Katrin Schneiders: Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Armin Schneider, 19.03.2020

Katrin Schneiders: Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit.
Kohlhammer Verlag
(Stuttgart) 2019.
240 Seiten.
ISBN 978-3-17-030766-7.
D: 30,00 EUR,
A: 30,90 EUR.
Reihe: Grundwissen Soziale Arbeit - 22.
Thema
Soziale Arbeit ist ohne wirtschaftliche Rahmenbedingungen nicht denkbar. Der Band in der Reihe Grundwissen Soziale Arbeit will diese Rahmenbedingungen vor allem in den Bereichen Finanzierung und Wirkungsmessung mit Blick auf aktuelle Entwicklungstrends wie Ökonomisierung und Digitalisierung für (angehende) Fachkräfte in der Sozialen Arbeit erschließen.
AutorIn oder HerausgeberIn
Prof. Dr. Katrin Schneiders lehrt Sozialwirtschaft an der Hochschule Koblenz. Sie beschäftigt sich in Forschung und Lehre vor allem mit soziologischen und ökonomischen Aspekten des Wohlfahrtsstaates.
Entstehungshintergrund
Der Band ist in der Reihe Grundwissen (herausgegeben von Rudolf Bieker) erschienen. Eingeflossen sind Erkenntnisse der Autorin aus langjähriger Lehr- und Forschungstätigkeit und eigener verantwortlicher Tätigkeit in der Sozialwirtschaft.
Aufbau
Das Buch untergliedert sich nach der Einleitung in sechs weitere Kapitel. Dem Lehrbuchcharakter wird es durch den Bezug zu einem Praxisbeispiel, durch zahlreiche Querverweise und Hinweise auf weiterführende Literatur sowie Übungsaufgaben gerecht. Wesentliche Ergebnisse werden in einem Fazit der Kapitel bzw. Unterkapitel zusammengefasst.
Inhalt
Einleitung
In diesem Abschnitt wird eine Rahmung des Buches vorgenommen. Schneiders benennt als Ziele des Lehrbuches das Verstehen der Relevanz ökonomischer Aspekte der Sozialen Arbeit, den Erkenntniserwerb über Finanzierungsinstrumente, Beschäftigungsformen und Tarifstrukturen sowie die Kenntnis von Instrumenten und Beispielen einer Wirkungsmessung (vgl. S. 16). Dem institutionellen Begriff der Sozialwirtschaft (Organisationen) stellt sie den instrumentellen Begriff gegenüber (wirtschaftliche Instrumente). Die Autorin benennt Gefahren einer unreflektierten Ökonomisierung und weist aber auch auf Chancen einer ökonomischen Betrachtung hin. Im Verhältnis zu Sozialrecht und Sozialpolitik wird der sogenannte Policy Cycle herausgestellt. Mit einer umfassenden Analyse von aktuellen Statistiken werden Entwicklungen, wie auch die zunehmende Bedeutung privatwirtschaftlicher Unternehmen in allen Bereichen der Sozialwirtschaft, belegt.
Finanzierung Sozialer Dienstleistungen
Das zweite Kapitel zeigt ausgehend vom sozialwirtschaftlichen Dreieck die unterschiedlichen Formen der Finanzierung Sozialer Arbeit auf. (Traditionelle) Instrumente öffentlicher Finanzierung (Zuschüsse, Entgelte und Einkaufsmodelle) werden an nachvollziehbaren Beispielen aus Bereichen der Sozialen Arbeit ebenso vertieft wie (althergebrachte und moderne) Fundraising-Instrumente wie Spenden, Sponsoring, Stiftungen und Crowdfunding.
Erwerbstätigkeit im Sozialen Dienstleistungssektor
Neben einer Darstellung der Beschäftigungsstruktur in Abgrenzung zu allen Beschäftigten in Deutschland werden Entgeltsysteme und Tarifstrukturen der öffentlichen und freien Träger erläutert und konkret auch die Verdienstmöglichkeiten herausgestellt.
Wirkungsmessung und -forschung
Da Soziale Arbeit Veränderungen hervorrufen will, ist sie nach der Auffassung von Schneiders auf Wirkungen angewiesen. In einem weiten Wirkungsbegriff, der sowohl unmittelbare Wirkungen als auch gesellschaftliche Wirkungen (Impact) inkludiert, werden Beispiele für messbare Effekte genannt. An standardisierten Instrumenten der Wirkungsforschung werden der Social Reporting Standard, Social Return on Investment und die Balanced Scorecard unter Abwägung ihrer Chancen und Grenzen behandelt. Als Beispiele für Wirkungsforschung werden neben den aus der Jugendhilfe bekannten Jugendhilfe-Leistungs- und Jugendhilfe-Effekte-Studien auch längerfristige Studien wie die Kind in Diagnostik-Studie (Beckmann 2014) und das Modellprojekt Erziehungshilfe, Soziale Prävention und Quartiersentwicklung vorgestellt.
Aktuelle Debatten und Entwicklungstrends
Der „schillernde Begriff“ der Ökonomisierung, der nicht nur in der Sozialen Arbeit zu beobachten sei, wird hier thematisiert und zu einer heuristischen Messlatte (Wettbewerb, Preisbildung, Kundenautonomie) aufgearbeitet, mit der die Ökonomisierung in verschiedenen Handlungsfeldern Sozialer Arbeit analysiert wird. In einer ausgewogenen Bewertung werden auch Effektivitäts- und Effizienzverluste durch eine Ökonomisierung thematisiert. Risiken und Chancen einer Digitalisierung und Technisierung werden abgewogen. Als weiteren Trend wird an Beispielen das Social Entrepreneurship aufgeführt und an Beispielen der (teilweise beschränkte) Innovationscharakter herausgearbeitet. Das Unterkapitel Betriebliche Sozialpolitik verweist u.a. auf Unternehmen als sozialpolitische Akteure, Formen betrieblicher Sozialpolitik, betrieblicher Sozialarbeit und betrieblichem Eingliederungsmanagement. Von großem Interesse dürfte auch das abschließende Unterkapitel zu Sozialer Arbeit als Schnittstellenmanagement zwischen dem privatem, öffentlichen und freigemeinnützigen Sektor sein. Die Themenbereiche Tourismus, Wohnen, Finanzdienstleistungen und Gesundheit werden als Beispiele aufgeführt.
Wie geht es weiter?
Es gehe in Zukunft um eine Balance zwischen Markt, Staat und Gemeinschaft. Die Autorin äußert die Hoffnung, dass Studierende am Ende des Buches besser die Zusammenhänge verstehen und wissen, warum z.B. eine Auslastungsquote erhöht werden müsse. Sie schließt mit dem vielsagenden Satz: „Eines ist sicher: Es bleibt spannend!“ (S. 162).
Diskussion
Ein Lehrbuch muss sich immer kurz fassen und im didaktischen Aufbau zugleich neugierig machen und fundiertes Wissen vermitteln. Schneiders schafft es mit diesem Lehrbuch anhand aktueller Beispiele hauptsächlich im Feld von Finanzierung und Wirkungsmessung diesen Spannungsbogen aufrechtzuerhalten und zugleich die LeserInnen dieses Werkes mit ihrer eigenen Verwobenheit in ökonomisches Handeln der Sozialen Arbeit einzubeziehen. Insofern ist das Kapitel über die (eigene Erwerbstätigkeit) zugleich eine Bewertung der Bedeutung der Sozialwirtschaft wie auch eine Zukunftsperspektive für eigene Karrierechancen und -grenzen. Zweifellos ist für ein detaillierteres Wissen um die Sozialwirtschaft, auch in den einzelnen Feldern, weitere Lektüre erforderlich, aber darauf weist die Autorin auch mit konkreten Empfehlungen hin. Zu ergänzen wären allenfalls weitere Ausführungen zu ethischen Aspekten, alternativen ökonomischen Konzepten und konkreten betriebswirtschaftlichen Instrumenten sowie qualitativen Wirkungsansätzen. Aber dies mindert keineswegs den Wert dieses bodenständigen und grundlegenden Werkes.
Fazit
Alles in allem zeigt das Lehrbuch von Schneiders eine deutliche Verortung der Ökonomie für die Soziale Arbeit auf, weist aber auch auf Grenzen einer unreflektierten Übernahme hin und kann damit das umsetzen, was Alice Salomon schon zu Beginn einer professionellen Sozialen Arbeit einforderte: Soziale Arbeit braucht ökonomische Sachkenntnis. Daher sei das Buch auch für „gestandene“ SozialarbeiterInnen empfohlen. Soziale Arbeit bewegt sich in ökonomischen und politischen Kontexten und benötigt das entsprechende Wissen, um sich im Sinne der KlientInnen und der Gesellschaft professionell nachhaltig und wirksam einzubringen. Dazu kann das Buch eine fundierte und selbstbewusste Grundlage bieten.
Rezension von
Prof. Dr. Armin Schneider
Hochschule Koblenz
Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften
Direktor des Institutes für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit|Rheinland-Pfalz (IBEB)
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