Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet Logo

Gisela Hötker-Ponath: Trennung und Scheidung

Rezensiert von Dr. Anke Höhne, 01.10.2020

Cover Gisela Hötker-Ponath: Trennung und Scheidung ISBN 978-3-608-89237-6

Gisela Hötker-Ponath: Trennung und Scheidung. Prozessbegleitende Interventionen in Beratung und Therapie. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2018. 303 Seiten. ISBN 978-3-608-89237-6. D: 30,00 EUR, A: 30,90 EUR.
Reihe: Leben lernen.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Thema

Das von Gisela Hötker-Ponath verfasste Buch beschäftigt sich mit den sehr einschneidenden Lebensereignissen Trennung und Scheidung und wie man den sich trennenden Partnern und ihren Kindern unterstützende beratende oder therapeutische Angebote unterbreiten kann, um diese Lebensereignisse bestmöglich zu bewältigen.

Autorin

Gisela Hötker-Ponath ist Dipl.-Sozialpädagogin (FH), Paar- und Familientherapeutin (DGSF), Supervisorin (DGSF) und Ehe-, Familien- und Lebensberaterin (DAJEB). Nach einer langjährigen Tätigkeit in einer psychologischen Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle in München ist sie in eigener psychotherapeutischer Praxis (HP) tätig.

Entstehungshintergrund

Die Idee zum Buch entstand bei der Suche der Autorin nach einem Buch über Trennungs- und Scheidungsberatung, welches sowohl theoretisch fundiert als auch praxisnah und Familien- und Gruppensettings mit einschließen sollte. Da Frau Hötker-Ponath kein Buch auf dem Markt fand, welches diese Kriterien erfüllte, entschloss sie sich, auf Basis ihrer langjährigen Beratungserfahrungen auf dem Gebiet Trennung und Scheidung ein solches Buch selbst zu verfassen.

Zielgruppe

Das Buch richtet sich an Psychotherapeut*innen und Berater*innen, die mit Trennungspaaren arbeiten.

Aufbau und Inhalt

Das Buch umfasst elf Kapitel, ein Nachwort und einen umfangreichen Anhang.

Im ersten Kapitel „Einführung“ führt die Autorin in die Thematik ein und gibt einen Überblick über die Auswirkungen der kritischen Lebensereignisse Trennung und Scheidung für die Betroffenen. Sie geht auf gesellschaftliche Trends bezüglich des Scheidungsverhaltens und auf Ergebnisse der Scheidungsforschung ein.

In Kapitel 2 „Ausgewählte Ergebnisse der Scheidungsforschung“ präsentiert Frau Hötker-Ponath wichtige Ergebnisse der Scheidungsforschung zu Scheidungsrisiken sowie zu Scheidungsfolgen und Bewältigungsanforderungen für die Erwachsenen und Kinder. Die Forschungsergebnisse werden in pointierter zusammengefasster Form präsentiert, wobei soziologische und psychologische Faktoren unterschieden werden. Auch zu den Scheidungsfolgen und Bewältigungsanforderungen strukturiert Frau Hötker-Ponath die Forschungsergebnisse übersichtlich, indem sie kurze Absätze zu verschiedenen Aspekten des Trennungs- und Scheidungsprozesses (z.B. zeitlicher Verlauf, Krankheitsanfälligkeit Geschiedener, Rolle der Trennungsinitiative und Vorbereitungszeit auf die Trennung, Unterstützungssysteme) verfasst. Vertiefend behandelt sie die Scheidungsfolgen und Bewältigungsanforderungen für die Kinder (Kapitel 2.3). Hier geht sie detaillierter darauf ein, welche Rolle die bisherigen Entwicklungserfahrungen des Kindes, Alter und Geschlecht, Persönlichkeitsfaktoren, der zeitliche Verlauf, das Familienklima und die Erziehungskompetenz der Eltern, Geschwisterbeziehungen und die sozioökonomischen Rahmenbedingungen spielen.

Kapitel 3 widmet sich den „Schutzfaktoren für die Kinder“ um das kritische Lebensereignis Trennung und Scheidung der Eltern bestmöglich zu bewältigen. In kurzen Abschnitten widmet sich die Autorin der Rolle z.B. der Beziehungsgestaltung der Eltern mit den Kindern. Ein „autoritativer Erziehungsstil“, der aus einer Kombination von Lenkung und Zuwendung geprägt ist, erweist sich nach Auffassung von Frau Hötker-Ponath als sehr günstig für die Kinder, da hierdurch eine Parentifizierung, d.h. Rollenumkehr im Eltern-Kind-Verhältnis vermieden wird. In weiteren Unterkapiteln geht die Autorin auf die Rolle der Bindungsqualität zwischen den Eltern und dem Kind, das Thema Triangulierung und die Bedeutung des Vaters für eine gesunde Entwicklung des Kindes, die Widerstandsfähigkeit des Kindes (Bewältigungsstrategien) und sozioökonomische Ressourcen (finanzielle und materielle Ressourcen der Trennungsfamilie) ein.

Im 4.Kapitel („Formen und Intentionen der Trennungs- und Scheidungsberatung“) geht Frau Hötker-Ponath auf die Besonderheiten der Trennungs- und Scheidungsberatung ein, wobei sie in einem Abschnitt auch die Abgrenzung zur Beratung hochstrittiger Trennungspaare verdeutlicht. Ferner behandelt sie die erforderliche Kompetenz und Motivation, die Berater*innen von Trennungs- und Scheidungspaaren mitbringen müssen. Die Praxisnähe des Buches zeigt sich erstmals in diesem Kapitel, indem sich ein Unterkapitel direkt mit Fragen zur Selbstreflexion an potentielle Berater*innen dieser besonderen Beratungsform wendet, da eigene Beziehungs- und Trennungserfahrungen in der Beratung von Trennungsbetroffenen aktualisiert werden. Zum Schluss geht die Autorin in diesem Kapitel auf verschiedene Settingformen der Trennungs- und Scheidungsberatung ein (Einzel-, Paar-, Familien- und Gruppensetting).

Kapitel 5 („Trennung und Scheidung als Prozess“) ist das kürzeste Kapitel im Buch und bereitet auf die nachfolgenden Kapitel 6–8 vor, die vertiefender auf die verschiedenen Phasen in einem Trennungs- und Scheidungsprozess eingehen.

Kapitel 6 („Vorscheidungsphase: von der Ambivalenz zur Trennung“) beschreibt die typischen Charakteristika der Vorscheidungsphase, in der mindestens ein Partner versteckte oder offene Trennungsabsichten hegt, sich aber unter Umständen lange in einer Ambivalenzphase befindet und noch unentschlossen ist, den finalen Trennungsschritt zu gehen. Mit Fallbeispielen aus der Beratungspraxis macht die Autorin die Merkmale dieser Phase im Trennungsprozess anschaulich.

Kapitel 7 („Konsequenzen für die Beratung“) thematisiert, was aus der Trennungsentscheidung mindestens eines Partners für die Beratung folgt. Frau Hötker-Ponath stellt unterschiedliche Settings vor, in denen mit den Klienten gearbeitet werden kann: Paarberatung, Einzelberatung und Familienberatung. Hier wird auch dem Thema Interventionen in der Beratung ein größerer Raum eingeräumt. Mit einer Vielzahl an Beispielfragen, Methoden und Imaginationen sowie Fallbeispielen werden die Interventionsmöglichkeiten in der Trennungs- und Scheidungsberatung sehr anschaulich dargestellt.

In Kapitel 8 („Scheidungsphase – von der Trennung zur Scheidung“) wird auf die psychische Dynamik dieser Übergangsphase eingegangen, die von Trennungsschmerz, Trauer sowie Schuld und Schuldgefühlen gekennzeichnet ist. Einen Schwerpunkt legt die Autorin hierbei auf die Beziehungsdynamik zwischen den sich trennenden Partnern und wie die betroffenen Kinder diese Phase erleben.

In Kapitel 9, das wie Kapitel 7 den Titel „Konsequenzen für die Beratung“ trägt, werden die Aufgaben einer Trennungsberatung vorgestellt. Im Setting Einzelberatung werden sieben Aufgaben für die Beratung thematisiert, denen sich jeweils ein Abschnitt widmet (z.B. Begleitung aufbrechender Emotionen, Förderung von Trauerarbeit, Stärkung des Selbstwerts, Ressourcenaktivierung). Auch in diesem Kapitel werden wieder exemplarisch Interventionen vorgestellt. In einem eigenen Abschnitt geht es um Elternberatung im Kontext Trennungsberatung. Anhand von Beispielfragen, die in Elternsitzungen immer wieder gestellt wurden, wird der Abschnitt strukturiert (z.B. Wann und wie erklären wir unseren Kindern die Trennung? Wie regeln wir die Umgangsfragen? Im Abschnitt Familiensitzungen stellt die Autorin das Ziel dieser gemeinsamen Beratungssitzungen von Eltern und Kindern und deren idealtypischen Ablauf vor. Ein Abschnitt zu Interventionsmöglichkeiten schließt das Kapitel ab.

Kapitel 10 stellt die „Arbeit im Gruppensetting“ vor. Frau Hötker-Ponath geht auf die Besonderheiten des Gruppensettings im Kontext Trennung und Scheidung ein und stellt die Arbeitsweise von Trennungs- und Scheidungsgruppen vor, wobei wie bereits aus den vorherigen Kapiteln bekannt, erneut Interventionsoptionen für die praktische Gruppenarbeit präsentiert werden.

Das letzte inhaltliche Kapitel 11 geht auf die „Nachscheidungsphase – von der Scheidung zur neuen Lebensform“ ein. Die Autorin beschreibt die psychischen Bewältigungsaufgaben, denen sich die Trennungs-/​Scheidungspartner stellen müssen. Da die emotional erforderliche Trennung individuell sehr unterschiedlich gut gelingt, kann es auch in der Nachscheidungsphase zu Problemen kommen. Anschaulich wird auf die Herausforderungen dieser Phase für die Eltern und die Kinder eingegangen. In einem Abschnitt werden die Konsequenzen für die Beratung behandelt: Hier macht die Autorin deutlich, dass der Beratungsfokus „zwischen den aktuellen lebenspraktischen Herausforderungen und der abschließenden Verarbeitung des Trennungsgeschehens“ wechseln kann (S. 271). Erst in dieser Phase des Trennungsprozesses ist es möglich, sich mit den eigenen Anteilen an der Beziehungs- und Trennungsdynamik auseinanderzusetzen. Dabei kommt es darauf an, den Blick nach vorn zu richten um mit einem gestärkten Selbstwertgefühl neue Beziehungen entwickeln zu können. Ein weiterer Abschnitt geht auf die Bedeutung von Ritualen ein, die Übergänge im Leben markieren und die bei einer Trennung – im Gegensatz zur stark ritualisierten Hochzeit – häufig fehlen. Zum Abschluss stellt die Autorin sehr detailliert eine Intervention vor, die einen Rückblick auf die Beziehung beinhaltet („Strukturierte Beziehungsrückschau“). Diese Intervention ist allerdings nur für Trennungspaare geeignet, die ihren eigenen Anteil am Scheitern der Beziehung bereits akzeptiert haben.

In einem Nachwort (Kapitel 12) fasst die Autorin ihre Kernaussagen zusammen. Da viele getrennte Menschen früher oder später weitere Beziehungen und auch Ehen eingehen sowie Folgefamilien gründen, die allerdings ein höheres Trennungsrisiko aufweisen als Erstehen, beinhaltet jede durch Beratung begleitete Scheidung auch einen präventiven Charakter.

Im Anhang werden wichtige Paragraphen des Scheidungsrechts vorgestellt sowie kurz auf weitere Aspekte, die in der Trennungs- und Scheidungsberatung relevant werden können, kurz behandelt (z.B. Mediation, ressourcenorientierte Beratung, Gruppenangebote für Scheidungskinder).

Ein umfangreiches Literaturverzeichnis schließt das Buch ab.

Fazit

Das Buch gibt einen umfassenden und gut verständlichen Überblick über die Phasen des Trennungs- und Scheidungsprozesses und wie man sich trennende Partner bzw. Eltern angemessen in dieser Lebensphase begleiten kann. Das Buch ist sehr praxisorientiert geschrieben und enthält viele Beispielfälle (Fallvignetten) und Beispielfragen, die sich für die eigene Beratungspraxis von sowohl trennungsambivalenten Menschen als auch sich in unterschiedlichen Phasen des Trennungs- und Scheidungsprozesses befindlichen Klient*innen eignen. Es wird eine Vielzahl von Interventionen vorgestellt und die konkrete Vorgehensweise bei der Umsetzung dieser Methoden beschrieben. Positiv hervorzuheben ist insbesondere, dass die Perspektive der betroffenen Kinder und deren Bedürfnisse immer wieder in den Mittelpunkt der beratenden und psychotherapeutischen Arbeit gestellt werden.

Rezension von
Dr. Anke Höhne
Dipl.-Sozialwiss., Referentin bei SUCHT.HAMBURG gGmbH, Systemische Beraterin und Familientherapeutin
Website
Mailformular

Es gibt 21 Rezensionen von Anke Höhne.

Zitiervorschlag anzeigen

Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht

Sponsoren

Wir danken unseren Sponsoren. Sie ermöglichen dieses umfassende Angebot.

Über die socialnet Rezensionen
Hinweise für Rezensent:innen | Verlage | Autor:innen | Leser:innen sowie zur Verlinkung

Bitte lesen Sie die Hinweise, bevor Sie Kontakt zur Redaktion aufnehmen.
rezensionen@socialnet.de

ISSN 2190-9245