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Natascha Meuser: Krippen, Kitas und Kindergärten

Rezensiert von Dipl.Soz-Päd. Martin Walz, 19.08.2020

Cover Natascha Meuser: Krippen, Kitas und Kindergärten ISBN 978-3-86922-707-8

Natascha Meuser: Krippen, Kitas und Kindergärten. Handbuch und Planungshilfe. Dom Publishers (Berlin) 2020. 416 Seiten. ISBN 978-3-86922-707-8. D: 78,00 EUR, A: 80,20 EUR.

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Thema

Immer noch werden neue Kindertagesbetreuungsplätze geschaffen. Das vorliegende Werk reiht sich in eine sehr überschaubare Reihe von Veröffentlichungen ein, die sich mit der Planung, dem Bau und der Ausstattung von Kindertageseinrichtungen beschäftigen. Das Handbuch möchte, so die Buchrückseite, dem Bautyp Kindergarten einen kritisch-fachlichen Blick widmen. Dabei werden eben nicht nur international umgesetzte Kita-Bauten im urbanen oder ländlichen Kontext sowie im Bestand dargestellt, sondern auch auf (pädagogische) Grundlagen und Standards intensiver eingegangen.

Entstehungshintergrund

„Dieses Handbuch entstand in der Zusammenarbeit mit FRÖBEL, einem erfahrenen Träger von Kindertageseinrichtungen, und der Hochschule Anhalt Dessau im Rahmen eines Forschungsprojektes. Es möchte die planenden Architekten ebenso wie Pädagogen für architektonische Fragestellungen des bislang immer noch vernachlässigten Bautyps Kindergarten sensibilisieren und dazu beitragen, dass dieses Thema auch öffentlich wahrgenommen wird.“ (Presseinformation, gisela graf communications)

Aufbau

Nach dem Vorwort (3 Seiten) unterteilt sich das Werk in neun Kapitel:

  • Grundlagen der Architektur (14 Seiten)
  • Grundlagen der Planung (7 Seiten)
  • Grundlagen des Entwurfs (30 Seiten)
  • Grundlagen des Betriebs (13 Seiten)
  • Grundlagen der Pädagogik (4 Seiten)
  • Bauten im urbanen Kontext (108 Seiten)
  • Bauten im ländlichen Kontext (98 Seiten)
  • Bauten im Bestand (94 Seiten)
  • Bausteine (9 Seiten)

Im Anhang finden sich neben Informationen zu Normen, Gesetzen, Verordnungen (2 Seiten), Literatur (1 Seite) auch ein Register (4 Seiten) sowie Informationen zu den Autor*innen.

Inhalt

Stefan Spieker, der kaufmännische Leiter der FRÖBEL-Gruppe, nennt in seinem Vorwort drei Herausforderungen, die es bei der Planung und Errichtung von Kindergärten gibt: Die Planung eines Gebäudes, in dem große und kleine Menschen leben und arbeiten sollen; die Beachtung von bundeländerspezifischen Gesetzen und Richtlinien; die Erfüllung des pädagogischen und ästhetischen Anspruches. Das Werk, so Spieker, wird sicher einen Beitrag leisten, dass sich künftig noch mehr inspirierende Planungshilfen verbreiten und Verantwortliche bei ihrer Arbeit unterstützen.

Kapitel 1 „Grundlagen der Architektur – Über räumliche Qualitäten beim Bauen für Kinder“ (Natascha Meuser)

Das eigentliche Werk beginnt mit dem Postulat „Gute Pädagogik braucht gute Architektur“. Dabei geht Meuser der Frage nach, was der Raum und seine Architektur heute eigentlich leisten sollen. Der Leser erfährt im Verlauf, dass sich die Herausgeberin in der Vergangenheit auch mit Bauten für Tiere beschäftigt hat und die Schnittstelle in der Eigenbeschäftigung (Behavioral Enrichment) liegt. Architekten haben unter Einhaltung aller Vorgaben den Auftrag, Lebens- und Lernraum für Kinder zu gestalten. Die Herausgeberin wirft einen Blick in die Geschichte. Im Abschnitt „Von der Anstalt zu Childcare Centre“ zeigt sie die Entwicklung dieser Institution auf und geht dabei auch auf das Gesamtwerks Fröbels ein. Bevor Meuser kapitelabschließend kurz Inhalt und Autor*innen des Buchs vorstellt, behandelt sie noch den Aspekt der Ästhetik.

Mit „Grundlagen der Planung – Von der Quantität zur Qualität“ (Andrea Männel/Danilo Suhrweier) ist das zweite Kapitel überschrieben. Die Autor*innen beschreiben die vielfältigen Herausforderungen, die bereits bei der Planung berücksichtigt werden müssen. Dabei greifen sie Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsarchitektur gesondert auf. Männel und Suhrweier betonen in ihrem Fazit, dass „eine enge Zusammenarbeit aller Fachrichtungen sowie aller am Projekt Beteiligten unbedingt erforderlich“ (S. 31) ist. Dabei seien auch die Perspektive des Kindes und die neuen Erkenntnisse der Pädagogik wesentlich.

Kapitel 3 „Grundlagen des Entwurfs“ (Natascha Meuser) behandelt folgende zehn Planungsparameter für Kindertageseinrichtungen:

  • Die Erfindung einer neuen Welt: Vom Kindergarten zum Themenhaus
  • Städtebauliche Einbindung: In welchem urbanen Kontext sich das Gebäude befindet
  • Gebäudeform: Wie sich das Haus architektonisch präsentiert
  • Raum und Wirkung: Wie sich Erlebnisräume attraktiv präsentieren
  • Eingangsbereich: Das Betreten als Schlüsselelement
  • Maß und Proportion: Der kindliche Maßstab
  • Sicherheitsmanagement: Wie Kinder geschützt werden
  • Gestaltung: Was sich mit Materialwahl, Licht und Farbe erreichen lässt
  • Signalethik und Didaktik: Kindgerechte Symbolik
  • Räumliche Abgrenzungen: Wie sich Nutzungen und Übergänge gestalten lassen.

Kapitel 4 „Grundlagen des Betriebs – Flexibilität als Herausforderung“ (Detlef Diskowski)

Der Autor steigt mit einem Blick auf den „veränderten Rahmen“ wie Altersstruktur und Ganztagesbetreuung in dieses Kapitel ein. Der Abschnitt „Bau- und Raumvorgaben“ benennt die Herausforderung, neben den allgemeinen Vorschriften des Baurechts und der wenigen rechtlich verbindlichen Bau- und Ausstattungsvorschriften speziell für Kindertageseinrichtungen auch die betriebserlaubnisrelevanten Vorgaben und Empfehlungen von weiteren Stellen, wie z.B. des Landesjugendamtes zu berücksichtigen. Für die „innere Gliederung der Einrichtung“ gibt es, so resümiert Diskowski, keine festen, abstrakt bestimmbare Parameter oder eine unumstößliche Wahrheit. Vielmehr sei sie konzept-, personen- und gebäudeabhängig und im Dialog zu gestalten. Im weiteren Verlauf geht der Autor auch auf die Aspekte Lebenszeit – Lebensräume, Bildungsräume, die Kita als Arbeitsplatz und das weitere Aufgabenspektrum der Einrichtungen ein.

Kapitel 5 „Grundlagen der Pädagogik – Raumgestaltung und pädagogische Wirkung“ (Ingeborg Becker-Textor)

In ihrem Beitrag setzt sich die Autorin mit den „atmosphärischen Qualitäten beim Bauen für Kinder“ auseinander. Nach einem kurzen Einstieg über eine mögliche Kategorisierung von Räumen beschreibt sie, woher das Wort Raum kommt und wie Räume in der Vergangenheit interpretiert und genutzt wurden. Räume sollten, hierfür plädiert Becker-Textor, gemeinsam mit den Menschen gestaltet werden, die diese nutzen. Im weiteren Verlauf beschreibt sie die pädagogische Wirkung von Räumen, die Wirkung von Farben und Klängen im Raum und den Einfluss des Raums auf Bildung.

Die Darstellung ausgewählter Projekte eröffnet „Bauten im urbanen Kontext - 20 ausgewählte Projekte“ (Kapitel 6). Die internationalen Projekte zeigen beispielsweise Kitas in Barcelona (Spanien), Göttingen (Deutschland), Moskau (Russland), Hamamatsu (Japan) oder Seoul (Südkorea). Auf jeweils vier bis sechs Seiten werden diese mit vielen Detailangaben, Skizzen und Bildern dargestellt. Nach einem kurzen Erläuterungsbericht finden sich grundlegende Daten zum Projekt: Architekt, Standort, Auftraggeber, päd. Rahmendaten der Kinder, Fachplanung, Grundstücksgröße, bebaute Fläche, Nutzfläche, Bruttorauminhalt, Baukosten und das Jahr der Fertigstellung. Ansichten Schnitte und einzelne weitere Information ergänzen die Präsentation.

Kapitel 7 „Bauten im ländlichen Kontext - 20 ausgewählte Projekte“. Die „Reise“ beginnt in Österreich (Bizau, Lauterach, Bludenz und Schlins) und führt den Leser im weiteren Verlauf beispielsweise auch nach Neuseeland (Auckland), Slowenien (Podgorje), Finnland (Seinäjoki) oder auch Deutschland (Pollenfeld). Der Aufbau gleicht Kapitel 6.

Im Kapitel 8 werden 20 ausgewählte Projekte „Bauten im Bestand“ erläutert. Knapp die Hälfte der Projekte befinden sich dabei in Deutschland. Aber auch Bauten in Japan, Israel oder Neu Delhi sind zu finden.

Das Kapitel 9 „Bausteine“ untergliedert sich in:

Bausteine für eine Standard-Baubeschreibung (Andrea Männel/Danilo Suhrweier): Jeweils genauer untergliedert werden: Raumbezeichnung und Gliederung; Außenwände; Innenwände und Einbauten; Materialien, Qualitäten, Oberflächen; Küche; Auflagen zum vorbeugenden Brandschutz; Außenanlagen; Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärtechnik; Elektrotechnik.

Im Abschnitt „Bausteine für das Facility-Management“ (Arne Süberkrüb) greift der Autor die Themenfelder Instandhaltung, Wartung und Sicherheit auf.

Der Abschnitt „Bausteine für die pädagogische Ausstattung“ (Elisa Steinfeldt) geht auf folgende Bereiche ein: Raum zur Entfaltung von Bildung und Erziehung; Pädagogische Handlungskonzepte; Gruppenorganisationsformen; Raum zur Gestaltung von Bildungs- und Erfahrungsräumen; Sicherheit; die Perspektive des Kindes; Weitere spezielle Anforderungen.

Anhang: „Normen, Gesetze, Verordnungen“ (2 Seiten); Literaturauswahl (1 Seite); Personenregister (2 Seiten) Stichwortregister (1 Seite), Architektenregister (1 Seite); Autoren (1 Seite)

Diskussion

Das Buch beginnt noch vor dem Vorwort mit einem Abdruck eines Gemäldes „Darstellung eines Kindergartens“ aus dem Jahr 1885 und geleitet den Leser mit einem Zitat von Rousseau zum Inhaltsverzeichnis. Hier findet man nach dem ersten beeindruckenden Durchblättern des schweren Werkes eine gute Orientierung.

Ein besonderes Merkmal der vorliegenden Veröffentlichung ist, dass sie sich nicht nur mit der Präsentation von Bauten begnügt, sondern sich auch mit grundlegenden, auch pädagogischen, Fragestellungen der Kindertagesbetreuung beschäftigt.

Spieker erwähnt am Ende des Vorworts, „dass in der ersten Auflage lediglich ein kleiner Anfang gemacht werden kann …“. Das erweckt die Hoffnung und das Interesse an weiteren Veröffentlichungen.

Das erste Kapitel zeigt durch den interessanten und durchaus differenziert dargestellten Einstieg, dass sich die Herausgeberin intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Das Ziel des Buches, so beschreibt sie auf Seite 15, sei erreicht, wenn „Pädagogik und öffentliche Wahrnehmung für architektonische Fragestellungen des bislang noch vernachlässigten Bautyps Kindergarten“ sensibilisiert werden. Auch wenn Träger vor der Hausforderung stehen, weitere Plätze – zum Beispiel durch Umnutzung von bestehendem Raum – zu schaffen, sollten dessen Wirkung, der „pädagogische Auftrag“ und die Ästhetik unbedingt beachtet werden. „Die aus einem großen und kleinen, kargen Raum bestehenden Kindergärten mit Spielkiste, Puppenecke sowie Mal- und Bauecke haben mittlerweile ausgedient und werden nun von der dezentralen Spiellandschaft abgelöst.“ (S. 22)

Auf diese Schwierigkeiten und andere Herausforderungen gehen auch Männel und Suhrweier im Kapitel zwei ein, das mit „Von der Quantität zur Qualität“ überschrieben ist. Gelingt ein guter Dialog aller Verantwortlichen und wird die Kinderperspektive berücksichtigt, so lassen sich „durchaus neue und teilweise bessere Lösungen finden“ (S. 31)

Meuser selbst definiert das Ziel, Entwurfsparameter zu definieren, als Herausforderung. Durch eine Analyse der im Werk dargestellten Projektbeschreibungen gelingt es ihr, prägnante und nachvollziehbare Parameter herauszuarbeiten. Dieses Kapitel gibt damit sowohl eine Orientierungshilfe für Neubauten als auch für die Zielüberprüfung bei Umnutzungen von Bauten im Bestand. Einfache und vermeintlich kostengünstige Umbauten können zwar Plätze schaffen, ob diese „neugeschaffenen“ Plätze aber ästhetisch und pädagogisch durchdacht und auch für neuzugewinnende Mitarbeitende attraktiv sind, ist kritisch zu reflektieren.

Die Darstellung der verschiedenen Bauten in den folgenden Kapiteln ist informativ und visuell im Rahmen der Bildrechte gut aufbereitet. Besonders interessant ist dabei die internationale Breite der Projekte.

Im Kapitel 9 „Bausteine“ ermöglicht es FRÖBEL, Informationen für Standard-Baubeschreibungen zu gewinnen. Die Darstellungen hier sind äußert differenziert, sodass sich Architekten, Träger und durchaus auch Einrichtungsleitungen ein gutes Bild über die Anforderungen verschaffen können.

Obwohl Träger Architekten benötigen, die ihre Ideen in anforderungsgerechte Pläne übertragen, so ist auch der technische Betrieb nach Fertigstellung nicht zu vernachlässigen. Süberkrüb beschreibt eindrücklich, was zu beachten ist, und verdeutlicht dabei auch, dass hier im Nutzungszyklus, je nach Ausgestaltung des Kindergartens, (Mehr-)Kosten von 60 - 90 % einzurechnen sind. Kapitelabschließende werden von Steinfeldt in überschaubarer Kürze wesentliche pädagogische Aspekte beigesteuert. Diese können und müssen im Rahmen der Abbildung und Umsetzung der pädagogischen Konzeption weiter gefüllt werden.

Der Anhang nennt wesentliche Normen, Gesetze und Verordnungen. Aber auch das überschaubare Literaturverzeichnis von einer Seite bietet die Möglichkeit sich vertiefend zu informieren. Unabhängig davon, ob es tatsächlich benötigt wird und ob es aufwändig zu erstellen war, strahlt das zweiseitige Personenregister eine Wertschätzung gegenüber allen Menschen, deren Erkenntnisse aufgegriffen wurden, aus.

Fazit

Das Buch ist ästhetisch, umfassend, informativ und hat den Anspruch, Handbuch und Planungshilfe zu sein, voll erreicht. Alle Architekten, Träger, Einrichtungsleitungen und weitere Beteiligte, die Neu- oder Umbauten planen, können darin fundierte Informationen, Ideen, Orientierungspunkte und Regelungen finden.

Rezension von
Dipl.Soz-Päd. Martin Walz
Master of Social Management, Diplom-Sozialpädagoge (FH) Geschäftsführer Kindertageseinrichtungen mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Kinder- und Jugendhilfe
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ISSN 2190-9245