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Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Hrsg.): Vielfalt von Elternschaft und Familie

Rezensiert von Prof. Dr. habil. Gisela Thiele, 12.06.2020

Cover  Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Hrsg.): Vielfalt von Elternschaft und Familie ISBN 978-3-7841-3255-6

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Hrsg.): Vielfalt von Elternschaft und Familie. Reformbedarf für Recht und Soziale Arbeit. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2020. 96 Seiten. ISBN 978-3-7841-3255-6. D: 16,00 EUR, A: 16,50 EUR.
Reihe: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit - 51. Jahrgang, Nr. 1 (2020).

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Thema

Die vorliegende Publikation setzt sich mit neuen Familienformen auseinander. Die so genannte Kernfamilie Vater, Mutter und Kinder ist noch immer die häufigste Form und die, die in Deutschland am meisten vorzufinden ist. Neben dieser klassischen Familie existieren viele weitere Lebensgemeinschaften. Veränderte gesellschaftliche Bedingungen wirken sich auch auf künftige Familienformen aus und stellen neue Anforderungen an die Soziale Arbeit.

Herausgeber

Herausgeber des Bandes sind Prof. Dr. Hans Achinger und Prof. Dr. Peter Buttner.

Aufbau und Inhalt

Die Fachzeitschrift besteht aus sechs Beiträgen unterschiedlicher AutorInnen.

Im ersten Beitrag „Diversität von Familie und Elternschaft“ von Bernd Eggen wird auf die Möglichkeiten und Gestaltung von Familie und Elternschaft eingegangen. Die Unterschiede zwischen heute und früher lägen weniger in der strukturellen Vielfalt als im Trend der Pluralisierung veränderter Familienformen. Die zunehmende Durchsetzung von homosexuellen Eltern führe zu einer Verbreitung dieser in der Gesellschaft und damit zu einer Stabilisierung der Errungenschaft. Die Anwendung der Reproduktionsmedizin werde sich zu einer Auflösung der biologischen Reproduktionstriade, bestehend aus zwei gegengeschlechtlichen Paarungspartnern und deren Nachwuchs entwickeln, sodass jetzt ein Kind mehr als zwei biologische Eltern haben könne (S. 8). Familiale Elternschaften reichen heute von einer alleinerziehenden Person über die Paarbeziehung bis hin zu einer Trio-, Quattro- und X-Beziehung. So ist es beispielsweise bei der queeren Familie, wo mehr als zwei Personen die familiale Elternschaft übernähmen.

Der folgende Beitrag von Hannelore Grauel-von Strünck setzt sich mit der „Beratung und Unterstützung von mit multipler Elternschaft“ auseinander. Hier geht es um die Herausforderungen für Eltern und Kinder, die sich aus einer multiplen Elternschaft ergeben und wie diesen in der Beratung begegnet werden könne. Eine wesentliche Aufgabe bestehe darin, den abwesenden Elternteil als wichtige Bezugsperson der Kinder wertzuschätzen, sodass den Kindern eine „ungestörte“ Beziehung zu beiden Eltern möglich sei.

Beitrag drei von Sevda Evcil ist „Neuen Formen der Elternschaft: Reformbedarf im Abstammungsrecht“ gewidmet. Der Beitrag geht auf Veränderungen im Abstammungsrecht ein und dabei vor allem auf die Eltern-Kind-Zuordnung in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Als „queere“ Familien werden Konstellationen bezeichnet, in denen mindestens einer der Elternteile lesbisch, schwul oder transgender sind. Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat. Abstammungsrechtlich habe damit nicht die genetische, sondern die gebärende Frau den Vorrang. Viele Paare, deren Kinderwunsch nicht in Erfüllung geht, reisten in andere Länder, in denen die Eizellspende und/oder Leihmutterschaft legal sind. Jedes Kind habe grundsätzlich ein geschütztes Recht auf Kenntnis der eigenen genetischen Herkunft (S. 28). Eine rechtliche Form der Mutterschaftsanerkennung analog zur Vaterschaftsanerkennung gäbe es nicht.

Der folgende Beitrag, der von Elisabeth Unger verfasst wurde, beschäftigt sich mit der „Beratung im Kontext von Leihmutterschaft und Reproduktionsmedizin: aktuelle Anforderungen“. Der Wunsch nach einem genetisch von den Eltern abstammenden Kind sei existentiell. Für viele Paare ließe sich ein Kinderwunsch nur über eine Eizellspende oder einer Leihmutterschaft realisieren, die aber rechtlich in Deutschland verboten seien. Als Grund dafür würde das Wohl des Kindes angegeben. Im Interesse der Leihmütter, der Wunscheltern und gerade auch der Kinder sollte die Leihmutterschaft durch den Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen legalisiert werden, ein Verbot sei verfassungsrechtlich ohnehin nicht mehr zu rechtfertigen (S. 47).

Mit dem Titel „Sorgerecht, Wechselmodell, Mehrelternschaft – Auswirkungen pluralisierter Familienformen auf die familiengerichtliche Praxis“ von Brigitte Meyer-Wehage ist Beitrag fünf überschrieben. Seien die Eltern nicht verheiratet, kann die gemeinsame Sorge nur über entsprechende Erklärungen oder gerichtlich herbeigeführt werden. Von einem Wechselmodell sei dann auszugehen, wenn die Betreuung des Kindes paritätisch, also im Umfang von 50:50 erfolge. Dieser Anteil würde in anderen europäischen Nachbarstaaten niedriger liegen. In Belgien genüge beispielsweise ein Anteil von 33:67. Das Kind sei grundsätzlich am Verfahren zu beteiligen, wobei dem Kinderwillen – abhängig vom Alter – Priorität zukommen könne. In Deutschland sei eine grundlegende Reform des Kindschaftsrechts notwendig (S. 59).

Wibke Frey und Kirsten Scheiwe sind die Autorinnen eines Beitrags zum Thema „Zwischen Einigungszwang und Alleinentscheidungsbefugnis: die Ausgestaltung elterlicher Sorge im internationalen Vergleich“. Es werde grundsätzlich vermutet, dass dem Kindeswohl das gemeinsame Sorgerecht am ehesten entspräche, sodass besondere Gründe für eine Teilübertragung auf nur einen Elternteil zu rechtfertigen seien. Beispiele wie England und die Niederlande zeigten, wie die Gesetzgebung stärker an familiäre Realitäten angepasst werden könnten.

Zum Schluss werden „Aktuelle Positionen“ ein Positionspapier zum Wechselmodell, eine Stellungnahme zur Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft und eine gemeinsame Positionierung verschiedener Verbände zur EU-Vereinbarkeitsrichtlinie von der Redaktionvorgestellt. Für Kinder wär aus psychologischer Sicht das Bedürfnis nach Kontinuität und Stabilität besonders relevant. Nicht die Quantität des Kontaktes, sondern die Qualität zum Wohl des Kindes sei entscheidend. Eine zeitlich gleiche Aufteilung der Betreuungszeiten sei nicht erforderlich. Das Wechselmodell sei ein sehr anspruchsvolles, das von allen Beteiligten mitgetragen werden müsse und das sehr teuer wäre. Deshalb sei es für zerstrittene Paare nicht geeignet. Für reproduktive Gerechtigkeit tritt die Stellungnahme des feministischen Netzwerkes ein und dafür, dass das Verbot von Eizellspende und Leihmutterschaft aufrechterhalten werden müsse (S. 82).

Fazit

Die Zeitschrift hält ihr Versprechen, fundiert, aktiv, fachgesellschaftliche Debatten mitzugestalten und sich mit der Lösung der für die Soziale Arbeit relevanten sozialen Probleme zu beschäftigen. Es ist theoretisch tiefgehend und greift aktuelle gesellschaftliche Probleme auf, die als Herausforderungen für die Profession der Sozialen Arbeit zu verstehen sind. Es lohnt sich für alle, die sich mit der Vielfalt von Elternschaft und Familie und deren notwendigen Reformen beruflich auseinandersetzen müssen.

Rezension von
Prof. Dr. habil. Gisela Thiele
Hochschule Zittau/Görlitz (FH)
Berufungsgebiete Soziologie, Empirische Sozialforschung und Gerontologie
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Es gibt 202 Rezensionen von Gisela Thiele.

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ISSN 2190-9245