Johanna Backhaus-Knocke: Bildungsdokumentationen
Rezensiert von Prof. Dr. Helen Knauf, 15.07.2020
Johanna Backhaus-Knocke: Bildungsdokumentationen im Übergang vom Elementar- zum Primarbereich. Mehrperspektivische Betrachtungen.
Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung
(Bad Heilbrunn) 2020.
352 Seiten.
ISBN 978-3-7815-2356-2.
D: 48,00 EUR,
A: 49,40 EUR.
Reihe: Klinkhardt forschung.
Thema
Beim Übergang zwischen Kindertageseinrichtung und Grundschule überwinden Kinder die Grenze zwischen zwei unterschiedlichen Systemen – auch wenn es in den letzten 20 Jahren viele Bestrebungen gegeben hat, Kindertageseinrichtung zu einer Elementarstufe des Bildungssystems zu entwickeln. Zahlreiche Publikationen sowie Forschungs- und Entwicklungsprojekte widmen sich deshalb den Friktionen und Möglichkeiten des Übergangs in die Grundschule. Ziel ist eine „möglichst beständige Unterstützung der Entwicklungs- und Bildungsprozesse der Kinder“ (S. 110). Bildungsdokumentation kann in diesem Übergangsprozess als „Werkzeug dienen, Anschlussfähigkeit […] herzustellen“ (ebd.). Johanna Backhaus-Knocke legt eine empirische Untersuchung vor, die die verschiedenen Perspektiven der beteiligten Akteure auf die Probleme und Potenziale von Bildungsdokumentation im Übergangsprozess beleuchtet.
Autorin
Johanna Backhaus-Knocke ist Mitarbeiterin am Department Erziehungs- und Sozialwissenschaften an der Universität Köln. Sie war Stipendiatin im „Forschungskolleg frühkindliche Bildung“ der Robert-Bosch-Stiftung. Bereits 2009/2010 hat sie sich als Mitarbeiterin im Projekt „TransKiGs NRW“ an der Universität Münster mit dem Übergang befasst, bevor sie 2010/2011 im Projekt „WirKt“ (siehe unten) an der Universität Köln tätig war. Das vorliegende Buch stellt zugleich die Dissertation von Backhaus-Knocke dar.
Entstehungshintergrund
In diesem Buch werden Ergebnisse aus dem von Petra Hanke geleiteten Projekt „Wirkungen von Formen und Niveaus der Kooperation von Kita und Grundschule auf Erzieher/​innen, Grundschullehrkräfte, Eltern und Kinder (WirKt)“ präsentiert. Das von BMBF und ESF geförderte Projekt sollte den aktuellen Stand, die Chancen und Probleme der Zusammenarbeit von Fachkräften aus Kindertageseinrichtungen und Grundschulen untersuchen und dabei die Perspektiven der beteiligten Akteure (Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen, Grundschullehrkräfte, Eltern, Kinder) untersuchen.
Aufbau und Inhalt
Der Aufbau des Buches lässt sich grob in drei Teile gliedern:
Den Auftakt bildet ein allgemeiner Teil, in dem der aktuelle theoretische und empirische Forschungsstand vorgestellt wird (Kapitel 2 bis 5). Darin werden sowohl die Bildungsdokumentation als auch der Übergang sowie die Rolle der Dokumentation im Übergangsprozesse ausführlich und literaturbasiert beleuchtet. Wer eine fundierte und umfassende Aufbereitung des Forschungsstandes sucht, wird hier fündig. Dankenswerter Weise bezieht sich Backhaus-Knoke nicht ausschließlich auf deutschsprachige Literatur, sondern bezieht punktuell auch internationale Perspektiven ein.
Den zweiten Teil bildet die eigene empirische Untersuchung, deren Vorgehensweise und Ergebnisse präsentiert werden. Die Untersuchung kann sich auf einen quantitativen Teil stützen, bei dem Eltern von Kita- und Grundschulkindern, Fachkräfte aus Kindertageseinrichtungen und Lehrkräfte aus Grundschulen befragt wurden. Mit diesen Gruppen wurden zudem Interviews geführt; hinzu kommen Interviews mit Kindern aus Kita und Schule. Die Ergebnisdarstellung erfolgt unterstützt durch sinnvoll ausgewählte Diagramme; im qualitativen Teil unterstützen zahlreiche Zitate aus den Interviews die Analyse.
Der dritte und letzte Teil besteht in Zusammenfassung und Ausblick, wobei sich letzterer in Konsequenzen für die Forschung einerseits und für die Praxis andererseits unterscheidet.
Backhaus-Knoke kommt in ihrer Untersuchung zu durchaus neuen Erkenntnissen: So kann sie zeigen, dass es weniger datenschutzrechtliche Hindernisse sind oder Vorbehalte der Eltern, die die Weitergabe von Bildungsdokumentation zwischen den verschiedenen Institutionen verhindern. Vielmehr sind es vor allem die wenig ausgeprägten Kooperationsstrukturen zwischen den Fachkräften der Institutionen, die sich als Hindernis erweisen.
Fazit
Publikationen sowohl zu Bildungsdokumentation als auch zum Übergang von Kindertageseinrichtungen und Schule haben oft einen stark programmatischen Charakter. Die Literatur baut in vielen Fällen auf unhinterfragten normativen Setzungen auf, denen zufolge beispielsweise Eltern Vorbehalte gegenüber der Weitergabe von Dokumentationen an die Schule haben. Vor diesem Hintergrund ist eine empirisch angelegte Studie, wie sie hier vorgelegt wird, hoch willkommen. Das Buch eröffnet einen guten Überblick über das Thema und bietet zugleich differenzierte Perspektiven.
Grundsätzlich ist es jedoch überraschend, dass das Thema des Übergangs zwischen Kindertageseinrichtung und Grundschule gerade an Hochschulen und in den Ministerien so viel Aufmerksamkeit erfährt. Es stellt sich die Frage, ob die Bewältigung des Übergangs von Kindern und Eltern (und letztlich auch von Fachkräften) tatsächlich als Problem wahrgenommen wird oder ob es sich nicht eher um ein „am grünen Tisch“ identifiziertes Pseudo-Problem handelt. Die normativen Setzungen „Der Übergang ist ein Problem“ „Der Übergang muss ein sanfter sein“ und „Bildungsdokumentation bzw. ein intensiver Informationsfluss können den Übergang sanfter machen“ werden nur selten hinterfragt. Dies ist jedoch der Autorin und Promovendin nicht anzulasten. Insgesamt hebt sich die von Backhaus-Knocke durchgeführte Studie wohltuend von normativen und pseudo-pragmatischen Publikationen zum Thema ab, indem sie das Thema auf eine empirische Basis stellt. Dadurch gelingt es ihr, die Widersprüchlichkeit der Zielvorstellung von einem durch Dokumentation begleiteten Übergang aufzudecken.
Rezension von
Prof. Dr. Helen Knauf
Fachhochschule Bielefeld,
Fachbereich Sozialwesen
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