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stART International e.V. (Hrsg.): Kinder stärken - Zukunft gestalten

Rezensiert von Prof. Dr. phil. Renate Schwarz, 24.11.2020

Cover  stART International e.V. (Hrsg.): Kinder stärken - Zukunft gestalten ISBN 978-3-7725-2879-8

stART International e.V. (Hrsg.): Kinder stärken - Zukunft gestalten. Pädagogisch-therapeutisches Lehr- und Praxisbuch zu Trauma, Widerstandskraft, Kunst und sozialer Beweglichkeit. Verlag Freies Geistesleben (Stuttgart) 2020. 2. Aufl. Auflage. 327 Seiten. ISBN 978-3-7725-2879-8. D: 28,00 EUR, A: 28,90 EUR.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.
Inhaltsverzeichnis bei der DNB.

Herausgeber und Entstehungshintergrund

Das 327 Seiten umfassende Werk wurde von der Organisation stART international e.V. herausgegeben. stART international e. v. emergency aid for children ist ein Netzwerk von PädagogInnen, TherapeutInnen und pädagogisch-therapeutisch arbeitenden KünstlerInnen, das auf der Grundlage von Waldorfpädagogik und anthroposophischen Therapien tätig ist. Seit 2008 arbeitet stART im In- und Ausland mit Kindern und Jugendlichen, die von Naturkatastrophen, Krieg und/oder Flucht betroffen sind. Aus dieser umfassenden Tätigkeit ist die Publikation durch Mitglieder des stART Teams sowie externen AutorInnen entstanden.

Link: http://www.start-international.org/

Aufbau und Inhalt

Auftakt des Buches bilden die Abschnitte Dank, Geleitwort von Dr. Reinald Eichhorn, Geleitwort von Aeham Ahmad, Vorwort zur 2. Auflage, Unterstützung von „Kindern mit einem schweren Rucksack“ und ein Leitfaden durch das Buch von Barbara Schiller.

Folgende fünf Kapitel gliedern das Buch:

  1. Geheimnis: Kunst
  2. Phänomen: Trauma
  3. Das Zusammenspiel von Kunst, Pädagogik und Therapie
  4. Die Gefahr der indirekten Traumatisierung und die Notwendigkeit zur Selbstfürsorge, Widerstandskraft und Achtsamkeit
  5. Zukunft gestalten – neue Herausforderungen verlangen neue Antworten: Ein Ausblick

Geheimnis Kunst

Als zentrales Element des Arbeitsstils von stART wird die künstlerische Grundhaltung beschrieben. Es wird davon ausgegangen, dass künstlerisch-kreative Tätigkeiten Menschen befähigen, sich „über momentane Zustände zu erheben“ (32). Das beschreibt die Künstlerin und Kunsttherapeutin Rita Eckart in ihrem Beitrag „Kunst als Brücke zum Leben“. Johannes Stüttgen, ein Schüler von Joseph Beuys, beschäftigt sich im Abschnitt „Jeder Mensch ist ein Künstler“ mit der Wichtigkeit dieses Satzes.

Phänomen: Trauma

Annette Junge-Schepermann gibt in ihrem Artikel „Psychische Traumatisierung und das Spektrum der Hilfsmöglichkeiten aus psychologischer Sicht“ einen Überblick über Trauma-Folgesymptome bei Kindern und Jugendlichen und mögliche Maßnahmen in der trauma-adaptiven Akuthilfe und der Frühintervention. Als besonders wichtig erachtet sie bildhafte und handlungsorientierte sowie imaginative und körpertherapeutische Interventionen. Diese wirken ressourcenmobilisierend, zum belastenden Geschehen innerlich distanzierend, harmonisierend und die Selbstwirksamkeitsgefühle unterstützend.

Als Arzt und anthroposophischer Psychotherapeut stellt Dr. Hartmut Horn im Abschnitt „Der Körper als Instrument der Seele“ dar, inwiefern traumatische Erfahrungen organische Strukturen des menschlichen Körpers schädigen und insbesondere wie die kindliche Entwicklung in unterschiedlichen Phasen geschädigt werden kann. Er unterstreicht die Bedeutung des frühen Einsetzens traumatherapeutischer Interventionen für den späteren Behandlungserfolg.

Das Kapitel wird von der Gesundheits- und Krankenpflegerin Ursi Soldner mit dem Beitrag „Kalte Füße! Trockener Mund! Herzrasen! Aggressionen?“ abgerundet. Sie beschreibt die Wirkung unterschiedlicher Heilpflanzen wie Arnika, Lavendel, Eukalyptus und Ingwer sowie deren äußere Anwendung bei traumatisierten Menschen.

Das Zusammenspiel von Kunst, Pädagogik und Therapie -

Niederschwellige traumatherapeutische und resilienzstärkende Arbeit im pädagogischen Setting – in Theorie und Praxis, bildet das Herzstück des Buches. Hier werden aus der Praxis von stART Mitarbeitenden entwickelte Ansätze, Methoden und Übungen übersichtlich-systematisch vorgestellt. Mit den Kriterien Ziel, Vorbereitung, Beschreibung und Variationen sowie Ort, TeilnehmerInnen, Alter, Dauer und Material werden die Übungen nachvollziehbar beschrieben. Zusätzlich kann über QR-Codes auf Videotutorials, in denen die jeweilige Übung gezeigt wird, frei über den YouTube-Kanal der Website von StART zugegriffen werden.

Die Eurythmietherapeutin Myrtha Faltin zeigt in ihrem Artikel „Leben ist Be-Wegung“ die Wichtigkeit von Bewegung, Bewegungsspielen und Bewegungsübungen. Die Musikpädagogin und Harfenistin Valeska Gleser befasst sich in „Rhythmus und heilende Klänge“ mit Übungen zu musikalischem Vorgehen. In ihrem Beitrag „Wieder stark und mutig sein“ stellt die Theater- und Sprachpädagogin Lisbeth Wutte die Bedeutung von Sprache und Geschichten dar. Die Kunsttherapeutin Rita Eckart beschreibt in ihrem Beitrag „Die heilende Kraft von Farben und Formen“ die Wirkung der bildenden Künste. In „Sinnvolles Tun bringt Sinn ins Leben“ fokussiert die Pädagogin Birgit-Marie Stoewer die heilende Kraft, die in handarbeitlichen und handwerklichen Tätigkeiten in der Arbeit mit betroffenen Kindern liegt.

Die Gefahr der indirekten Traumatisierung und die Notwendigkeit zur Selbstfürsorge, Widerstandskraft und Achtsamkeit – Hilfe für die Helferinnen und Helfer – Achtsame Organisationskultur

Hier befasst sich die Körperpsychotherapeutin und Traumafachreferentin Maria Zemp mit der Vulnerabilität der Helfenden, der Förderung von Resilienz und einer eher wenig beachteten Perspektive der Abbildung von Stress- und Trauma-Dynamiken in Organisationen und sozialen Einrichtungen. Handlungsempfehlungen wie Reflexionsräume in Form von Klausurtagen oder Supervision zu etablieren, werden vorgeschlagen.

Zukunft gestalten – Neue Herausforderungen verlangen neue Antworten: Ein Ausblick

In diesem Abschnitt werden gesellschaftliche Zusammenhänge zum bisher Ausgeführten hergestellt und zukunftsweisende Aspekte entwickelt. Die Mitbegründerin und Gesellschafterin von stART international Barbara Schiller entwickelt im Beitrag „Kunst für Frieden – Auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft“ einen künstlerischen Ansatz für das soziale Miteinander. Ausgehend von der Hypothese, dass seelische Verletzungen, die bei Mitgliedern einer Gesellschaft auftreten, sich auf der gesellschaftlichen Ebene als Trauma-Dynamiken spiegeln, schlägt sie das gemeinsame künstlerische Erleben als Brücke vor, Neues im sozialen Miteinander zu erschließen.

Der bekannte Organisationsberater und Konfliktforscher Prof. Dr. Dr. h.c. Friedrich Glasl setzt sich im letzten Aufsatz des Buches „Die soziale Aufgabe der Gegenwart“ mit den Herausforderungen eines friedvollen zukünftigen gesellschaftlichen Miteinanders auseinander. Er konstatiert, dass angesichts der weltweiten Flucht vieler Menschen, alle Beteiligten gefordert bzw. herausgefordert und oft auch überfordert sind. Er bezieht sich bei seinen Analysen auf die Dreigliederung der Gesellschaft nach Rudolf Steiner. Aus dem heutigen globalen Verwobensein aller Menschen folgert er: „Die Fragen der Migration sind kein Sonderproblem, das in den nächsten Jahren gelöst sein wird. Sie machen nur fokussiert darauf aufmerksam, wie es um unsere Welt beschaffen ist.“(315)

Mit den Abschnitten Autorinnen und Autoren, Text- und Bildquellen, Hinweise und Impressum und Über stART international e.V. wird das Werk abgerundet.

Diskussion

Das Herzstück des Buches bildet das praxisorientierte dritte Kapitel. Alle Übungen sind systematisch, anschaulich und detailliert beschrieben und mit Videotutorials hinterlegt, sodass auch nicht künstlerisch versierte Menschen die meisten Methoden erlernen und anwenden können. Auch die Fantasie für weitere Methoden wird angeregt. Die theoretisch ausgerichteten Kapitel und Abschnitte geben einen guten Einblick in das jeweilige Thema. Zahlreiche Literaturverweise regen zur weiteren theoretischen Auseinandersetzung mit den Themen an.

Das Buch in den Händen zu halten und zu lesen, macht Freude und ist ein echter Gewinn. Viele Fotos von weltweiten Einsätzen von stART-Mitgliedern lassen das Geschriebene lebendig und anschaulich werden. Die Gestaltung korreliert mit der künstlerischen Ausrichtung des Buches. Es ist den AutorInnen gelungen, das äußerst belastende Thema Kinder mit traumatischen Erfahrungen hoffnungsvoll und mit positiver Perspektive anzugehen. Der pädagogisch-therapeutisch kunstorientierte Ansatz wird nicht nur theoretisch und praxisorientiert, sondern auch atmosphärisch konsequent durchgehalten. So kann schon beim Lesen eine Ahnung davon entstehen, wie durch künstlerisch-kreativ-sinnliche Erfahrungen seelenheilende, die Resilienz stärkende Prozesse entstehen können und somit ein Beitrag geleistet werden kann, die Gesellschaft friedlich zu gestalten.

Fazit

Das vorliegende Werk basiert auf der anthroposophischen Pädagogik, ist ein zutiefst menschliches, theoretisch fundiertes und vor allem anwendungsorientiertes Buch. Nach einer theoretischen Einführung zu den Themen Kunst und dem Phänomen Trauma werden im Praxisteil eine Vielzahl kunstorientierter Übungen für Kinder in akuten Notsituationen vorgestellt. Die Gefahr einer indirekten Traumatisierung der Helfenden wird thematisiert sowie der Bogen geschlagen zur Bedeutung von Kunst für den Frieden und die aus anthroposophischer Sicht aktuelle soziale gesellschaftliche Aufgabe. Das Buch zu lesen ist allen pädagogisch Interessierten und Tätigen sowie allen in sozialen und pädagogischen Feldern Studierenden sehr zu empfehlen.

Rezension von
Prof. Dr. phil. Renate Schwarz
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Es gibt 1 Rezension von Renate Schwarz.

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ISSN 2190-9245