Lutz Wesel: Krebs - vom Diagnoseschock zum besonnenen Handeln
Rezensiert von Prof. Dr. Eva Luber, 13.07.2020
Lutz Wesel: Krebs - vom Diagnoseschock zum besonnenen Handeln. Hilfe für Erkrankte und ihre Angehörigen.
Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2017.
127 Seiten.
ISBN 978-3-8497-0188-8.
D: 17,95 EUR,
A: 18,50 EUR.
Reihe: LebensLust.
Thema
Krebserkrankungen werden immer öfter und für länger überlebt. Neben Fortschritten der Schulmedizin kann der Umgang der Betroffenen mit ihrer Diagnose entscheidend für das Gelingen von Heilung sein.
Autor
Der Autor selbst hat eine Krebserkrankung überwunden. Er ist Mediziner und hatte in Sinsheim eine Praxis für Allgemeinmedizin. Schwerpunkte seiner Tätigkeit waren Psychotherapie, Präventionsmedizin, Hypnotherapie, achtsamkeitsbasierte Methoden und Arzt-Patient-Kommunikation. Seine Erfahrungen als Patient und als Arzt werden hier beschrieben und reflektiert. Dazu empfehle ich auch sein Buch „Wie sag ich’s meinem 'Doc'“, welches ich ebenfalls bei socialnet.de rezensiert habe.
Aufbau
Das kleine Handbuch ist neben dem Vorwort in zwölf Kapitel aufgeteilt. Dazu gibt es eine Checkliste, was zu tun wäre und einen ausführlichen Serviceteil wo Informationsportale, Kliniken und Literaturempfehlungen gegeben werden. Die meisten Kapitel haben eine Zusammenfassung.
Inhalt und Diskussion
Im Vorwort wird den Lesenden geraten, Ruhe zu bewahren und mutig die neue „Über“lebensaufgabe anzupacken. “Mein Ziel ist es,…Unsicherheit, Angst und Verwirrung über das, was das alles bedeutet, durch eine klare Vorstellung zu ersetzen, wie Sie damit umgehen können, was es jetzt zu tun gibt und was Sie besser nicht tun sollten.“
Der Band umfasst zwölf Kapitel:
- Krebs ist heilbar – Dieses Kapitel ist geprägt durch die jahrzehntelange Erfahrung des Autors im Übermitteln von beunruhigenden Diagnosen. Er warnt vor der Verwendung des Begriffes „unheilbar,“ der in der Psyche des Patienten leicht zur „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“ werden kann. „Ein Arzt mag vieles über Ihre Erkrankung wissen – über das, was das Schicksal mit Ihnen vorhat, weiß er jedoch nichts.“ Noch ein Zitat, von „Dr. Carl Simonton, einem Pionier der Psychoonkologie: Wenn der Ausgang einer Sache ungewiss ist – -ist es nie verkehrt, Hoffnung zu haben.“
- Was ist Krebs – Hier wird dem Laien eine umfassende Einführung in das Geschehen gegeben: Entwicklungen zu entarteten Zellen geschehen ständig, aber „genetisch vorgegebene Sicherheitsmaßnahmen“ halten sie auf. Es wird der Unterschied zwischen Krebsarten der Organe oder der Systeme erläutert. Die Frage „Warum gerade ich“ sollte vermieden werden, oder gar das Suchen nach einer Schuld. Es sind immer mehrere Faktoren und meistens deren Verquickung. Die häufigste beeinflussbare Ursache ist Stress, und am Lebensstil kann der Betroffene am ehesten etwas ändern!
- Stadieneinteilung und Prognosen – Die bekannten Einteilungen werden dem Laien vermittelt. Prognosen sind statistische Wahrscheinlichkeiten, die Hinweise auf die geeignete Therapie geben: sie sind nicht als „verlässliche Vorhersage für den Einzelfall“ anzusehen.
- Wie wird Krebs behandelt? – Die gängigen Methoden werden erläutert: Operation, Bestrahlung, Chemotherapie, Knochenmarkstransplantation, Radiochemotherapie. Auch neuere Methoden wie Rezeptorblockade, Antikörpertherapie, immunologische Checkpoint-Inhibitoren und Gentherapie sind behandelt. In der Zusammenfassung werden die Begriffe für Strategien eingeführt: Der kurative Ansatz, der die vollständige Heilung anstrebt, der palliative, als Strategie, die die maximale Lebensqualität über einen möglichst langen Zeitraum erreichen will, die adjuvante Therapie, die Rezidive verhindern möchte und die neoadjuvante Therapie, die den Tumor so sehr verkleinern möchte, dass er dann doch operativ entfernt werden kann.
- Google weiß alles – Dieses Thema wird auch im Buch „Wie sag ich’s meinem Doc?“ ausführlich behandelt. Hier ist die Botschaft: „Verzichten Sie aufs Googeln“ untermauert durch die Erfahrung des Autors bei seiner eigenen Krebsdiagnose: nachdem er einen Abend lang seine Erkrankung gegoogelt hatte, konnte er nicht mehr schlafen und hat sich entschieden, dies nicht mehr zu tun.
Viele Ratschläge sind eher schädlich, denn: „Es gibt keine Wundermittel!“ Krebserkrankungen sind komplex, einfache Lösungsansätze deshalb falsch. Suchen Sie Kontakt zu Vertrauenspersonen, das können Ärzte sein, aber auch Selbsthilfegruppen, wie sie im Anhang ausgewiesen sind. - Schul- oder Alternativmedizin? – Es wird die „verwirrende Vielfalt“ an therapeutischen Angeboten beschrieben: die Stärken der Schulmedizin liegen in der Überprüfbarkeit ihrer Wirksamkeit, aber das Leben besteht aus „immateriellen Aspekten wie Geist, Energie, Spiritualität und Schicksal“, die mit dem wissenschaftlichen Ansatz nicht fassbar sind. Deshalb der Leitsatz: „Bei einer Krebserkrankung gibt es keine Alternative zu Schulmedizin!“, allerdings können andere Zweige die Heilung befördern und das Leiden mindern. Also werden diese Ansätze aufmunternd beschrieben: Psychosomatische Medizin und Psychoonkologie, Energetische Medizin, und das Beeinflussen der Spiritualität durch „Glaube, Religion, Seelsorge, geistiges Heilen und Schamanismus.“
Zur Entscheidungsfindung empfiehlt der Autor das Einholen einer Zweitmeinung. Das Kapitel schließt: „Um vom Krebs geheilt zu werden, braucht es sicher mehr als die Schulmedizin -- aber ohne sie wird es nicht gehen.“ - Kommunikation mit Ärzten – Auch hier empfehle ich die Rezension des Buches „Wie sag ich‘s meinem Doc?“ Basis des Therapieerfolgs ist die vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung. Dazu gibt es Tipps. Wegen der Placebo- und Noceboeffekte sollte der Betroffene sich nicht alle möglichen Nebenwirkungen erläutern lassen.
- Resilienz und Salutogenese — die Entstehung der Gesundheit – Die Säulen der Antonovski‘schen Salutogenese (Ursprung von Gesundheit) sind Verstehbarkeit, Machbarkeit, Sinnhaftigkeit und soziales Netz. Bei Untersuchungen, die Antonovski in Israel bei Überlebenden des Holocaust anstellte, konnten diejenigen, die über diese Eigenschaften verfügten, ihr Leben besser meistern. Krebs bedeutet Stress, auch für die Angehörigen, und der Betroffene sollte Stress meiden.
In einer knappen Seite, betitelt mit: Was genau ist Heilung? Werden die unterschiedlichen Erwartungen an Heilung vorgestellt. Soll der Zustand wieder so sein, wie zuvor, oder soll nur das erkrankte Organ entfernt sein? Die Psychotherapie strebt an, dass der Patient in der Lage ist, geistig und emotional mit der Erkrankung zurecht zu kommen. „Noch weiter gefasst ist der Heilungsbegriff aus spiritueller Sicht…Vielmehr geht es hier eher um ein Heilsein in dem Sinne, dass man mit sich, Gott und der Welt im Reinen ist.“ Und manche Menschen sind in diesem Sinne nicht „heil“, obwohl sie gesund erscheinen. Schon im Vorwort spricht Wesel an, dass Manchen Krebserkrankungen aus der Warte der Genesenen „sogar mehr gebracht als genommen haben.“ - Was Sie selbst zu Ihrer Heilung beitragen können – Die auch medizinischen Laien bekannten Verhaltensänderungen werden anschaulich beschrieben: Nicht mehr rauchen, besser ernähren, mehr bewegen und sich mit der Umwelt aussöhnen. Sich selbst schöne Dinge gönnen! Falls das zu schwer fällt, kann auch eine psychoonkologische Beratung helfen.
- Über den Umgang mit Krebserkrankungen in der Partnerschaft und Familie – Eine Fülle von Ratschlägen werden mit praktischen Beispielen vorgestellt. Das Wichtigste: Redet drüber! Rettet die Zärtlichkeit und sprecht auch über Sterben und Tod!
- Palliativmedizin – „Palliativmedizin (ist) ganz eindeutig eine Hilfe zum (guten) Leben und nicht vorrangig Sterbehilfe.“ Im Vordergrund steht die Lebensqualität der Betroffenen. „Und wenn sich ein Leben dem Ende zuneigt, kann die Palliativmedizin ein friedliches, würdiges Einschlafen ohne Angst und Not gewährleisten.“
- Fragen am Ende des Lebens – Neben organisatorischen Tipps (Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Testament) werden „Wichtige Fragen“ angeschnitten, Gedanken, die uns helfen, Abschied zu nehmen. Dazu wird das Konzept der „Würdezentrierten Therapie“ von Harvey Mas empfohlen.
Auf spirituelle Fragen: wer bin ich, wo kommt das Leben her – und wo geht es hin? Gibt uns der Autor beispielhaft seine Antworten.
Zum Abschluss folgen eine Checkliste und Serviceteil.
Fazit
Ein lesenswertes Buch, gut lesbar geschrieben von jemandem, der als Arzt über viele Jahre seine Patienten in schweren Zeiten begleitet hat. Empfehlenswert für Betroffene und ihnen Nahestehende.
Rezension von
Prof. Dr. Eva Luber
MSc
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Es gibt 9 Rezensionen von Eva Luber.
Zitiervorschlag
Eva Luber. Rezension vom 13.07.2020 zu:
Lutz Wesel: Krebs - vom Diagnoseschock zum besonnenen Handeln. Hilfe für Erkrankte und ihre Angehörigen. Carl-Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2017.
ISBN 978-3-8497-0188-8.
Reihe: LebensLust.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/26667.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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