Kristin Westphal, Teresa Bogerts et al. (Hrsg.): Zwischen Kunst und Bildung
Rezensiert von Michael Christopher, 08.10.2020
Kristin Westphal, Teresa Bogerts, Mareike Uhl, Ilona Sauer (Hrsg.): Zwischen Kunst und Bildung. Theorie, Vermittlung, Forschung in der zeitgenössischen Theater-, Tanz- und Performancekunst.
Athena-Verlag e.K.
(Oberhausen) 2018.
500 Seiten.
ISBN 978-3-7455-1027-0.
29,50 EUR.
Reihe: Theater, Tanz, Performance - Band 3.
Thema
Die szenische Arbeit mit Kindern steht oftmals im Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Bildung, beziehungsweise der Pädagogik. Die wissenschaftlich theoretisch begleitete Werkschau des vom Bildungsministerium geförderten Weiterbildungsmodell KUNST_RHEIN_MAIN setzt sich mit Antworten dazu auseinander.
Autoren
Das von Kristin Westphal, Terese Bogerts, Mareike Uhl und Ilona Sauer herausgegebene Buch vereint Artikel von 21 Autor*Innen, hauptsächlich aus dem künstlerisch oder theaterwissenschaftlichen Bereich. Kristin Westphal ist Professorin im Ruhestand an der Universität Koblenz-Landau im Fachbereich Bildungswissenschaften an dem sie das Zentrum für zeitgenössisches Theater und Performance geleitet hat. Terese Bogerts war wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl von Kristin Westphal. Maraike Uhl ist Theaterwissenschaftlerin und hierbei Dramaturgin. Ilona Sauer leitet das Projekt FLUX, Theater Unterwegs.
Aufbau
Das Buch ist in fünf Kapitel unterteilt, die unterschiedlichen Strängen folgen.
Inhalt
Zur Einführung
Im einführenden Kapitel stellen die Autorinnen ihre Bereiche vor. Kristin Westphal beschreibt die wissenschaftlich theoretische Begleitung des Projekts KUNST_RHEIN_MAIN, während Mareike Uhl ihr Tanzprojekt „Tanz in Schulen“ und Ilona Sauer das Projekt „FLUX“ vorstellt.
Theoretische Grundlegung in Kunst und Bildung
Im zweiten Kapitel nähern sich die Autor*innen in fünf Artikeln den Begriffen Kunst und Bildung an und beschreiben die Rolle der Bildung in Westeuropa sowie ihre Konnektivität zur Kunst. Dabei geht es zum Beispiel Kristin Westphal um die kulturelle Teilhabe und der Kunst/ dem Theater als Erfahrungsraum, in dem Kinder ihre Sicht auf die Welt geben können. Im Gegenzug haben sie dort aber auch die Möglichkeit, von der anderen Generation, der Erwachsenenwelt, zu lernen. Johannes Bilstein beschreibt die nähere Geschichte der Bildung und Ingrid Hentschel die (Ideal-) Bilder, die wir von Kindern und Kindheit haben. Torsten Meyer setzt sich mit dem Begriff der (kulturellen) Bildung auseinander und Gerald Sigmund mit dem Phänomen der Form und Formlosigkeit, das sich im Spannungsfeld zwischen (Theater-) Pädagogik und Kunst auftut.
Vermittlung zwischen Kunst und Bildung
Mit einem kleinen Abzweig in Richtung praktischer Arbeit behandeln die Autor*Innen im dritten Kapitel die Theaterarbeit mit Kindern. Sibylle Peters beschreibt szenische Forschungsprojekte und Schwierigkeiten, die bei der Verbindung von Forschungs- und szenischer Arbeit entstehen. Melanie Hinz hinterfragt die Bildungsprozesse bei Teilnehmern künstlerischer Aktionen und Mira Sack schreibt über die Probleme des Performativen im Rahmen der Schule. Sarah Dröge blickt aus der Sicht einer beteiligten Gastkünstlerin auf die Arbeit und Jörg Zirfas diskutiert den Begriff der Partizipation und hinterfragt dessen positive Konnotation.
Konzeption künstlerischer Verfahrensweisen an der Schnittstelle zwischen Kunst, Gesellschaft und Pädagogik
Die Autor*Innen stellen in diesem Kapitel unterschiedliche praktische Arbeiten vor, wie „Bauen Nach Katastrophen“ (Hanna Sybille Müller), das Projekt LIGNA (Frahm/ Michealsen), Erfahrungen mit einem Workshop für Gymnasiallehrer (Veit Sprenger), dazu ein Interview mit Veit Sprenger, und die Vorstellung eines Tanztheaterprojekts mit Jugendlichen (Berner).
Wissenschaftliche Begleitforschung Kunst_Rhein_Main
Das Werkstattbuch wird abgeschlossen von der wissenschaftlichen Aufarbeitung und der Darstellung der wissenschaftlichen Begleitforschung als Basis für die Gestaltung von Weiterbildungsangeboten. Dazu wurden die Ergebnisse der einzelnen Projekte im Rahmen der Schnittstellen von Pädagogik und Kunst untersucht, u.a. die Problematik des (konservativen) Kunstverständnisses von Schülern.
Teresa Bogerts erklärt die Notwendigkeit pädagogischer Fortbildung von Künstlern für die Arbeit an der Schnittstelle von Bildung und Kunst und wie Künstler, als Externe, Schülern andere Zugänge zur Kunst jenseits von Schulrahmenplänen ermöglichen können. Am Ende stehen noch einmal ein Interview, die Zusammenfassung der Weiterbildungsangebote und die Reflexion der wissenschaftlichen Begleitforschung.
Diskussion
Das Buch ist schwer einzuschätzen. Es handelt sich um den Versuch, eine theoretische Auseinandersetzung in der Schnittstelle zwischen der Theaterpädagogik und dem Theater mit dem Hintergrund des Bildungsbegriffs zu betreiben. Die Berührungspunkte zwischen Theaterpädagogik als praktische Arbeit, welche Pädagogik mit Hilfe des Theaters betreibt und eher dem Bildungsbereich als dem Theaterbereich zugeordnet ist und dem Theater aus der Sicht der Theaterwissenschaft sind bislang nicht besonders ausgeprägt. Theaterpädagogik wird in der Erziehungswissenschaft und der Sozialpädagogik stärker wahrgenommen als in der Theaterwissenschaft. In diesem Buch werden theaterpädagogische Projekte herausgenommen und unter dem Gesichtspunkt der Kunst betrachtet und beschrieben, welche Rolle die Kunst für die Bildung hat.
Die Form der Artikel ist dabei seltsam, teils eher subjektiv, aber stark auf Theorie bedacht, eher komplizierte Gedankengänge, die in der Theaterwissenschaft beheimatet zu sein scheinen als komplexe Gedanken in eine didaktische Form gebracht. Oftmals haben die Aufsätze den Charakter von Essays.
Der Ansatz des Buches erscheint wichtig. Denn Theater findet oftmals auch besonders im Kinder und Jugendbereich auf einem hohen Niveau statt. Und nicht nur die Jesuiten im 16. Jahrhundert oder Brecht haben die Bedeutung des Theaters für die Bildung erkannt. Die vorgestellten Arbeiten gehen natürlich über dieses historische Verständnis von Theater hinaus und sind auf der Höhe der Zeit, anspruchsvoll, aber dennoch in der Welt der Kinder beheimatet. Der Theaterbegriff ist sich seit Jahren am Weiten und endlich auch im Bereich, der vormals der Theaterpädagogik vorbehalten war, angekommen.
Fazit
Als Praxisbuch ist diese wissenschaftlich begleitete Werkschau zu schwierig geschrieben, es mag aber neue interessante Sichtweisen in die Theaterwissenschaft einbringen. Für eine umfassende Theorie zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist es zu speziell auf die berücksichtigten Projekte fokussiert. Eine Weitung auf die Erfahrung anderer Einrichtungen (z.B. die Arbeit im Grips oder im Theater an der Parkaue) hätte einer Veröffentlichung mit Sicherheit gut getan.
Rezension von
Michael Christopher
Filmwissenschaftler, Theaterwissenschaftler und Mitherausgeber der Zeitschrift manycinemas
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Zitiervorschlag
Michael Christopher. Rezension vom 08.10.2020 zu:
Kristin Westphal, Teresa Bogerts, Mareike Uhl, Ilona Sauer (Hrsg.): Zwischen Kunst und Bildung. Theorie, Vermittlung, Forschung in der zeitgenössischen Theater-, Tanz- und Performancekunst. Athena-Verlag e.K.
(Oberhausen) 2018.
ISBN 978-3-7455-1027-0.
Reihe: Theater, Tanz, Performance - Band 3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26314.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
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