Henning Daßler, Petra Gromann (Hrsg.): Teilhabe an Arbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Thomas Elkeles, 15.05.2020
Henning Daßler, Petra Gromann (Hrsg.): Teilhabe an Arbeit. Subjektive Perspektiven.
Psychiatrie Verlag GmbH
(Köln) 2019.
160 Seiten.
ISBN 978-3-88414-995-9.
D: 30,00 EUR,
A: 30,90 EUR.
Reihe: Fuldaer Schriften zur Gemeindepsychiatrie - 7. .
Thema
Mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) von 2016 wurde die Position der Menschen mit Behinderung in mehrerer Hinsicht gestärkt. So ist die Eingliederungshilfe für Menschen mit erheblichen Teilhabeeinschränkungen nicht mehr Teil des Fürsorgesystems der Sozialhilfe, sondern Bestandteil des Teilhaberechts in Teil 2 des Sozialgesetzbuchs IX. Hier wurde das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Behinderungen hinsichtlich der Wohnform erheblich gestärkt. Die Möglichkeiten der Teilhabe am Arbeitsleben, der Teilhabe an Bildung und der Sozialen Teilhabe wurden verbessert. Hier wurden andere Leistungsanbieter zugelassen und das Budget für Arbeit eingeführt. Jeder Mensch mit Behinderungen soll entsprechend seines individuellen Leistungsvermögens durch passgenaue Leistungen und Förderung die für ihn größtmögliche Teilhabe am Arbeitsleben erreichen. Menschen mit Behinderungen haben so die Möglichkeit, ihre Arbeitskraft entweder auf dem freien Arbeitsmarkt, bei einem anderen Leistungsanbieter oder in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) einzusetzen.
Thema dieses Bandes ist Arbeit als inkusionsvermittlende Instanz und hierbei die Ausleuchtung der Ermöglichung subjektiver Perspektiven psychisch Kranker, z.B. hinsichtlich ihrer Eingliederungs- und individuellen Teilhabeziele im Kontext einer weiter auch erforderlichen Flexibilisierung von Rahmenbedingungen.
Herausgeber
Prof. Dr. Henning Daßler ist Diplom-Pädagoge und Studiengangsleiter für den Masterstudiengang Soziale Arbeit, Schwerpunkt Gemeindepsychiatrie an der Hochschule Fulda. Professor Dr. Petra Gromann ist Diplom-Soziologin und Studiengangsleiterin für den Bachelorstudiengang Soziale Arbeit online und BASA-dual an der Hochschule Fulda.
Entstehungshintergrund
Die vier Beiträge des Bandes stammen aus Masterthesis- und Promotionsprojekten und stützen sich teilweise auf andere an der Hochschule Fulda durchgeführte Projekte.
Aufbau
Der Band beginnt mit einer Einleitung der Herausgeber, die ungewöhnlicherweise nicht als solche bezeichnet ist. Die dann folgenden vier Beiträge haben jeweils einen Umfang von etwa 25 – 30 Seiten und weisen alle in etwa die gleiche Gliederung auf: Einleitung/Forschungsfragen, Methodisches Vorgehen (der qualitativen Untersuchungen), Ergebnisse, ggf. nach Unterpunkten, Diskussion der Ergebnisse sowie Ausblick/Schlußfolgerungen, ggf. nach Unterpunkten, sowie Literatur.
Inhalt
Janet Engel-Fesca berichtet in ihrem Beitrag „Subjektiv bedeutsame Teilhabeziele – eine qualitative Studie“ über eine Befragung von elf Werkstattbeschäftigten mit psychischen Erkrankungen zu ihren persönlichen Teilhabezielen. Hierzu wurde ein Teilhabeinstrument (darunter eine „Teilhabekiste“) verwendet, das eine spätere Wirkungsmessung ermöglichen soll. Das Gesetz formuliert zwar die Wirksamkeit der Leistungen als Anforderung an die Leistungserbringer, läßt jedoch offen, wie die Wirksamkeit zu überprüfen ist. Unter anderem kristallierte sich ein Bedürfnis nach Verbesserung sozioemotionaler Fähigkeiten sowie interpersoneller und psychoedukativer Kompetenzen heraus. Das Bedürfnis nach Unterstützung und flexibler Anpassung im Rahmen von Supported Employment werde meist durch die bestehenden Angebote der Werkstätten oder die Maßnahme der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 SGB IX nicht erfüllt. Bei aller Neuausrichtung von Strukturen sei die Erhaltung und Schaffung von Sicherheit gebenden einfachen Arbeitsplätzen und Nischen, auch innerhalb von WfbM, für einen Teil der psychisch erkrankten Teilnehmenden sinnvoll. Abzusichern seien auch Teilzeitmodelle in Werkstätten. Wer Wahlmöglichkeiten mit beruflichen und persönlichen Weiterbildungsmöglichkeiten kombiniere, sei auf dem richtigen Weg.
Judith Ommert untersucht anhand problemzentrierter Interviews „Die Bedeutung von Kontextfaktoren für die berufliche Rehabilitation von Frauen“. Bei den 15 Frauen mit Diagnosen aus dem schizophrenen Formenkreis handele es sich um einen extrem exkludierten Personenkreis. Es benötige „wahrhaft individuelle, keine pseudo-individuellen, sozialraumorientierte Rehabilitationsangebote mit langfristigeren Begleitungsmöglichkeiten über das Ende der Rehabilitationsmaßnahme hinaus, um die erworbene Leistungsfähigkeit und Ressourcen weiter zu fördern und nicht wieder verloren gehen zu lassen“ (S. 61). Unter Anbetracht der Teilhabeeinschränkungen lasse sich ableiten, dass es den Betroffenen unwahrscheinlich schwerfällt, die Anforderungen eigenständig zu bewältigen. Es bedürfe unbedingt Alternativen zu den bisherigen Rehabilitationsangeboten und auch einer deutlich offeneren Willkommenskultur des Arbeitsmarktes und der Gesellschaft.
Momo Sabel berichtet in ihrem Beitrag „Junge psychisch kranke Erwachsene – auf der Suche nach Identität und gelingender Teilhabe an Arbeit“ anhand von elf Interviews von deren bei allen vorhandenen subjektiven Krankheitskonzepten und Bewältigungsstrategien. Allen gemeinsam war, dass sie eine Versorgungslücke im Bereich der beruflichen Orientierung und Ausbildungsmöglichkeiten empfanden. „So blieb die Wahl zwischen dem Bestehen auf dem ersten Arbeitsmarkt als eines Extrem und dem Gang in die Erwerbsunfähigkeit als anderes Extrem. Als Alternative präsentierte sich der Besuch der WfbM als gefühlte Endstation“ (S. 87). Benötigt würden Angebote, in denen eine individuelle Begleitung und die Möglichkeit des ‚Nachreifens‘ geboten werden können oder aber die so engmaschig begleitet werden, dass dieser Raum außerhalb geboten werde.
Im vierten Beitrag „Umsetzung von personenzentrierten Konzepten und individueller Perspektiven in Organisationen – eine fokussierte Expertenbefragung“ stellt Janet Engel-Fesca einige Projekte vor und wertet die von ihr hierzu durchgeführten fünf Expertenbefragungen aus. Die Ergebnisse der Experteninterviews werden abschließend auf der strukturellen und sozialpolitischen Ebene, der personenbezogenen Ebene und der Ebene der Organisationsentwicklung diskutiert.
Fazit
Die Bedeutung von Arbeit für die soziale Positionierung und die soziale Anerkennung von Menschen sowie der sinnstiftende Wert von Arbeit werden unter den besonderen Bedingungen von Exklusion und Inklusion bei der Gruppe der hier im Mittelpunkt stehenden Menschen auf eigene Weise deutlich. Die Berücksichtigung subjektiver Perspektiven erfordert Empathie und professionellen Umgang mit deren besonderen Krankheitskarrieren, die in den Beiträgen dieses Bandes deutlich werden. Die Instrumente des erweiterten gesetzlichen Regelwerkes so einzusetzen, dass ein Maximum an Flexibilität bei Angeboten für die individuell und temporär unterschiedlichen Bedarfe möglich wird, erfordert ein gehöriges Maß an professionellem Fingerspitzengefühl. Das Buch kann dazu beitragen, das auch dazu erforderliche know-how, zum Beispiel über vorhandene Ansätze in Modellprojekten, zu erhöhen.
Rezension von
Prof. Dr. Thomas Elkeles
bis 2018 Hochschule Neubrandenburg, FB Gesundheit, Pflege, Management
Es gibt 28 Rezensionen von Thomas Elkeles.
Zitiervorschlag
Thomas Elkeles. Rezension vom 15.05.2020 zu:
Henning Daßler, Petra Gromann (Hrsg.): Teilhabe an Arbeit. Subjektive Perspektiven. Psychiatrie Verlag GmbH
(Köln) 2019.
ISBN 978-3-88414-995-9.
Reihe: Fuldaer Schriften zur Gemeindepsychiatrie - 7. .
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26322.php, Datum des Zugriffs 06.10.2024.
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