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Gitta Bernshausen, Frank Löbler: Innovation personenbezogener Dienstleistungen als Prozess

Rezensiert von Prof. Dr. Paul Brandl, 11.03.2020

Cover Gitta Bernshausen, Frank Löbler: Innovation personenbezogener Dienstleistungen als Prozess ISBN 978-3-658-20513-3

Gitta Bernshausen, Frank Löbler: Innovation personenbezogener Dienstleistungen als Prozess. Exemplarische Fallstudie eines Innovationsprozesses zur Bereicherung der sozialen Assistenz durch Teilhabebegleitung. Springer VS (Wiesbaden) 2020. 185 Seiten. ISBN 978-3-658-20513-3. D: 17,99 EUR, A: 18,49 EUR, CH: 18,50 sFr.
Reihe: Sozialwirtschaft innovativ.

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Thema

Das Thema ist vom Zugang her sehr interessant und vielfach diskutiert. Kommen die einen Autoren aus dem Bereich des „Design Thinking“ oder „Service Design“ und gehen dabei aus von der Betrachtungsweise des/r jeweiligen KundInnen, so sind diese beiden Autoren aus der Ecke der Sozialarbeiter unterwegs aus der Sicht des Konzepts der Qualität des Lebens – also ebenfalls aus der Sicht des Kunden oder hier des/r Behinderten. Die Sprache wechselt von der der „Service Designer“ zu der Sprache der Sozialarbeiter, wobei der Inhalt „Konzeption von Dienstleistungen“ gleichbleibt.

Das Buch richtet sich – wie die gesamte Reihe „Sozialwirtschaft innovativ“ vor allem an das mit der Steuerung befasste Management von sozialen Dienstleistern, Vereinigungen und Fachverbänden. Für die Berater und Finanziers ist die Weiterentwicklung und Adaptierung von sozialen Dienstleistungen von der Vorgangsweise interessant, da die Anpassung von sozialen Dienstleistungen nicht vom Anbieter aus angegangen werden, sondern aus der Sicht der jeweiligen KlientInnen.

Die vorliegende Fallstudie aus dem Leistungsbereich der Eingliederungshilfe umfasst nicht nur das Konzeptionieren und Gestalten des Innovationsprozesses samt deren Verlauf, sondern auch den Bezugsrahmen, welcher die Autoren bei ihren Handlungen geleitet hat sowie die Wirkung der Dienstleistung. Mit der Aufarbeitung des Themas machen die beiden in der Szene als Führungskräfte berufstätigen Autoren ihre Erfahrungen einem größeren Adressatenkreis zugänglich. Mit der Neuausrichtung der Assistenz in der sozialen Dienstleistung wird damit auch ein äußerst relevantes Kernthema bearbeitet.

Autorin

  • Gitta Bernshausen studierte Sozialarbeit und war ab 1986 in operativer Leitungsfunktion für den Sozialwerk St. Georg e.V. tätig. Ab 2002 war sie Geschäftsführerin verschiedener Tochtergesellschaften, bevor sie 2012 Vorständin desselben Vereins für Human Resources, Qualität, Sozialpolitik sowie F&E wurde.
  • Frank Löbler ist Ressortleiter „Qualität“ beim Sozialwerk St. Georg E.V. in Gelsenkirchen. Er ist zuständig für das Qualitätsmanagementsystem – ausgerichtet auf wirksame personenorientierte Assistenz. Besonderes Augenmerk legt Herr Löbler auf das Thema Lebensqualität und deren Messung. Er ist Mastertrainer des „Personal Outcomes Scale“ und Verfasser einer Reihe von Publikationen.

Aufbau

Im ersten der sieben Kapitel gehen die beiden Autoren auf den Wandel der Sozialwirtschaft ein und schildern die Auswirkungen auf die sozialen Dienstleister. Das zweite Kapitel schildert kurz den Auftrag und die Herausforderungen für Innovation durch das Bundesteilhabegesetz. Kapitel 3 fokussiert auf das Konzept „Qualität des Lebens“ als passende Grundlage für die Gestaltung sozialer Dienstleistungen. Das erfolgreiche Gestalten des Innovationsprozesses wird in Kapitel 4 ausführlich dargestellt, gefolgt vom fünften Kapitel, das den Innovationsprozess aus der Perspektive von Beteiligten betrachtet. Im sechsten Kapitel wird das Messinstrument „Personal Outcomes Scale“ mit dem internationalen Anwenderkreis vorgestellt und mit dem wirkungsorientierten Controlling in Verbindung gebracht. Die Publikation endet mit einem Zwischenbericht des Projekts im siebten und letzten Kapitel.

Inhalte

Am Beginn gehen die Autoren auf die Besonderheiten und Herausforderungen an die Sozialwirtschaft ein. Auch das Thema Qualität wird in seinen Grundzügen angesprochen, ebenso das Thema Innovation in der Sozialwirtschaft und deren etwas langwieriges und relativ langsames Voranschreiten. Mit dem Thema Inklusion gehen sie über dieses eher leidige Thema hinaus und definieren es aus der Sicht der KlientInnen neu. Sie knüpfen damit an die Vorgangsweisen beim „Service Design“ an und das auch mit den rechtlichen Rahmenbedingungen. Das Konzept der Qualität des Lebens wird anschließend in seinen Kernelementen beschrieben. Die Autoren koppeln dazu an die „International Classification of Functioning“ an, in dem zwischen „personal characteristics“ und „environmental factors“ unterschieden wird. Alle bekannten Schlagwörter wie „individual supports“ und „empowerment“ ebenso wie „developing personal talents“ finden sich hier ebenso wie „maximizing personal involvement“ und „providing individualized supports“ und „facilitating personal growth opportunities“. Ein für das Konzept „Qualität des Lebens“ bedeutsame Entwicklungslinie bildet schließlich der Ansatz „Personal Outcome Measures“ des Council on Quality and Leadership. In diesem Ansatz werden Zustände bzw. Anliegen der KlientInnen beschrieben wie

  • Ich möchte mich sicher fühlen.
  • Ich wähle wo und mit wem ich lebe.
  • Ich möchte Freunde, Freund sein.
  • Ich möchte verschiedene Facetten meiner Persönlichkeit zeigen können.
  • Ich wähle Produkte und Dienstleistungen aus.
  • Ich habe Rechte, werde fair behandelt.
  • Ich möchte gesund sein.

In der Konsequenz führt der Ansatz dazu, dass Qualität des Lebens zwar individuell unterschiedlich ist, jedoch mit den gleichen Beschreibungskategorien erfolgt. Es gilt daher nicht nur Schlechtes zu vermeiden, sondern die möglichst große Kontrolle von Ressourcen, die Auswahl von Optionen, der Einsatz seines Erfahrungsschatzes sowie die Teilhabe am Leben zu ermöglichen. Dies gilt es von den Dienstleistungserbringern aufzunehmen und als Grundlage für das erfolgreiche Umsetzen von Dienstleistungen einzusetzen. Die Handlungskomponenten des Konzepts „Qualität des Lebens“. Hier lehnen sich die Autoren an die Systematik von Schalock mit seinen Best Practices an: zum einen fachlich (Respekt, Verhaltenskodex, Ethische Prinzipien, Evidenz-basierte Praktiken, Impact Evaluation) und zum anderen organisatorisch (Werte, High-Performance Teams, Unterstützungsparadigma, Outcomes Evaluation, Kontinuierliche Verbesserung).

Die Gestaltung des Innovationsprozesses wird in vier Abschnitten dargestellt: Die Auswahl des neuen Dienstleistungskonzeptes, die Information und Kommunikation im Projekt, das Projektmanagement und die Entwicklung von neuen Lösungen sowie die Darstellung des neuen Dienstleistungsprozesses im Sozialwerk St. Georg von den Aufgaben der Teilhabebegleiter, den Aufgaben der persönlichen Assistenten bis zur Weiterführung der Implementierung des Projekts.

Nun geht es in der Folge um die Darstellung des Innovationsprozesses aus der Perspektive der Beteiligten die Teilhabebegleitung, die persönliche Assistenz, die KlientInnen und dem Management. Diese unterschiedlichen Sichtweisen ermöglichen dem/r LeserIn ein differenziertes Bild zum Innovationsprozess. Dem Ergebnis wird anschließend ebenfalls ein Abschnitt gewidmet, in dem auf die Wirkungsmessung eingegangen wird, das Instrument der „Personal Outcomes Scale“ mit seinen Domänen und Indikatoren dargestellt sowie auf die Entwicklung, Reliabilität und Validität eingegangen wird. Die Anwendungsvoraussetzungen werden ebenso dargestellt wie der Anwenderkreis des POS. Der Abschnitt wird mit Aussagen zur Managementinformation und zum wirkungsorientierten Controlling abgeschlossen.

Den Abschluss der Publikation bildet ein Kapitel, das der Zwischenbilanz dieses Projektes zur Entwicklung von personenbezogenen Dienstleistungen gewidmet ist. Es dient nicht nur dem Leser zum tieferen Einblick, sondern auch als Rückmeldung an die Trägerorganisation und den beteiligten Führungskräften zu folgenden Dimensionen: KlientInnenbeteiligung, MitarbeiterInnenbeteiligung, der Unternehmenssprache, der Wirksamkeit der Zusammenarbeit, Einsatz von Software, KlientInnen als Agenten der eigenen Entwicklung und der Budgetneutralität.

Fazit

Das Buch habe ich aus der Sicht eines mit der Entwicklung von Dienstleistungen befassten Lesers bearbeitet. Es brauchte für mich etwas Übersetzungsarbeit von der Sprache der Sozialarbeiter in die Sprache eines aus der Betriebswirtschaft kommenden, interessierten Wissenschaftlers. Es zeigt sich hier wiederum, dass das Konstruieren von (sozialen) Dienstleistungen aus der Sicht der KlientInnen und mit deren Beteiligung zu sehr guten Ergebnissen führt. Dass dabei auch die Mitarbeiterbeteiligung oder besser Mitwirkung zu besseren Erfolgen führt, ist nicht nur am Element des KVP sichtbar, sondern auch an der durchgängigen Einbindung aller am Projekt beteiligten Personen. Es braucht eine konsequente zielorientierte, auf die KlientInnen und deren Zweck ausgerichtete Denke mit der Prozessorganisation als Basis.

Rezension von
Prof. Dr. Paul Brandl
war Professor für Organisationsentwicklung und Prozessmanagement an der FH Oberösterreich, Department für Sozial- und Verwaltungsmanagement und ist Berater insbesondere für die prozessbasierte Optimierung und Neugestaltung von sozialen Dienstleistern
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Es gibt 123 Rezensionen von Paul Brandl.

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Zitiervorschlag
Paul Brandl. Rezension vom 11.03.2020 zu: Gitta Bernshausen, Frank Löbler: Innovation personenbezogener Dienstleistungen als Prozess. Exemplarische Fallstudie eines Innovationsprozesses zur Bereicherung der sozialen Assistenz durch Teilhabebegleitung. Springer VS (Wiesbaden) 2020. ISBN 978-3-658-20513-3. Reihe: Sozialwirtschaft innovativ. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26544.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.


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