und bildungspolitischen Erwartungshaltungen sowie Argumentationsfiguren verbunden sind. Der Autor arbeitet dabei systematisch zentrale aktuelle Herausforderungen für Kommunen und andere AkteurInnen heraus, die sich aus diesen Diskursen ableiten lassen, wie beispielsweise Schwierigkeit die Vermittlungskonzepte kultureller Bildung auf einer zunehmenden gesellschaftlichen Vielfalt von Menschenbildern aufzubauen.
In Kapitel drei wird zunächst allgemein das Verhältnis von Künsten und Schule dargestellt, sowohl was die künstlerischen Fächer im Schulunterricht betrifft als auch hinsichtlich der künstlerischen Angebote in den Ganztagsschulen. Anschließend wird der Fokus auf das Landesprogramm „Kultur und Schule“ gerichtet sowie auf die Evaluationsergebnisse desselben aus dem Jahr 2008. Trotz der überwiegend positiven Evaluationsergebnisse hatte sich eine intensive Fachdebatte um das Programm und um die Rolle der freien KünstlerInnen in der Schule entwickelt, deren Diskussionslinien der Autor nachzeichnet.
Die Situation der Künste in der Stadt Düsseldorf und das Düsseldorfer Modell zur Integration von künstlerischen Angeboten in die Schule werden in Kapitel 4 erläutert. Auch werden hier die Ergebnisse einer Evaluation des Modellprojekts von 2006 kurz zusammengefasst.
Eine empirische Studie von 2017 mit 83 KünstlerInnen, die im Ganztagesbereich an Grundschulen in Düsseldorf tätig sind, durchgeführt vom Autor, und die Darstellung der Ergebnisse derselben schließt sich in Kapitel fünf an. Die Forschungsfragen, die Jebe in seiner Untersuchung verfolgt hat, waren: „Inwiefern können Künstlerinnen und Künstler ihre Angebote im Sinne der freien Künste im offenen Ganztagsbereich der Regelschule durchführen? Wie entwickeln die Künstlerinnen und Künstler ihre Angebote für die Schule? Welche Erwartungen erfüllen die künstlerischen Angebote im Hinblick auf kultur- und bildungspolitische Diskurse?“ Ein Großteil der KünstlerInnen äußerte sich sehr positiv, was die Umsetzung von künstlerischen Angeboten im Schulkontext betrifft, sie mussten keine Abstriche bei künstlerischen Herangehensweisen machen. 60 Prozent denken zudem, dass sie künstlerische Grundfähigkeiten vermitteln konnten. Bei anderen kultur- und bildungspolitischen Zielen wie der Förderung kultureller Teilhabe oder dem Ausgleich von Bildungsbenachteiligung äußerten sich die KünstlerInnen weit weniger optimistisch. Besondere Kritik übten die KünstlerInnen an der Honorierung ihrer Arbeit.
Abschließend in Kapitel sechs werden die Ergebnisse mit den Erkenntnissen aus dem ersten theoretischen Teil zusammengeführt und es wird ein kurzer Ausblick auf weiterführende Forschungsfragen gegeben.
Diskussion
Der Autor gibt einen sehr ausführlichen Überblick zu unterschiedlichen Aspekten kultureller Bildung, ihren AkteurInnen ebenso wie den Rahmenbedingungen und stellt die heterogenen Diskurse, die dieses Feld prägen, profund dar. Gerade der empirische Forschungsteil beleuchtet einen wenig erforschten Bereich der künstlerisch-kulturellen Bildung, die Zusammenarbeit von KünstlerInnen und Schulen. Die Ergebnisse, beispielsweise die von einem Großteil der KünstlerInnen geäußerte Zufriedenheit mit ihrer Arbeit im Ganztagesbereich, aber auch die geäußerte Kritik hinsichtlich der fehlenden finanziellen Wertschätzung, stellten einen wichtigen Beitrag zu der oft sehr kontrovers geführten und ideologisch geprägten Diskussion zur Zusammenarbeit von Schulen mit freien KünstlerInnen dar.
Fazit
Das Buch ist für all diejenigen besonders lesenswert, die als AkteurInnen kultureller Bildung auf ganz unterschiedlichen Ebenen Angebote konzipieren, verwalten oder durchführen.
Rezension von
Prof. Dr. Birgit Dorner
Katholische Stiftungsfachhochschule München, Fachbereich Soziale Arbeit
Professorin für Kunstpädagogik in der Sozialen Arbeit
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