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Dominik Rottenkolber, Georg Hellmann et al. (Hrsg.): Das Pflegeadministrationsbuch

Rezensiert von Prof. Dr. Olaf Scupin, 30.07.2021

Cover Dominik Rottenkolber, Georg Hellmann et al. (Hrsg.): Das Pflegeadministrationsbuch ISBN 978-3-456-85752-7

Dominik Rottenkolber, Georg Hellmann, Günter Thiele (Hrsg.): Das Pflegeadministrationsbuch. Pflege - Pflegemanagement - Verantwortung. Hogrefe AG (Bern) 2020. 304 Seiten. ISBN 978-3-456-85752-7. D: 49,95 EUR, A: 51,40 EUR, CH: 65,00 sFr.

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Thema und Entstehung des Buches

Wieder erscheint ein Buch für die Zielgruppe des Pflegemanagements. Gemeint sind hier auch als Zielgruppe Studierende der Pflege im weitesten Sinne und Führungspersonen aus der Pflegepraxis. Erneut wird von den Herausgebern die Notwendigkeit der vorliegenden Veröffentlichung der Inhalte mit der aktuellen Ökonomisierung der professionellen Pflege begründet. Vordergründig erscheint dieses Buch überflüssig. Gilt es doch eigentlich die Konzepte, zum Beispiel der Betriebswirtschaft, auf die berufliche Pflege zu übertragen. Doch damit würde man der Intention dieses Buches nicht gerecht werden. Die Herausgeber treten mit dem Anspruch an, den Entscheidungsträgern der Pflege theoretische Grundlagen des Managements vermitteln zu wollen. Die zu vermittelnden Kompetenzen sollen die Entscheidungsträger in die Lage versetzen mit anderen Entscheidungsträgern (Ärztliche Diektor_innen, Geschäftsfüher_innen, …) auf „Augenhöhe“ zu diskutieren (11). Ein spannendes Unterfangen, postuliert es doch, dass diese Kompetenz bisher nicht oder in nicht ausreichendem Umfang vorhanden ist. Wirklich neu ist ein breiter Exkurs über die Auswirkungen auf die Interdisziplinarität durch die Akademisierung der Pflegeberufe. In der Tat können die Akademisierungsbestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland (West) inzwischen auf eine 33-jährige Geschichte zurück schauen. Die Durchdringung über das Management hinaus ist bisher jedoch nicht gelungen. Im Gegenteil, gerade das Pflegemanagement könnte der „Totengräber“ der Akademisierung der direkten Pflege werden. Auch wenn es inzwischen möglich ist an dutzenden Hochschulen Pflege mit dem Ziel in der direkten Patient_innen-, Bewohner_innen- und Klient_innenversorgung zu studierenden möglich ist, fehlt es doch an tragfähigen, begründeten und evaluierten Organisationskonzepten für die Praxis. Hochschulabsolvent_innen gelten überwiegend immer noch als Fremdkörper, die meinen „sie wären was Besseres“. Zugespitzt könnte man auch sagen, die Pflegepraxis hat die Akademisierung nicht gefordert. Die Forschungslage über die positiven Auswirkungen des Einsatzes von hochschulisch qualifizierten Pflegenden ist eindeutig. Die hochschulische Ausbildung ist seit 2020 gesetzlich verankert und doch gibt es Widerstand. Insofern ist der Ansatz über organisatorische bzw. wirtschaftliche Kompetenzen die Kommunikationsqualität zwischen den Entscheidungsträgern der Einrichtungen zu verbessern sehr zu begrüßen.

Aufbau

Das Buch gliedert sich in 12 Kapitel, die in der Gliederungsübersicht zunächst unzusammenhängend wirken. Beim Lesen des Buches sind die Inhalte der einzelnen Kapitel jedoch sehr logisch miteinander verbunden. Die Kapitelübergänge sind gelungen. Das Buch entwickelt die Inhalte von einem allgemeinen Überblick zu den Institutionen des Gesundheitswesens, um sich daraufhin aufbauend den Teilkonzepten der Betriebswirtschaft zu widmen. Gerade das Kapitel über „Pflegewirtschaftliche Einrichtungen“ schafft einen guten und präzisen Überblick über die Struktur (gesetzliche Betreibergrundlage, Personal und Organisation) der einzelnen Einrichtungen. Wohltuend ist, dass die Autoren die Ökonomisierung des Gesundheitswesens nicht als neues Phänomen betrachten, sondern in einen evolutionären Prozess einbetten, wobei sie der DRG-Einführung einen zentralen Startpunkt für Veränderungsprozesse zuschreiben. Stets wird ein fachwissenschaftlicher Hinterrund gespiegelt. Eine breite Literaturverwendung wertet die Inhalte sehr auf.

Inhalt

In der Einführung wird eine Anpassung des klassischen Führungsbegriffes hin zu einem Verständnis von Nursing Administration nachvollziehbar begründet. Diese angloamerikanische Perspektive führt zum Kapitel über die Entwicklung der Pflegeorganisation durch den Pflegeprozess. Es wird berechtigt angemerkt, dass der Pflegeprozess als systematische Problemlösungsmethode auch in Deutschland etabliert ist, die Umsetzungsqualität jedoch nicht evidenzbasiert überprüft wurde. Die geringe Akademisierungsquote der Pflegepraxis wird damit berechtigt in Verbindung gebracht (37). Es wird darauf hingewiesen, dass der Pflegeprozess als Problemlösungsmethode für hochschulisch qualifizierte Pflegende entwickelt wurde. Parallel wurden in den USA erste Klassifikationssysteme ausgebildet. Diese dienen u.a. der Entwicklung einer einheitlichen Fachsprache. Diese Entwicklung steckt in Deutschland noch weitestgehend in den Kinderschuhen. Pflegende in Deutschland arbeiten weiterhin eher verrichtungsorientiert und nicht prozessbasiert. Der Pflegeprozess ist somit untrennbar mit einer akademischen Grundqualifizierung verknüpft.

Ein völlig unterschätzter historischer Tatbestand ist das Unterstellungsverhältnis der deutschen beruflichen Pflege unter den ärztlichen Berufstand durch das „Gesetz zur Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ vom 03.07.1934. In der Ausführungsverordnung wurde unter anderem die Ausbildungsdauer (2 Jahre), unter der Aufsicht des Ärztlichen Dienstes, festgelegt. Dieses Unterstellungsverhältnis dauert im wesentlichen bis heute an. Die „tradierten arztzentrierten Strukturen“ (47) erschweren die Professionalisierung der Pflegeberufe bis Heute. Ein wirklich gutes Kapitel von Frau Boguth.

Anschließend wird ein Exkurs in die Organisationslehre geleistet. Selbstredend kann auf eine reichhaltige umfassende Literatur zu den Organisationstheorien zurückgegriffen werden. Es werden die traditionellen ebenso wie die modernen Ansätze kurz vorgestellt. Eine Vertiefung in die Literatur ist notwendig, verschafft aber dann einen sinnvollen Überblick. Aufbauend auf dem Vorkapitel befasst sich Rottenkolber mit dem Begriff der „Strategie“ (75 ff). Unter einer Strategie versteht der Autor ganz richtig eine Funktion der Zielerreichung für ein Unternehmen. Die ausgewählten Strategieansätze sind gut ausgewählt. Die Notwendigkeit einer strategischen Unternehmensausrichtung wird erläutert und an ausgesuchten Ansätzen gut erklärt. Im Kapitel über die „theoretische Fundierungen des Pflegecontrollings“ werden vier für die professionelle Pflege relevanten Controllingkonzepte vorgestellt. Die Einteilung in den „Informationsansatz, den Planungs- und Kontrollansatz, den Koordinationsansatz und den Rationalitätsansatz“ dient letztendlich der strategischen Steuerung des Unternehmens. Ganz richtig wird beschrieben, dass das Pflegecontrolling ein relativ neues Konzept für die Unternehmessteuerung darstellt. Die Autor_in geht von einem ganzheitlichen Instrument aus, welches eben aus der Perspektive der Pflege angewendet werden sollte. Diese Pflegespezifik wird mit einer arbeitspsychologischen Perspektive begründet. Es ginge in der Pflege eben auch um Emotions- und Gefühlsarbeit. Hier wird sichtbar, wie wenig die professionelle Pflege ihr Handeln fachtheoretisch ableiten und beschreiben kann. Das Konzept der biopsychosozialen Einheit der Humanontogenetik könnte hier wichtige Impulse geben.

Bettig befasst sich im Rahmen der Personalwirtschaft mit dem größten Kostenfaktor der Pflege, den Personalkosten (105 ff). Die Teilziele bzw. -konzepte der Personalwirtschaft (Personalbeschaffung, -auswahl, -entwicklung, …) werden korrekt vorgestellt und nachvollziehbar erklärt. Wesentlich erscheint die Empfehlung den Unternehmens- bzw. Strategieansatz des Magnet-Hospitals zu verfolgen. Diese geht einher mit einer akademischen Qualifikation der Pflegepraxis (134).

Im Abschnitt über die Finanzierung der pflegerischen Leistungen wird vorrangig die Finanzierung der Kliniken vorgestellt. Dies geschieht vor dem Hintergrund der Etablierung eines fallpauschalierten Finanzierungssystems (DRG) in Deutschland. Ganz richtig schreiben Bettig und Thiele, dass bei der Ausgestaltung von Vergütungssystemen eine „interdisziplinäre Ausrichtung und daneben die Ausrichtung an den Betroffenen, den Patienten bzw. Pflegebedürftigen“ fehlt (144). Die Kapitel 10 und 11 befassen sich mit dem Thema des Marketings und des Qualitätsmanagements. In der inhaltlichen Auseinandersetzung kommen die Autorinnen zum berechtigten Ergebnis, dass eine stringentere Ausrichtung an der Kundenorientierung erfolgen muss (162). Gerade das Kapitel zum Qualitätsmanagement gibt einen guten und breiten Überblick über die aktuellen QM-Systeme. Interessant ist der Ausblick bzw. die Perspektive der Pflegeadministration. Thiele und Hellmann beschreiben ganz richtig die „problematische Beziehung zwischen den Pflegekräften und den Ärzten (…)“ (187). Innovativ, aber gleichzeitig auch nicht richtig neu, ist der Hinweis, dass solange „eine Geschäftsführung oberhalb von ärztlicher und pflegerischer Direktion angesiedelt ist, (…) die Führung in einer Disbalance“ ist (190).

Diskussion und Fazit

Das Buch ist verständlich geschrieben ohne jedoch auf eine spezifische Wissenschaftssprache zu verzichten. Grundlagen in Bezug auf Führung und Betriebswirtschaft sollten bei der Leserin vorhanden sein. Den Studierenden werden neue Denkanstöße gegeben.

Eine weitergehende historische Einordnung der Entwicklungen im Gesundheitswesen wären für das Verständnis der aktuellen Situation im Gesundheitswesen noch sinnvoller gewesen. Nur so können langfristige Entwicklungen oder eben auch Fehlentwicklungen besser verstanden werden. Jedes Kapitel ließe sich vertiefen und rechtfertigt eine eigene Buchreihe. Einen sehr guten Überblick, im Sinne eines Grundlagenwerkes, liefert das Buch auf jeden Fall.

Rezension von
Prof. Dr. Olaf Scupin
Professur für Pflegemanagement an der Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) Jena, Mitglied der Leibniz-Sozietät zu Berlin, Direktor am Institut für Coaching und Organisationsberatung der EAH Jena, Diplom-Pflegewirt (FH), Pflegedirektor, Fachkrankenpfleger für Anästhesie und Intensivpflege, Krankenpfleger, Weiterbildung zur Leitung einer Station oder Abteilung am ÖTV-Institut Duisburg
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Es gibt 14 Rezensionen von Olaf Scupin.

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ISSN 2190-9245